Schutzgebiete - wertvoll, aber problematisch

Volk der Batwa nahe Kahuzi Nationalpark Durch manche Schutzgebiete haben Indigene ihre Heimat verloren. (© RdR/Mathias Rittgerott) Östliche Flachlandgorillas mit Zwillingsbabys im Kahuzi-Biega Nationalpark Viele Gorillas leben in Schutzgebieten. (© RdR/Mathias Rittgerott) Elefanten Savannenbaum Elefanten profitieren von Schutzgebieten. (© Veer.com) Massai Indigene Massai leiden darunter. (© hadynyah/istockphoto.com)

Schutzgebiete spielen in vielen Ländern und auf internationaler Ebene eine tragende Rolle bei der Bewahrung von Artenvielfalt und Klima. Daher peilen UN und Regierungen fast einmütig an, bis zum Jahr 2030 weltweit 30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Dabei klingt „Nationalpark“ und „Welterbe-Gebiet“ zwar gut, diese sind allerdings kein Allheilmittel und bergen Risiken.

Das Problem

 

Naturschutzgebiete auszuweisen oder zu vergrößern, kommt in der Öffentlichkeit zumeist gut an. „Schutz“ klingt positiv. Während der UN-Weltnaturkonferenz im Dezember 2022 wurde das 30-Prozent-Ziel als Meilenstein gefeiert. Doch die Gefahr ist groß, dass Regierungen und einflussreiche Organisationen diejenigen missachten, die durch ihre angepasste Lebensweise Regenwälder und andere Naturschätze bewahrt haben: die traditionelle, oft indigene Bevölkerung.

Programme wie „30 bis 30“ lassen bei Menschenrechtlern Alarmglocken schrillen: Bis zu 300 Millionen Menschen könnten ihre Heimat verlieren, wenn plötzlich Gebiete vor den Bewohner:innen „geschützt“ werden sollen, die dort bisher im Einklang mit der Umwelt leben.

Damit würde der Schutz der Biodiversität zu einem der größten Fälle von Landraub und Vertreibung in der Menschheitsgeschichte.

Die Ursprünge des Konzepts, Natur in abgesteckten Gebieten zu bewahren, stammt aus den USA. Der Yellowstone Nationalpark wurde 1872 ausgewiesen und gilt als erster seiner Art. In Nordamerika hat auch die irrige Vorstellung der „Wilderness“ ihren Ursprung, dass es also in vielen Regionen „unberührte Natur“ gibt, wo Tiere leben, aber keine Menschen. Insbesondere in Afrika. Die Natur könnte demnach am besten bewahrt werden, wenn man Menschen und Natur voneinander trennt. Kritiker:innen verwenden dafür den Begriff der „Fortress conservation“ – also Naturschutz, der als „Festung“ funktioniert.

Schutzgebiete haben sich zu einem globalen Instrument entwickelt. Dem Protected Planet Report 2024 zufolge gibt es 284.242 davon an Land und 18.692 im Meer. Mit dem UN-Plan „30 bis 30“ würde sich deren Fläche in etwa verdoppeln.

Es genügt freilich nicht, Schutzgebiete nur auf dem Papier auszuweisen. Ihr Schutz muss auch vor Ort gewährleistet werden, Verbote müssen durchgesetzt werden. Das kann zu gewaltsamen Konflikten führen, insbesondere wenn bewaffnete Ranger dafür zuständig sind.

Durch viele Schutzgebiete wird die Lebensweise Indigener kriminalisiert, indem traditionelle Jäger zu Wilderern erklärt werden. Ihre Rechte auf Nahrung, Wasser, Gesundheit, angenehmen Lebensstandard, kulturelle Traditionen, Zugang zu spirituellen Orten werden beschnitten. Halbnomaden werden sesshaft gemacht. Aus eigenständigen, unabhängigen Menschen werden Tagelöhner:innen, Bittsteller:innen oder fotogenes Schmuckwerk für Tourist:innen.

Erfüllen Schutzgebiete wenigstens ihren Zweck? Zumindest teilweise ist das zweifelhaft. Trotz ihrer immensen Vielzahl haben sich die Klima- und Biodiversitätskrisen verschärft. So hatten sich im Jahr 2010 die UN-Staaten das Ziel gesetzt, etwa durch mehr Schutzgebiete den Artenschwund zu stoppen. Allerdings wurde keines dieser 20 AICHI-Ziele erreicht. Ähnlich verhält es sich mit den Sustainable Development Goals (SDGs).

Schutzgebiete sind also keine unproblematischen Allheilmittel für Biodiversität und Klima. Naturschutz darf zudem niemals mit Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibungen erkauft werden. Angesichts der sich verschärfenden Krisen können wir es uns nicht leisten, weiter gutgläubig auf Konzepte zu setzen, die häufig schlecht funktionieren.

Die Lösung

 

Studien und Erfahrungen von Umweltschützer:innen belegen, dass die Natur dort in einem besseren Zustand ist, wo indigene Völker und andere lokale Gemeinschaften die Verantwortung tragen und über Landrechte verfügen. So ist der Waldverlust global betrachtet in Indigenengebieten deutlich niedriger als in staatlichen Schutzgebieten wie Nationalparks.

Indigene sind somit die besten Hüter der Wälder. Ihre Rechte müssen daher auch im Dienste des Schutzes von Klima und Biodiversität gestärkt werden.

- Indigene und traditionelle Landrechte müssen in viel stärkerem Maß anerkannt und gesichert werden. Grundlage dafür ist häufig die Kartierung indigener Territorien, an der die Einheimischen beteiligt werden müssen.

- Aus vielerlei Gründen müssen Armut bekämpft, alternative Einkommen geschaffen und die Ausbildung der Menschen verbessert werden. Naturschutz ist einer dieser Gründe.

- Sanfter Tourismus kann dabei eine Rolle spielen, Tourismus darf aber niemals die Vertreibung von Menschen verursachen.

Schutzgebiete – unter Bedingungen

Schutzgebiete haben ihre Berechtigung und können einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Biodiversität und Klima leisten.

- Neue Schutzgebiete dürfen nur unter Beteiligung der Bevölkerung ausgewiesen werden. Zentral ist dabei die „freie, vorherige und informierte Zustimmung“ (Free prior informed consent, FPIC). Es genügt also nicht, Informationsveranstaltungen abzuhalten.

- Bestehende Schutzgebiete dürfen nur mit Zustimmung der Bevölkerung ausgeweitet werden.

- Auch bei bestehenden Schutzgebieten müssen die Rechte der Bevölkerung berücksichtigt werden. Wurden sie bei der Einrichtung und danach missachtet, müssen sie wiederhergestellt werden. Dazu kann gehören, dass Indigene wieder in den Wäldern leben, dort jagen und Produkte des Waldes nutzen dürfen. Zudem müssen die Menschen gegebenenfalls entschädigt werden.

internationale Kooperation

- Bei internationalen Konventionen und Konferenzen müssen Indigene endlich ein echtes Mitspracherecht bekommen. Zwar führen UN, Regierungen und Organisationen die richtigen Stichworte wie „Indigenenrechte“, „Beteiligung“ und „Respekt“ im Mund, oft werden Indigene allerdings lediglich als „Beobachter“ oder „Berater“ zugelassen.

- Die Finanzierung indigener Gruppen und Institutionen muss garantiert werden, etwa durch Geld aus Klimafonds und nach Ankündigungen von Staaten bei UN-Konferenzen.

An Ursachen für Krisen ansetzen

Der Schutz von Biodiversität und Klima kann nur gelingen, wenn wir unsere Wirtschafts- und Lebensweisen, die auf überbordendem Konsum von Rohstoffen, landwirtschaftlichen Produkten und Energie beruhen, überwinden.

Aktuelle Petition zum Thema

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Kinder in Kanya Bayonga Kinder in Kanya Bayonga kennen keine sicheren Zeiten (© RdR/Mathias Rittgerott)

50.439 Teilnehmer

Menschen und Natur im Kongo brauchen Frieden

Seit 30 Jahren leiden die Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo unter Gewalt. Derzeit ist der Konflikt wieder besonders heiß. Rebellen haben die Stadt Goma umstellt, der Virunga-Nationalpark ist betroffen. Unsere Partner der Umweltschutzorganisation RIAO-RDC organisieren Friedens-Märsche und setzen auf Ihre Solidarität.

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An: Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Repräsentanten der UN und EU

„Der Osten des Kongo braucht Sicherheit und Frieden. Die Wahrung der Menschenrechte und der Schutz der Natur bleiben sonst illusorisch.“

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