Brasilien: Notruf der Munduruku aus dem Amazonasregenwald

Überfall auf das Indigenen-Dorf Fazenda Tapajós In einem der von dem Mob in Brand gesteckten Häuser lodern Flammen (© Associação Wakoborun)

28.05.2021

Die Indigenen Munduruku im brasilianischen Bundesstaat Pará wenden sich mit einem Notruf an die Öffentlichkeit. Ein Mob von illegalen Goldschürfern hat das Indigenendorf Fazenda Tapajós überfallen. Die mit Benzinkanistern und Schusswaffen ausgerüsteten Kriminellen haben zwei Häuser niedergebrannt und offenbar auch geschossen, wie gefundene Patronenhülsen belegen.

Es handelt sich offenbar um einen gezielten Angriff gegen die Führerinnen der indigenen Frauenvereinigung Associação Wakoborun. Eines der in Brand gesteckten Häuser gehört der indigenen Führerin Maria Leusa Kaba.

Die indigenen wehren sich seit vielen Jahren friedlich gegen illegale Goldsucher, die in die angestammten Territorien der Indigenen eingefallen sind. Die Goldschürfer zerstören die ökologisch sehr sensiblen Flussläufe und vergiften die Gebiete mit Quecksilber und Zyanid, die zur Bindung der aus den Sendimenten gewaschenen Goldpartikel eingesetzt werden. Sie zerstören damit die Lebensgrundlagen der Einwohner und verseuchen deren Trinkwasser.

Die Gewaltakte sind offenbar ein Racheakt im Zusammenhang mit einem Einsatz (Operação Mundurukâni) der brasilianischen Bundespolizei, der das Ziel hat, gegen die Goldsuche in den indigenen Territorien Munduruku und Sai Cinza vorzugehen und die Kriminellen rechtlich zu verfolgen, berichtet AmazoniaReal.

Die Indigenen fordern die brasilianischen Behörden auf, sie und ihr Land vor den gewalttätigen Goldsuchern effektiv zu schützen und die illegalen Eindringlinge zu entfernen.

Rettet den Regenwald e.V. unterstützt die Forderungen der indigenen Organisationen und fordert die brasilianische Regierung und Behörden zum SOFORTIGEM Handeln auf.

Bei dem Überfall auf das Dorf wurden offenbar auch Schüsse abgefeuert, wie gefundene Patronenhülsen belegen

Nachfolgend die Übersetzungen von zwei öffentlichen Aufrufen der Munduruku:

1. https://movimentomundurukuiperegayuii.wordpress.com/2021/05/28/exigimos-que-sejam-expulsos-os-invasores-de-nosso-territorio/

28. Mai 2021

Wir fordern, dass die Eindringlinge aus unserem Territorium entfernt werden

Unser gesamtes Volk von Munduruku ist empört über die Beendigung des Einsatzes der Bundespolizei in unserer Region. Der Einsatz kann nicht jetzt beendet werden, wo die illegalen Golddsucher unsere Führer angreifen. Wir können nicht verstehen, wie die Einsatzkräfte unser Gebiet in einer Zeit großer Gefahr für uns verlassen kann. Wir rufen um Hilfe!

Wir fordern, dass dieser Einsatz gegen den illegalen Bergbau aufrechterhalten wird und dass die Sicherheitskräfte zurückkehren, um alle Goldsucher, die sich noch in unserem Gebiet befinden, zu vertreiben und die Sicherheit unserer Bevölkerung zu garantieren. Die Minen sind nicht geschlossen worden und unsere Dörfer und Anführer werden weiterhin angegriffen und bedroht. Am 26. wurde das Dorf Fazenda Tapajós von diesen Verbrechern mit Waffengewalt überfallen und die Häuser in Brand gesetzt. Andere Dörfer und Anführer werden (ebenfalls) bedroht. Wenn sie diejenigen, die uns bedrohen, nicht verhaften, werden wir sterben und die Bundesregierung und alle, die die Gewalt gefördert haben, werden beschuldigt werden. Wir sterben an einer Quecksilbervergiftung und laufen Gefahr, von den Minenarbeitern ermordet zu werden.

Die illegalen Goldsucher protestierten und griffen die nationalen Sicherheitskräfte an, woraufhin der Einsatz zurückgezogen wurde und alle (Sicherheitskräfte) unsere Region verließen. Der Einsatz, der dem illegalen Bergbau ein Ende setzen sollte, gehorchte am Ende den illegalen Goldsuchern und stellte die Operation ein. Währenddessen leben wir Führungskräfte, die unser Territorium schützen, in ständiger Angst, dass das Schlimmste passieren könnte. Wir haben keinen Frieden mehr für unsere Familien in unserem eigenen Land und Zuhause.

Mit der Einstellung des Einsatzes und dem Abzug der Sicherheitskräfte, die versprochen hatten, uns zu beschützen, sind wir nun inmitten des Konflikts auf uns allein gestellt. Die Pariwat (Weißen) fahren fort, uns gegeneinander aufzuhetzen, ohne sich die Mühe zu machen, unser Territorium, unsere Kultur, unser Leben und die Zukunft unserer Kinder zu respektieren. Die Regierung macht wieder einmal einen vorsätzlichen Schritt, um uns in unserem eigenen Land zu töten. (Es ist) eine angekündigte Farce, um Kriminelle zu schützen, die es nicht geschafft hat die Minen innerhalb des indigenen Munduruku-Territoriums zu schliessen, den Angriff auf unsere Anführer nicht eindämmen und verhindern konnten und die abzogen wurde, als sie von den Kriminellen bedrängt wurden, was all diese illegalen Praktiken legitimierte und die Eindringlinge bestätigte. Wir wollen nicht länger diese Art von ineffizientem Betrieb, der uns noch ungeschützter macht. Wir wollen die dauerhafte und effektive Präsenz des Staates, der seine verfassungsmäßige Pflicht erfüllt, das indigene Land zu schützen, die Einhaltung der Gerichtsurteile und der Empfehlungen des MPF (Ministério Público Federal, Bundesgeneralanwaltschaft), um den illegalen Bergbau von unserem Land zu entfernen und das Leben unseres Volkes zu schützen.

2. https://movimentomundurukuiperegayuii.wordpress.com/2021/05/26/comunicado-emergencial-das-organizacoes-de-resistencia-do-povo-munduruku/

26. Mai 2021

Notfallkommuniqué der Widerstandsorganisationen des Volkes der Munduruku

Wir Munduruku fordern von den staatlichen Sicherheitskräften die sofortige Übernahme von Verantwortung, um die Menschen, Anführerinnen und Anführer sowie Kazikinnen und Kaziken zu schützen, die gegen die Invasion des Bergbaus in der Region Widerstand leisten.

Heute Morgen (26.5., Anm.d.Üb.) griff ein vom Bürgermeister der Gemeinde Jacareacanga angestachelter Mob aus Goldschürfer:innen die vor Ort befindlichen Niederlassungen der nationalen Streitkräfte und der Bundespolizei an, die in der Region zugegen sind. Der Mob versuchte, deren Gerätschaften zu verbrennen, und die Beamten antworteten daraufhin mit Tränengasbomben. Da es dadurch dem Mob nicht gelang, Gelände und Gebäude der Polizei- und Nationalen Sicherheitskräfte zu stürmen, griffen der Mob aus Bergarbeiter:innen und deren Gruppen von kooptierten Indigenen die Häuser unserer indigenen Anführer:innen an.

Damit überschritt die Gewalt gegen unser Volk der Munduruku alle Grenzen. Am Nachmittag des 26. Mai, gegen 12:30 Uhr, wurde das indigene Dorf Fazenda Tapajós, in dem die Koordinatorin der Frauen-Vereinigung Wakoborun, Maria Leusa Kaba, lebt, vom Mob bewaffneter Bergleute überfallen und angegriffen. Zwei Häuser wurden in Brand gesetzt, das Haus der Koordinatorin selbst und das ihrer Mutter, der Kazikin des Dorfes. Den Informationen zufolge wurde niemand verletzt, aber alle stehen unter Schock.

Darauf folgte die Ansage, der Mob werde in das Dorf von Ademir Kaba und Ana Poxo, den Anführer:innen unseres Volkes, ziehen und dort das Gleiche zu tun. Wir brauchen dringend den Einsatz von Polizeikräften, um die Kriminellen zu verhaften, die uns angreifen, und um unsere Anführer in Sicherheit zu bringen, damit diese ihre Arbeit weiterführen und die Eindringlinge aus unserem Land vertreiben können, sonst wird das alles nie enden.

Es ist inakzeptabel, dass trotz der Präsenz der Nationalen Streitkräfte in der Region das Dorf eines unserer wichtigsten Anführer von bewaffneten Männern überfallen wurde, die Kanister mit Gallonen von Benzin mit sich führten, die den Hass gegen uns alle schüren. Wir fürchten um das Leben derer, die unermüdlich dafür kämpfen, das Leben des Volkes der Munduruku und die Zukunft aller Menschen auf diesem Planeten zu verteidigen.

Für die Verteidigung des sauberen Flusses und des lebendigen Waldes sind wir Opfer der Todespolitik dieser Regierung, die uns auf unserem eigenen Territorium bewaffneten Bergleuten ausliefert.

Wir bitten dringend um die Präsenz der Bundespolizei, um weitere Gewalt, Morde und Massaker zu verhindern, die aus der Förderung illegaler Bergbauaktivitäten und der Straflosigkeit von Kriminellen resultieren, wie wir sie bei den Yanomami und hier im Gebiet Mundurukania erleben.

Unser Volk will nur in FRIEDEN LEBEN und UNSERE RECHTE RESPEKTIERT HABEN. Wir sind nicht diejenigen, die nach Gewalt fragen. Wir bitten nur um den Schutz unseres Landes und des Lebens der Indigenen durch den Staat, wie es die Bundesverfassung vorschreibt. Wir schreien um Hilfe.

unterzeichnet von: Movimento Munduruku Ipereg Ayu, Associação das Mulheres Munduruku Wakoborun, Associação Da’uk, Associação Arikico, Conselho Indígena Munduruku do Alto Tapaós- CIMAT

// Originalquelle: https://movimentomundurukuiperegayuii.wordpress.com/2021/05/26/comunicado-emergencial-das-organizacoes-de-resistencia-do-povo-munduruku/

// Übersetzung: Christian Russau, Christian.russau@fdcl.org

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