Fragen und Antworten zu Schutzgebieten

Im Fluß Tanabang Indigene Völker schützen Wälder oft besser als staatliche Schutzgebiete (© Dario Novellino) Massai © hadynyah/istockphoto.com Jaguar in Indio Maiz Reserva Biologica © Indio Maiz Reserva Biologica Vulkan im Virunga Nationalpark © CC BY-SA 2.0 Gorilla und Ranger im Virunga Park © RdR/Mathias Rittgerott Plenar-Sitzung während der COP15 © Rettet den Regenwald / Mathias Rittgerott Bewaffneter Ranger im Virunga Nationalpark, DRC © RdR/Mathias Rittgerott Frauen tragen Brennholz zum Dorf Vitshumbi © RdR/Mathias Rittgerott

Schutzgebiete wie Nationalparks spielen in vielen Ländern und auf internationaler Ebene eine tragende Rolle bei der Bewahrung von Artenvielfalt und Klima. Daher peilen UN und Regierungen fast einmütig an, bis zum Jahr 2030 weltweit 30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Schutzgebiete bergen allerdings Risiken.

Wie viele Schutzgebiete gibt es und wie viel Land steht unter Schutz?

Massai © hadynyah/istockphoto.com

Im Jahr 2024 gab es weltweit 284.242 Schutzgebiete an Land. Insgesamt standen damit rund 22,06 Millionen Quadratkilometer unter Naturschutz. Das entspricht etwa der fünffachen Fläche der Europäischen Union. Auf weitere 1,59 Millionen Quadratkilometer erstrecken sich 6.253 "other effective area-based conservation measures" mit geringerem Schutzstatus (siehe unten).

Mit dem UN-Plan „30 Prozent bis 2030“ würden weitere 16,71 Millionen Quadratkilometer hinzukommen.

Dem Protected Planet Report zufolge stand 2024 weltweit 17,58 Prozent der Landflächen und Binnengewässer und 8,4 Prozent der Meere unter Schutz.

Welche Arten an Schutzgebieten gibt es?

Jaguar in Indio Maiz Reserva Biologica © Indio Maiz Reserva Biologica

Weltweit gibt es viele Typen und Kategorien von Schutzgebieten. Sie unterscheiden sich vor allem darin, was dort als schützenswert gilt, wer verantwortlich ist, was erlaubt und was verboten ist. Hier finden Sie einen globalen Überblick.

In Deutschland reicht die Bandbreite von Vogelschutzgebieten über Landschaftsschutzgebiete bis zu Nationalparks und Biosphärenreservaten. In der EU ist die Bezeichnung Natura 2000 bekannt.

Auf internationaler Ebene spielen insbesondere Welterbe-Gebiete und Man and the Biosphere Reserves der Unesco und Ramsar sites wertvoller Feuchtgebiete eine prominente Rolle. Die Weltnaturschutzunion IUCN teilt Schutzgebiete in Kategorien 1 bis 6 ein. Kategorie 1, gegliedert in a) „Strict Nature Reserve“ und b) „Wilderness Area“, schließt menschliche Aktivitäten nahezu komplett aus. Kategorie 6 „Protected Area with Sustainable Use of Natural Resources“ lässt hingegen sogar in eingeschränktem Maß Bergbau zu.

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) der UN spricht von „protected areas“ und von „other effective area-based conservation measures“ („Schutzgebiete“ und „andere wirksame flächenbezogene Erhaltungsmaßnahmen").

Im englischsprachigen Raum sind auch Bezeichnungen wie Game Reserves, Game Controlled Area (Wild/Jagd-Schutzgebiete) und Wildlife sanctuaries verbreitet.

Titel wie „Nationalpark“ und „Welterbe“ suggerieren zwar höchsten Schutz, oft sind sie jedoch Touristenmagneten, womöglich mit negativen Auswirkungen auf die Natur durch Straßen, Hotels, Wanderwege und Skipisten.

Warum wird das Thema Schutzgebiete gerade heiß diskutiert?

Vulkan im Virunga Nationalpark © CC BY-SA 2.0

Ein Grund dafür, dass über die Rolle von Schutzgebieten derzeit intensiv diskutiert wird, sind Pläne der UN und vieler Länder, 30 Prozent der Erde unter Naturschutz zu stellen. Der WWF und manche Wissenschaftler:innen fordern gar 50 Prozent.

Während der UN-Weltnaturkonferenz im Dezember 2022 in Montréal (Kanada) haben die Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) das Ziel „30 by 30“ beschlossen. Demnach sollen bis zum Jahr 2030 weltweit 30 Prozent der Landflächen und Meere unter Naturschutz gestellt werden.

Die Rede ist von „protected areas“ und „other effective area-based conservation measures“ („Schutzgebiete" und „andere wirksame flächenbezogene Erhaltungsmaßnahmen"). Es ist unklar, wie das umgesetzt, analysiert und überwacht werden soll.

Das Rahmenabkommen „Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework“ wird die internationale Naturschutzpolitik für Jahrzehnte bestimmen, weit über 2030 hinaus.

Ist Rettet den Regenwald als Naturschutzorganisation gegen Schutzgebiete?

Gorilla und Ranger im Virunga Park © RdR/Mathias Rittgerott

Nein, Rettet den Regenwald ist nicht gegen Schutzgebiete per se.

Viele spielen eine wichtige Rolle bei der Bewahrung von Artenvielfalt und Klima. Daher kritisiert es die Organisation häufig, wenn Schutzgebiete bedroht sind, etwa weil dort Konzessionen für Holzeinschlag oder Erdöl-Förderung vergeben werden. Auch gegen eine Verkleinerung von Reservaten wendet sich der Verein in zahlreichen Fällen.

Schutzgebiete sind jedoch kein Allheilmittel, bringen Risiken mit sich und können sogar dazu beitragen, dass wirksame Maßnahmen vernachlässigt werden. Schutzgebiete auszuweisen ist verlockend einfach, grundlegende Änderungen von Konsumgewohnheiten und Wirtschaftsinteressen sind dagegen unpopulär und schwieriger durchsetzbar.

Woher kommt die Zahl 30 Prozent?

Plenar-Sitzung während der COP15 © Rettet den Regenwald / Mathias Rittgerott

Bereits im Jahr 2011 hatte sich die Staatengemeinschaft eine Zahl als Ziel gesetzt: bis 2020 sollten mindestens 17 Prozent des Landes und der Binnengewässer beziehungsweise 10 Prozent der Küsten und Meere unter Naturschutz gestellt werden. Allerdings wurde keines der so genannten AICHI-Ziele vollständig erreicht. Ähnlich verhält es sich mit den Sustainable Development Goals (SDGs) für nachhaltige Entwicklung.

Die Zahl 30 Prozent kann man getrost als Marketing-Instrument interpretieren.

Das 30-Prozent-Ziel soll laut Weltnaturkonferenz für den Artenschutz so prominent und griffig werden wie das 1,5-Grad-Ziel von Paris für den Klimaschutz.

„30 bis 30“ ist einprägsamer als beispielsweise „25 bis 2030“ oder „40 bis 2025“. Es gibt jedenfalls keine wissenschaftliche Grundlage für die Zahl. Im Juni 2022 haben Forscher:innen im Magazin Science den Wert 44 Prozent als Schutzziel ausgerechnet, wo 1,8 Milliarden Menschen leben. Der populäre Biologe und Autor Edward O. Wilson nannte das Ziel „die Hälfte der Erde“ – was danach klingt, dass wir Menschen die Erde gerecht mit der Natur teilen.

Einer Studie aus dem Jahre 2020 zufolge würde es allerdings genügen, die Fläche von Schutzgebieten um 2,3 Prozent zu vergrößern, um fast alle bedrohten oder seltenen Spezies zu schützen. Bemerkenswert ist, dass die Autor:innen der Studie dennoch das 30-Prozent-Ziel unterstützen.

Würde man zu den offiziellen Schutzgebieten die von Indigenen verwalteten Flächen hinzurechnen, stünden bereits 31 Prozent der Erde unter Schutz. Zu diesem Erkenntnis kommt der Territories of Life Report aus dem Jahr 2021.

Das heißt: würden alle indigenen Gebiete, die 80 Prozent der globalen Artenvielfalt beherbergen, anerkannt und gesichert, wäre das 30 Prozent Ziel erreicht. Das beweist, dass Indigenenrechte und Schutz der Biodiversität eng verknüpft sind.

Ist eine Prozentzahl überhaupt sinnvoll?

Bewaffneter Ranger im Virunga Nationalpark, DRC © RdR/Mathias Rittgerott

Darüber lässt sich streiten. Man könnte beispielsweise 30 Prozent erreichen, indem man die Sahara und den Norden Kanadas und Sibirien unter Schutz stellt – doch für die Biodiversität bringt das nicht viel. Allerdings leben dort wenig Menschen, soziale Konflikte ließen sich vergleichsweise einfach vermeiden.

Sollen die 30 Prozent etwas bewirken, müssen Regionen mit hoher Artenvielfalt unter Schutz gestellt werden, insbesondere Regenwälder – dort leben allerdings Hunderte Millionen Menschen, die womöglich ihrer Rechte beraubt würden. Hinzu kommt, dass die höchste Biodiversität oft auf dem traditionellen Land indigener Völker oder anderer marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu finden ist. Ihre Lebensgrundlage und Lebensweise sind daher in Gefahr.

Der Wert 30 Prozent ließe sich andererseits schon heute erreichen, wenn indigene Territorien gesichert würden. Dafür müssten die UN und andere anerkennen, dass die indigene Lebensweise einen entscheidenden Beitrag zum Naturschutz leisten kann.

„30 bis 30“ suggeriert, die Artenkrise ließe sich vergleichsweise einfach lösen, ohne tiefgreifende Veränderungen der westlichen, kapitalistischen Konsum- und Wirtschaftsweise. Das Ziel könnte somit wahre Lösungen verhindern und die Krise verschlimmern. Sowohl für die Natur als auch für die Menschen.

Welche Kritik gibt es an Schutzgebieten?

Frauen tragen Brennholz zum Dorf Vitshumbi © RdR/Mathias Rittgerott

Die Kritik an Schutzgebieten geht in drei Richtungen: Erstens: bringen sie viel zum Schutz der Artenvielfalt? Zweitens: Achten sie die Rechte der örtlichen, zumeist indigenen Bevölkerung? Drittens: Sind sie mit kulturellen Werten vereinbar?

1. Funktionieren Schutzgebiete?

Trotz der immensen Vielzahl an Schutzgebieten haben sich die Klima- und Biodiversitätskrisen verschärft. Zwar haben sich im Jahr 2010 die UN-Staaten Ziele gesetzt, etwa durch mehr Schutzgebiete den Artenschwund zu stoppen. Allerdings wurde keines der 20 AICHI-Ziele erreicht.

Manche Schutzgebiete existieren im Wesentlichen auf dem Papier: vor Ort werden sie unzureichend verwaltet, und Vorschriften, was dort erlaubt und was verboten ist, werden nicht durchgesetzt. Es gibt auch „Nationalparks“, die nicht viel mehr sind als Ski- und Wandergebiete. Der Titel dient in erster Linie dazu, Tourist:innen anzulocken oder um das Selbstverständnis als Nation zu stärken.

Hinzu tritt, dass Regierungen Schutzgebiete jederzeit beschneiden oder gar aufheben können, etwa wenn dort Erdöl-Vorkommen ausgebeutet werden sollen. Der Status als Schutzgebiet ist also nicht automatisch dauerhaft.

Entgegen der verbreiteten Vorstellung hat auch die Unesco keine Macht, Staaten zum Schutz von Welterbe-Gebieten zu zwingen. Sie kann Verbesserungen anmahnen und im Extremfall den Titel „Welterbe“ aberkennen. Mehr nicht.

2. Achten Schutzgebiete die Menschenrechte?

Als im Vorfeld der Weltnaturkonferenz das Ziel „30 bis 30“ bekannt wurde, schlugen Menschenrechts- und Indigenenorganisationen Alarm. Sie befürchten, dass indigene und örtliche Gemeinschaften zu den Verlierern gehören werden. Bis zu 300 Millionen Personen könnten negativ betroffen sein, wenn Gebiete plötzlich „geschützt“ werden sollen, in denen sie oft im Einklang mit ihrer Umwelt leben. So viele Menschen haben in “key biodiversity areas” , von denen jedoch formal lediglich 15 Prozent einen Schutzstatus besitzen, ihr Zuhause. Würden 50 Prozent der Erde unter Schutz gestellt, wären mehr als eine Milliarde Menschen bedroht. Viele von ihnen müssten umgesiedelt werden – was nicht nur unbezahlbar wäre, sondern auch massiv ihre Rechte verletzen und Lebensgrundlagen zerstören würde.

Schutzgebiet-Konzepte können einen neo-kolonialistischen Ansatz des militarisierten „Festungsnaturschutzes“ (Fortress Conservation) verfolgen, der die örtliche und zumeist indigene Bevölkerung nicht beteiligt, sondern im Gegenteil unterdrückt, weiter marginalisiert und in ihren Rechten verletzt. Erfahrungen aus Schutzgebieten insbesondere in Afrika und Asien, lassen das befürchten. So wurden im Kongobecken bei der Einrichtung von 34 Schutzgebieten in 26 Fällen örtliche Gemeinschaften ohne Entschädigung verdrängt. 

3. Sind Schutzgebiete mit kulturellen Werten vereinbar?

Das Konzept von Schutzgebieten basiert auf der Vorstellung, dass sich Mensch und Natur gegenüber stehen. Je weniger der Mensch in Erscheinung tritt, desto besser für die Natur. In vielen Regionen wurde dies Weltsicht erst durch die europäischen, christlich geprägten Kolonialmächte etabliert. Zahlreiche indigene Kulturen, Mythen und Religionen sehen Mensch und Natur dagegen als Einheit. Das Konzept von Schutzgebieten, die die Natur vor dem Menschen schützen sollen, kollidiert damit.

Die Lebensweise von Indigenen und der örtlichen Bevölkerung wird durch Schutzgebiete entwertet und sogar kriminalisiert, wenn beispielsweise traditionelle Jagd zu Wilderei erklärt wird. Das Konzept verdreht also die Verantwortlichkeiten und macht Unschuldige zu Tätern.

Was hat „30 bis 30“ mit globaler Gerechtigkeit zu tun?

Knapp zusammengefasst: Länder im globalen Norden sind reich geworden, weil sie die Natur konsequent ausgebeutet haben. Sie haben damit die Krisen von Biodiversität und Klima verursacht. Nun sollen weite Teile der Erde unter Schutz gestellt werden, damit sich diese Krisen nicht verschärfen. Da es intakte Natur und die größte Artenvielfalt vor allem noch in ärmeren Tropenländern gibt, tragen sie die größte Last, wenn sie, statt Ressourcen zu nutzen, Gebiete unter konsequenten Schutz stellen sollen.

Es wird also von den Ärmeren Verzicht verlangt, während die Reichen ihren Ressourcenverbrauch kaum einschränken.

Während der COP15 hat sich gezeigt, dass Industrieländer nur eingeschränkt bereit sind, Entwicklungsländer für Naturschutz finanziell zu entschädigen beziehungsweise zu bezahlen. Die Summe von 20 Milliarden Dollar, die den ärmsten Ländern jährlich ab 2025 zugesagt wurden, ist viel zu gering. Auch 30 Milliarden ab 2030 genügen nach Expertenmeinung nicht. Es ist absehbar, dass nur ein Bruchteil der Summe an Indigene und andere örtliche Gemeinschaften geht.

Wer profitiert von Schutzgebieten?

Programme wie „30 by 30“ folgen einem kapitalistischen Ansatz: Naturschutz ist ein Milliarden-Geschäft. Natur bekommt ein Preisschild, „Land“ wird zu einer Währung. Kritiker:innen sehen eine neue Finanzquelle für die „Naturschutz-Industrie“.

Die Einrichtung und das Management von Schutzgebieten und „anderen wirksamen flächenbezogenen Erhaltungsmaßnahmenkann lukrativ sein und ein Geschäftsmodell für Firmen und große Umweltorganisationen bieten. Sie versprechen zudem, mit „carbon offset“, „market-based solutions" und „nature-based solutions“ wie massives Pflanzen von Bäumen, die auch für den Schutz des Klimas propagiert werden, dauerhafte Einnahmen.

Schon heute werden Schutzgebiete wie Nationalparks als Public Private Partnership (PPP) verwaltet: Staaten geben dabei ihre Verantwortung, aber auch ihre Kontrolle an Firmen oder Nichtregierungsorganisationen ab.

So hat die neben anderen vom niederländischen Milliardär Paul Fentener van Vlissingen gegründete Organisation African Parks im Jahr 2022 in zwölf afrikanischen Ländern 22 Nationalparks mit einer Fläche von mehr als 20 Millionen Hektar verwaltet. (Deutschland hat eine Fläche von etwas mehr als 35 Millionen Hektar.) Bis zum Jahr 2030 will die Organisation die Zahl der Parks auf 30 erhöhen. Laut Webpage verfolgt man einen „klaren wirtschaftlichen Ansatz zum Schutz der afrikanischen Tierwelt“. Im Board of Directors der Organisation sitzt der englische Prince Harry, Duke of Sussex.

Haben Schutzgebiete etwas mit Kolonialismus zu tun?

Viele Schutzgebiete wurden insbesondere in Afrika von Kolonialregierungen eingerichtet. Auch die Ursprünge von Gesetzen zum Naturschutz und Nationalpark-Behörden liegen zuweilen in der Kolonialzeit und wurden nach der Unabhängigkeit der Länder übernommen. Das trifft beispielsweise auf die Tanzania Wildlife Authority (TAWA) zu.

Auch jüngere Schutzgebiete können auf Kolonialismus fußen. Hinter vielen Schutzgebieten stehen Gedanken wie: Afrikas Natur muss vor den Afrikaner:innen geschützt werden. Einheimische werden als Wilderer kriminalisiert, weiße Tourist:innen sind als Trophäen-Jäger willkommen. Einheimische werden zu Foto-Objekten und Guides degradiert.

Kritiker:innen sprechen daher von „grünem Kolonialismus“. Die Menschen in wohlhabenden Staaten können ihren ressourcenverschwendenden und klimabelastenden Lebensstil weiter genießen, während Menschen in ärmeren Ländern für den Ausgleich sorgen und sich einschränken sollen.

Natur als „unberührt“ zu bezeichnen ignoriert, dass Indigene dort schon lange leben und die Wälder somit sehr wohl „berührt“ haben, allerdings ohne sie zu zerstören.

Was steckt hinter den Begriffen „Fortress Conservation“ und „Militarisierung“?

Hinter „Naturschutz als Festung“ steht die Vorstellung, dass die Natur am besten bewahrt werden kann, indem man den Menschen von ihr fern hält. Das bedeutet fast zwangsläufig, dass Personen Gebiete, in denen womöglich schon ihre Vorfahren seit Generationen gelebt haben, verlassen müssen, sobald diese unter Schutz gestellt werden.

Diesem Konzept folgend werden bei der Einrichtung von Schutzgebieten Dörfer umgesiedelt. Der Bevölkerung wird verboten, in den Gebieten zu leben, Landwirtschaft zu betreiben, zu fischen und zu jagen. Auch Betretungsverbote etwa für spirituelle Zeremonien gibt es. Die „Festung“ wird häufig am Boden mit Grenzsteinen, Gräben oder Zäunen demarkiert. Ranger:innen, die bewaffnet sein können, sorgen dafür, dass die Verbote eingehalten werden.

Von den Verboten können freilich Ausnahmen gemacht werden, insbesondere für (Jagd-)Tourist:innen und Wissenschaftler:innen.

Sind Ranger:innen etwa mit Maschinengewehren schwer bewaffnet und militärisch gedrillt, spricht man von „Militarisierung des Naturschutzes“. Die Eco-Guards erhalten para-militärische Ausbildung von Militärangehörigen. In manchen Gebieten wie den Nationalparks Kahuzi-Biega und Virunga in der Demokratischen Republik Kongo ist Militarisierung wörtlich zu nehmen, da Ranger:innen in Kampfhandlungen mit Bürgerkriegsmilizen verwickelt und selbst Konfliktpartei sind. Häufig gibt es gemeinsame Missionen von Eco-Guards mit der Armee.

Erst als die Internetseite Buzzfeed News 2019 über Menschenrechtsverletzungen durch vom WWF unterstützte Ranger berichtete, wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, wie Menschen unter „Fortress Conservation“ und einem militarisiertem Naturschutz leiden.

Die Tageszeitung taz hat sich in einer Artikelserie mit dem Titel „Grüne Armee“ mit Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo befasst.

Gibt es Alternativen? Ja: indigene Territorien und Landrechte

Um die Natur zu bewahren, müssen nicht zwangsläufig Naturschutzgebiete ausgerufen werden.

Studien und Erfahrungen von Umweltschützer:innen belegen, dass die Natur dort in einem besseren Zustand ist, wo indigene Völker und andere lokale Gemeinschaften die Verantwortung tragen und über Landrechte verfügen. So ist der Waldverlust global betrachten in Indigenengebieten deutlich niedriger als in staatlichen Schutzgebieten.

Zudem sind 80 Prozent der Biodiversität in Indigenengebieten zu finden.

Indigene sind somit die besten Hüter:innen der Wälder. Ihre Rechte müssen daher auch im Dienste des Schutzes von Klima und Biodiversität gestärkt werden. Expert:innen sprechen von rechtebasiertem Naturschutz (rights-based conservation) im Gegensatz zu flächenbasiertem (area-based conservation).

Das beinhaltet:

- Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften müssen anerkannt und gesichert werden. Dabei geht es um die Garantie von Wald- und Landrechten, das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (free, prior and informed consent), den Schutz vor Gewalt und Vertreibung und die gerechte Teilhabe an wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung. Grundlage dafür ist häufig der Kartierung indigener Territorien, an der die Einheimischen beteiligt werden müssen.

- Aus vielerlei Gründen müssen Armut bekämpft, alternative Einkommen geschaffen und die Ausbildung der Menschen verbessert werden. Naturschutz ist einer dieser Gründe.

- Sanfter Tourismus kann dabei eine Rolle spielen, Tourismus darf aber niemals die Vertreibung von Menschen verursachen.

- Die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinschaften bei nationalen und internationalen Verhandlungen und bei der Umsetzung beziehungsweise Überwachung gefasster Beschlüsse müssen gestärkt werden. Traditionelles indigenes Wissen muss darin einfließen.

- Indigene Völker und lokale Gemeinschaften müssen finanziell besser ausgestattet werden, auch damit sie ihre Rolle als Hüter:innen der Natur uneingeschränkt wahrnehmen können. Bisher erhalten Indigene lediglich einen kleinen Anteil etwa von international zugesagten Geldern zum Klimaschutz.

Zentral ist freilich, an den Ursachen der Krisen für Klima und Artenvielfalt anzusetzen: an einseitigen Profits- und Wirtschaftsinteressen und am überbordendem Konsum von Rohstoffen, landwirtschaftlichen Produkten und Energie.

Theoretisch könnten Indigene die Wälder roden und Bodenschätze rigoros ausbeuten, sobald sie über Landtitel verfügen. In der Realität passiert das jedoch selten. Indigenen-Vertreter:innen wehren sich gegen die Vorstellung, sie würden ihre Territorien zwangsläufig und komplett unter Schutz stellen und nicht nutzen.

Mehr zu Indigenen und ihren Rechten finden Sie in Kürze auf unseren Themenseiten, die wir schrittweise ergänzen werden.

Gibt es auch „gute“ Schutzgebiete

Selbstverständlich gibt es zahlreiche Schutzgebiete, die funktionieren und die die Rechte und Traditionen der örtlichen Bevölkerung achten.

Allerdings sind Schutzgebiete, die nicht den Anforderungen entsprechen, keine Einzelfälle.

Nach den Skandalen um Menschenrechtsverletzungen im Kahuzi-Biega Nationalpark und in vom WWF geleiteten Schutzgebieten haben verantwortliche Behörden, Politiker:innen und Organisationen angekündigt, Ranger:innen besser zu schulen und sie für die Rechte der Bevölkerung zu sensibilisieren. Ob das etwas bewirken wird, ist offen. Zudem ändert es nichts an den grundlegenden Problemen der „Fortress conservation“.

Einige Partnerorganisationen von Rettet den Regenwald arbeiten daran, die Bevölkerung mit Schutzgebieten zu versöhnen. So setzt sich CAMV für die indigenen Batwa ein, die unter der Einrichtung des Kahuzi-Biega Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo leiden. Ebenfalls im Kongo arbeitet die Organisation Réseau CREF. Dort geht es um Konflikte zwischen den Einheimischen und dem Virunga Nationalpark. Beide Nationalparks dienen dem Schutz der vom Aussterben bedrohten Gorillas.

Über „3O bis 30“ hinaus: Was wurde während der COP15 beschlossen?

Politiker:innen feiern das Abkommen als Meilenstein für der Rettung der Natur und beschwören den „Geist von Montréal“. Doch Vorsicht ist geboten: Es ist ein unverbindlicher Vertrag. Ob die Regierungen die positiven Aspekte tatsächlich umsetzen, ist nicht garantiert.

Eine ausführliche Analyse der Weltnaturkonferenz können Sie hier lesen.

Das Rahmenabkommen „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ (GBF) finden Sie hier. Eine offizielle Zusammenfassung haben die UN hier veröffentlicht.

Aktuelle Petition zum Thema

Ihre Unterschrift hilft, die Regenwälder zu schützen! Unsere Petitionen wenden sich gegen Regenwald zerstörende Projekte und nennen Verantwortliche beim Namen. Gemeinsam sind wir stark!

Elefantenherde in Serengeti Der Schutz der Natur darf nicht mit Menschenrechtsverletzungen erkauft werden (© Rettet den Regenwald / Mathias Rittgerott)

80.900 Teilnehmer

Kein Geld für Ver­treibung und Menschen­rechts­ver­letzungen in Tansania

Tansanias Regierung will über 20.000 Menschen im Namen des Naturschutzes und des Tourismus vertreiben, um die Fläche des Ruaha-Nationalparks zu verdoppeln. Die Weltbank ermöglicht diese Expansion durch ein 150 Millionen US-Dollar schweres Förderprogramm. Es gibt sogar Vorwürfe von Vergewaltigungen und Morde durch Ranger.

Mehr Informationen

An: Präsident der Weltbank Ajay Banga

„Die Regierung Tansanias vertreibt über 20.000 Menschen im Namen des Naturschutzes. Beenden Sie die Komplizenschaft der Weltbank.“

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