Brasilien: Die Pestizidbesprühungen aus der Luft müssen aufhören!

Ein Propellerflugzeug versprüht Pestizide aus der Luft über einem Soja-Feld Ein Propellerflugzeug versprüht Pestizide aus der Luft über einem Soja-Feld im brasilianischen Bundesstaat Maranhão (© Thomas Bauer - H3000)

In Maranhão im Nordosten Brasiliens greifen Sojaproduzenten die Bevölkerung mit Giften an. Sie versprühen mit Flugzeugen und Drohnen Pestizide über den Menschen, ihren Gemüsefeldern, Palmenwäldern und Trinkwasserquellen. Helfen Sie, von der brasilianischen Regierung und den zuständigen Behörden ein Verbot der Sprühflüge zu fordern.

Appell

An: An die brasilianische Bundesregierung, an die Regierung von Maranhao

„Pestizid-Besprühungen aus der Luft mit Flugzeugen und Drohnen in Brasilien müssen verboten und Maßnahmen zum Schutz der Menschen in Timbiras ergriffen werden“

Ganzes Anschreiben lesen

Die Menschen im Bezirk Timbiras im Bundesstaat Maranhão klagen, dass Sojaproduzenten Pestizide als Waffe gegen sie einsetzen, um sie von ihrem Land zu vertreiben. Seit drei Jahren breitet sich die Sojaindustrie in der Region stark aus und dieses Jahr haben sich die Sprühattacken per Flugzeug und Drohnen verstärkt.

Der Giftnebel fällt nicht nur auf die Soja-Plantagen herab, sondern auch die umliegenden landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztiere, auf Palmen- und Flusswälder, auf Gewässer und sogar die Häuser und die Körper der Menschen. Alles wird mit den Giften verseucht und vernichtet.

Die Pestizide zerstören die Ernährungsgrundlagen der Bauernfamilien, sie sind von Hunger und Durst bedroht und werden krank. Frauen, Männer, alte Menschen und Kinder leiden unter Hautwunden, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel, Kurzatmigkeit, Husten und anderen Vergiftungssymptomen.

Da es auf dem Land kaum öffentliche Gesundheitseinrichtungen gibt, müssten sie in Krankenhäuser in die Städte gehen. Dort wird ihnen erklärt, sie hätten Krätze oder eine Virusinfektion.

Der Rat für die Verteidigung der Menschenrechte des Bundesstaates Maranhão (CEDDH) hat Timbiras besucht und den Ernst der Lage bestätigt.

Auch in anderen Bundesstaaten Brasiliens finden derartige Sprühangriffe mit Pestiziden statt. Laboranalysen von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen bestätigen die Verseuchung der Gewässer traditioneller Völker und Gemeinden durch die Agrargifte.

In der EU ist das Versprühen von Pestiziden aus der Luft wegen der nachgewiesenen gravierenden Risiken für Mensch und Umwelt seit 2009 untersagt.

Bitte machen Sie mit und fordern Sie die Regierung von Brasilien und Maranhão auf, die Sprüheinsätze aus der Luft dringend zu verbieten – so wie bereits im brasilianischen Bundesstaat Ceará der Fall.

Hinter­gründe

Einsatz und Auswirkungen von Agrarchemie in Brasilien

Brasilien ist der größte Importeur von Pestiziden weltweit. Chemiekonzerne aus Deutschland und Europa wie Bayer, BASF und Syngenta, DuPont aus den USA und aus China verkaufen immer größere Mengen Agrargifte an das südamerikanische Land, darunter auch sehr viele hochgefährliche und bei uns verbotene Produkte. 720.870 Tonnen Pestizide wurden in Brasilien im Jahr 2021 verbraucht, mehr als die Hälfte davon für den Sojaanbau.

In den vergangenen 5 Jahren wurden ca. 6.230 neue Pestizide in Brasilien zugelassen - im Durchschnitt über 500 pro Jahr. Die Menschen, Tiere und Pflanzen, die Luft, die Böden, das Trinkwasser, die Gewässer und Ökosysteme werden mit einem Cocktail unzähliger verschiedene Pestizide vergiftet. Die Auswirkungen werden praktisch nicht kontrolliert und sind auch kaum untersucht.

Jedes Jahr erleiden dort Tausende Menschen Vergiftungen durch die Agrarindustrie, wobei die Dunkelziffer viel höher ist. Am Ende kommen die Gifte auch zu uns. Viele aus Brasilien in die EU importierte Agrarprodukte weisen hohe Pestizidbelastungen auf.

In Timbiras beklagen die Menschen, dass sie mit einem Cocktail aus mindestens 7 verschiedenen Pestiziden besprüht werden. Eines der von ihnen identifizierten Gifte ist das Herbizid "Disparo" des chinesischen Herstellers Lier Chemical. Es enthält die Wirkstoffe Picloram (Pyridincarbonsäure) und 2,4-D-Dimethylamin (Aryloxyalkansäure). Laut der Packungsbeilage des Herstellers sind die Vergiftungserscheinungen durch diese Wirkstoffe mit denen der Landwirte vereinbar.

Daneben verkaufen die Agrochemiekonzerne auch große Mengen Saatgut, darunter gentechnisch verändertes Saatgut wie beispielsweise Roundup Ready Mais und Roundup Ready Soja von Bayer. Dieses wurde gegen das Herbizid Glyphosat (beispielsweise enthalten in Roundup von Bayer) unempfindlich gemacht. Der Anbau der gentechnisch veränderten Pflanzen ist in der Praxis mit dem Einsatz besonders hoher Mengen Spritzmittel verbunden.

Umwelt- und Menschenrechtsorganisatioinen reichen Beschwerde gegen Bayer ein

Ein Bündnis aus sechs Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Deutschland und Paraguay hat eine Beschwerde bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen die Bayer AG eingereicht. Sie wollen damit den Konzern für schwerwiegende Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft in Südamerika zur Verantwortung ziehen.

Der Vorwurf: Bayer verstoße gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Der Konzern fördere ein Agrarmodell in Südamerika, das zu Nahrungsunsicherheit, Wasserknappheit, extremer Abholzung, Biodiversitätsverlust, gravierenden Gesundheitsauswirkungen sowie Landkonflikten mit indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften führt.

Das Unternehmen habe es versäumt, auf die schwerwiegenden Menschenrechts- und Umweltrisiken, die unmittelbar mit seinem Geschäftsmodell in der Region verbunden sind, angemessen zu reagieren. Weder wurden die Auswirkungen der Nutzung von gentechnisch verändertem Saatgut und Pestiziden überwacht, noch wurden effektive Maßnahmen ergriffen, um diese zu verhindern und abzumildern, so Misereor.

Weitere Informationen

Artikel und Videoausschnitt über die Pestizidbesprühungen in Timbiras auf Portugiesisch:

- Agrotóxicos Mata/Rede de Agroecologia do Maranhão (Rama), 8.4.2024. Denúncia: Aroguerra química contra comunidades tradicionais: https://contraosagrotoxicos.org/guerra-quimica-contra-comunidades-tradicionais/

- Amazonia Real, 22.5.2024. Ataques químicos estão mais intensos e agressivos no Maranhão: https://amazoniareal.com.br/ataques-quimicos-estao-mais-intensos-e-agressivos-no-maranhao/

- Amazonia Real, 15.4.2024. ‘Guerra química’ intoxica comunidades no Maranhão: https://amazoniareal.com.br/guerra-quimica-intoxica-comunidades-no-maranhao/

Atlas über Agrargifte in Brasilien:

- Fundação Heinrich Böll, 12.2023. Atlas dos agrotóxicos. Fatos e dados do uso dessas substâncias na agricultura 2023: https://br.boell.org/sites/default/files/2024-01/atlas-do-agrotoxico-2023-revisao2024.pdf

An­schreiben

An: An die brasilianische Bundesregierung, an die Regierung von Maranhao

Sehr geehrter Herr Minister für Landwirtschaft und Viehzucht, Carlos Henrique Baqueta Fávaro;

sehr geehrte Frau Umweltministerin Marina Silva;

sehr geehrter Herr Minister für Menschenrechte und Staatsbürgerschaft, Silvio Luiz de Almeida;

sehr geehrter Herr Gouverneur von Maranhão, Carlos Brandão,

nach Angaben der betroffenen Bevölkerung setzen seit mindestens drei Jahren Sojaproduzenten im Bezirk Timbiras im Osten von Maranhão, einer Region, in der die Agrarindustrie stark expandiert, Pestizide als chemische Waffe ein.

Die Einwohner:innen beklagen, dass die mit Flugzeugen und Drohnen versprühten Pestizide sie von ihren angestammten Gebieten vertreiben sollen, die sie seit mehr als einem Jahrhundert bewirtschaften.

Der "Giftnebel" fällt nicht nur auf die Soja-Plantagen herab, sondern auch auf die umliegenden landwirtschaftlichen Kulturen und die Nutztiere der Einwohnern:innen, auf Palmen- und Flusswälder, auf Gewässer, Trinkwasserquellen und sogar die Häuser und die Körper der Menschen.

Sie leiden unter Hautverbrennungen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Atembeschwerden und der ständigen Angst, jeden Moment erneut mit Pestiziden angegriffen zu werden.

Außerdem drohen sie zu verhungern und zu verdursten, da die Ernte durch die Gifte vernichtet und ihr Trinkwasser verseucht ist.

Angesichts dieser katastrophalen Situation und der extremen Gewalt fordern wir Sie auf, nach rechtlichen Mitteln zu suchen, um das Sprühen aus der Luft in Brasilien zu verbieten.

Weiterhin fordern wir, die Empfehlungen des Berichts des Rates für die Verteidigung der Menschenrechte des Bundesstaates Maranhão (CEDDH), der im April 2024 Timbiras besucht hat und sich vor Ort ein Bild von den Folgen der Rechtsverletzungen gemacht hat, zur Kenntnis zu nehmen und dringend umzusetzen.

Der Bericht enthält konkrete Empfehlungen, die den kurz-, mittel- und langfristigen Forderungen der betroffenen Familien entsprechen und die Rechtsverletzungen dauerhaft löst. Der Bericht ist hier verfübar: https://drive.google.com/file/d/1w9hzROUtxCXgoaHplHeCGXAOUmDnMdKs/view

Mit freundlichen Grüßen

Fußnoten

Ernst der Lage bestätigt Conselho Estadual de Defesa dos Direitos Humanos do Maranhão, 3.2024. RELATÓRIO TÉCNICO DE INSPEÇÃO IN LOCO N° 001/2024: https://drive.google.com/file/d/1w9hzROUtxCXgoaHplHeCGXAOUmDnMdKs/view


Laboranalysen von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen

Lopes, Helena Rodrigues, 2023. VIVENDO EM TERRITÓRIOS CONTAMINADOS: um dossiê sobre agrotóxicos nas águas do Cerrado:https://campanhacerrado.org.br/images/biblioteca/dossie-agrotoxicos-aguas-cerrado.pdf


seit 2009 untersagt Amtsblatt der Europäischen Union. RICHTLINIE 2009/128/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32009L0128


CearáReporter Brasil, 16/6/2023. Depois do CE, dez estados podem proibir aplicação de agrotóxicos por aviões: https://reporterbrasil.org.br/2023/06/depois-do-ce-dez-estados-podem-proibir-aplicacao-de-agrotoxicos-por-avioes/


Sojaanbau Heinrich Böll Stiftung, 11.1.2024. Pestizide: Brasilien – ein profitabler Markt: https://www.boell.de/de/2024/01/11/pestizide-brasilien-ein-profitabler-markt


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