Palmöl aus Brasilien: Bevölkerung fordert geraubtes Land zurück und Schutz vor Gewalt

Eine Gruppe von Indigenen protestiert mit einem großen Banner auf einer Straße in einer Stadt: Aufschrift des Banners: Die Völker Tembé und Quilombola des Tales des Acará schreien. BBF tötet uns. BBF raus aus unserem Territorium Protestdemo der indigenen Tembé gegen die Gewalt und den Landraub der Palmölfirma Brasil Biofuels (BBF) in Belém (© Movemento IRQ) Zwei Frauen hinter einem hohen Gittertor werden von einem Wachmann kontrolliert. Aufschrift auf Firmenschild: Agropalma. Kontrolle des Zugangs zum Friedhof Nossa Senhora da Batalha. Privatbesitz Mit Gittertoren und Wachpersonal versperrt und kontrolliert Agropalma den Menschen die Bewegungsfreiheit - selbst zum Friedhof (© Avispa Mídia) Eine Gruppe von Personen bei einem Treffen in einer offenen Hütte Vertreter von Rettet den Regenwald gemeinsam mit CIMI, FASE und WRM besuchen Gemeinde wegen der Menschenrechtslage im Acará-Tal, Pará, Brasilien (© Maia Schenck) Zirka 50 Personen posieren für ein Gruppenfoto Vertreter von Rettet den Regenwald gemeinsam mit CIMI, FASE und WRM bei einem Treffen mit Indigenen und Quilombolas im Acará-Tal, Pará, Brasilien (© Salva la Selva)

Im Osten des brasilianischen Amazonasgebietes breiten sich Ölpalm-Plantagen aus. Die Bevölkerung klagt, dass sich Palmölkonzerne große Landflächen angeeignet haben. Die Menschen fordern ihr angestammtes Land zurück und fordern die Behörden auf, sie vor Gewalt und Übergriffen zu schützen.

Appell

An: Präsident Lula da Silva; Ministerium für indigene Völker; Nationale Stiftung für indigene Völker FUNAI; Nationales Institut für Kolonisierung und Agrarreform INCRA; Nationaler Menschenrechtsrat

„Die brasilianische Regierung muss ihren verfassungsmäßigen Pflichten nachkommen, die Landrechte anerkennen und für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sorgen“

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In der Region Vale do Acará im Bundesstaat Pará liegt das Zentrum der expandierenden brasilianischen Palmölindustrie. Rettet den Regenwald hat das Gebiet im Osten des Amazonasgebietes besucht, mit den Menschen gesprochen und Hilfe vereinbart.

Die dort lebenden indigenen Tembé und Turiwara, aber auch Quilombolas – das sind Nachfahren versklavter Menschen aus Afrika, leben eingezwängt zwischen Ölpalm-Plantagen und werden drangsaliert. Sie beklagen Landraub, Zwangsvertreibung und massive Gewalt.

Die größten Plantagenbetreiber sind die Konzerne Agropalma und Brasil Biofuels (BBF), die allein 2.400 km2 Land kontrollieren, das ist so groß wie Berlin, Hamburg, München und Köln zusammen.

Viele der Grundstücke im Regenwald stammen offenbar aus der Aneignung der angestammten Territorien der indigenen und Quilombola-Gemeinden. Gerichte haben mittlerweile Landtitel für Hunderte km2 Land von Agropalma als unrechtmäßig annulliert, aber bisher nicht an die lokalen Gemeinschaften zurückgegeben.

Diese werden weiter unter Druck gesetzt, verfolgt, in ihrer Bewegungsfreiheit und Lebensweise massiv eingeschränkt. Gewalt, Demütigungen, Rassismus, Morddrohungen und Kriminalisierung sind alltäglich – und bereits mehrere Schwerverletzte und Tote zu beklagen.

Dahinter sollen bewaffnete private Sicherheitsdienste der Firmen, lokale Polizisten und kriminelle Banden stecken. Die Firmen bestreiten sämtliche Vorwürfe von Gewalt und Landraub und beanspruchen die Flächen weiter.

Die Tembé und Quilombola zeigen die strukturelle Gewalt an und fordern die Rückgabe ihrer angestammten Territorien. Sie bitten uns um internationale Hilfe, Aufmerksamkeit und Solidarität.

Der brasilianische Staat muss seinen verfassungsmäßigen Pflichten nachkommen, ihre Landrechte anerkennen und für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sorgen.

Hinter­gründe

Aufgrund der Konflikte und Gewalt im Vale do Acará hat Rettet den Regenwald im August 2023 zusammen mit Vertretern der Organisationen CIMI, FASE und World Rainforest Movement (WRM) das Gebiet besucht, um mit Mitgliedern der betroffenen Gemeinden zu sprechen und Solidarität zu schaffen, um sie zu unterstützen. "Es gibt nur eine Alternative: gehen oder Widerstand leisten", war eine ihrer ersten Aussagen bei unserer Ankunft.

Lesen Sie auch den Artikel "Brasilien: Alles Land ist indigen, und alles Eigentum ist kolonial" unseres brasilianischen Mitarbeiters Felipe Sabrina, der die Landrechte der Indigenen 500 Jahre nach der gewaltsamen Eroberung Brasiliens durch die Portugiesen durchleuchtet.

Weitere Informationen auf Englisch:

Auf Spanisch von unserer Partnerorganisation Avispa Midia:

Auf Portugiesisch:

An­schreiben

An: Präsident Lula da Silva; Ministerium für indigene Völker; Nationale Stiftung für indigene Völker FUNAI; Nationales Institut für Kolonisierung und Agrarreform INCRA; Nationaler Menschenrechtsrat

Sehr geehrter Herr Präsident Lula da Silva:

der Nationale Menschenrechtsrat (EMPFEHLUNG Nr. 16 vom 08. AUGUST 2023) und die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen (UN) über die Situation von Menschenrechtsverteidigern in Brasilien (April 2024) 2.) stimmen darin überein, dass die brasilianische Regierung dringend handeln muss, um die derzeitige Eskalation von Konflikten, Gewalt und Schäden gegen indigene und traditionelle Gemeinschaften zu bekämpfen.

Die Hauptursache für die strukturelle Gewalt gegen indigene und Quilombola-Gemeinschaften ist die fehlende Anerkennung und Abgrenzung ihrer angestammten Territorien, für die der brasilianische Staat die volle Verantwortung trägt.

Im Nordosten des Bundesstaates Pará befinden sich große Landflächen in den Händen von Palmölfirmen. Sie zählen auf volle staatliche Unterstützung, doch der brasilianische Staat kümmert sich nicht um die gravierenden sozialen und ökologischen Auswirkungen der Landaneignung durch die Palmölindustrie und die Abholzung und die Umweltverseuchung durch die Ölpalmplantagen.

Während allein zwei Firmen, Brasil Biofuels (BBF) und Agropalma, über 240.000 Hektar Land beanspruchen, beträgt die Fläche des vom brasilianischen Staat offiziell in der Region abgegrenzten indigenen Landes 147 Hektar: Das indigene Land Turê-Mariquita des Volkes der Tembé ist das kleinste offiziell abgegrenzte Indigenengebiet in Brasilien.

Die Folge sind neben den Umweltzerstörungen komplexe sozio-ökologische Konflikte mit gravierenden negativen Folgen für die Bevölkerung. Die von den indigenen Tembé-, Turiwara- und Quilombola-Gemeinschaften eingereichten Beschwerden und Berichte an die zuständigen Behörden waren bisher weitgehend vergeblich.

Die Gemeinschaften brauchen nicht nur so schnell wie möglich die Anerkennung und Demarkierung ihrer Gebiete, die ihnen gesetzlich zustehen, sondern auch den Schutz des brasilianischen Staates vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen.

"Agropalma und BBF exportieren kein Palmöl, sie exportieren unser Blut", erklären die Einwohnerinnen und Einwohner. Die bewaffneten Sicherheitskräfte der Palmölfirmen müssen abgezogen werden, die Mitarbeiter und Auftragnehmer von BBF und Agropalma müssen sich an die Gesetze halten und dürfen die Sicherheit und Rechte der lokalen Gemeinschaften in keiner Weise weiter gefährden.

Mit freundlichen Grüßen

1.) CONSELHO NACIONAL DOS DIREITOS HUMANOS, RECOMENDAÇÃO Nº 16, DE 08 DE AGOSTO DE 2023: https://www.gov.br/participamaisbrasil/blob/baixar/28956

2.) Ministério dos Direitos Humanos e da Cidadania, 19.4.2024. Relatora da ONU exalta empenho do governo federal na proteção de defensores de direitos humanos: https://www.gov.br/mdh/pt-br/assuntos/noticias/2024/abril/relatora-da-onu-exalta-empenho-do-governo-federal-na-protecao-de-defensores-de-direitos-humanos

5-Minuten-Info zum Thema: Palmöl

Die Ausgangslage – Regenwald im Tank und auf dem Teller

Mit 66 Millionen Tonnen pro Jahr ist Palmöl das meist produzierte Pflanzenöl. Inzwischen dehnen sich die Palmölplantagen weltweit auf mehr als 27 Millionen Hektar Land aus. Auf einer Fläche so groß wie Neuseeland mussten die Regenwälder, Mensch und Tier bereits den „grünen Wüsten“ weichen.

Der niedrige Weltmarktpreis und die von der Industrie geschätzten Verarbeitungseigenschaften haben dazu geführt, dass Palmöl inzwischen in jedem zweiten Supermarktprodukt steckt. Neben Fertigpizza, Keksen und Margarine begegnet uns Palmöl auch in Körpercremes, Seifen, Schminke, Kerzen und Waschmitteln.

Was kaum einer weiß: Mittlerweile gehen in der EU 61 % des Palmöls in die Energieerzeugung51 % (4,3 Millionen Tonnen) für die Produktion von Biodiesel sowie 10 % (0,8 Millionen Tonnen) in Kraftwerke für die Strom- und Wärmeerzeugung.

Deutschland importiert 1,4 Millionen Tonnen Palmöl und Palmkernöl: 44% der Palmölimporte (618.749 t) wurden für energetische Zwecke eingesetzt, davon 445.319 t (72 %) Palmöl für die Produktion von Biodiesel sowie 173.430 t (28 %) für die Strom- und Wärmeerzeugung.

Die fehlgeleitete erneuerbare Energien Politik von Deutschland und der EU ist damit eine wichtige Ursache der Regenwaldabholzung. Die 2009 von der EU beschlossene Erneuerbare Energien Richtlinie schreibt die Beimischungspflicht von Agrosprit in Benzin und Diesel vor.

Immer wieder forderten Umweltschützer, Menschenrechtler, Wissenschaftler und zuletzt auch die EU-Parlamentarier, Palmöl für Biosprit und Kraftwerke ab 2021 auszuschließen – vergeblich. Am 14. Juni 2018 haben die EU-Mitgliedsländer beschlossen, das tropische Pflanzenöl als „Bioenergie“ weiterhin bis 2030 zuzulassen.

Die Alternativen: Bitte lesen Sie die Inhaltsangaben auf den Verpackungen und lassen Sie palmölhaltige Produkte im Laden stehen. An der Zapfsäule haben Sie keine Wahlmöglichkeit, hier sind das Fahrrad und der öffentliche Transport die Lösung.

Die Auswirkungen – Waldverlust, Artentod, Vertreibung, Erderwärmung

Ölpalmen gedeihen nur in den feucht-warmen Tropen nahe den Äquator. In Südostasien, Lateinamerika und Afrika werden Tag um Tag riesige Regenwaldflächen gerodet und abgebrannt, um Platz für die Plantagen zu schaffen. Der in der Urwaldvegetation und den Böden gespeicherte Kohlenstoff wird dabei freigesetzt. Riesige Mengen klimaschädlicher Gase in die Atmosphäre. CO2- und Methanemissionen sorgen dafür, dass der aus Palmöl produzierte Biosprit drei mal so klimaschädlich ist wie Treibstoff aus Erdöl.

Doch nicht nur das Klima leidet: Mit den Bäumen verschwinden seltene Tierarten wie Orang-Utan, Borneo-Zwergelefant und Sumatra-Tiger. Kleinbauern und Indigene, die den Wald über Generationen bewohnen und beschützen, werden oft brutal von ihrem Land vertrieben. In Indonesien stehen mehr als 700 Landkonflikte in Zusammenhang mit der Palmölindustrie. Auch auf sogenannten „nachhaltig bewirtschafteten“ oder „Bio“-Plantagen kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Wir Verbraucher bekommen von all dem wenig mit. Unser täglicher Palmölkonsum hat jedoch auch für uns persönlich direkte negative Auswirkungen: In raffiniertem Palmöl sind große Mengen gesundheitsschädlicher Fettsäureester enthalten, die das Erbgut schädigen und Krebs verursachen können.

Die Lösung – Tank-und-Teller-Revolution

Nur noch 70.000 Orang-Utans streifen durch die Wälder Südostasiens. Die EU-Biospritpolitik bringt die Menschenaffen immer weiter an den Rand des Aussterbens. Um unseren baumbewohnenden Verwandten zu helfen, müssen wir den Druck auf die Politik erhöhen. Doch auch im Alltag lässt sich viel bewegen.

Diese einfachen Tipps helfen, Palmöl zu erkennen, zu meiden und zu bekämpfen:

  1. Selbst kochen, selbst entscheiden: Mandel-Kokos-Birnen-Kekse? Kartoffel-Rosmarin-Pizza? Frische Zutaten, gemixt mit ein bisschen Fantasie, stellen jedes (palmölhaltige) Fertigprodukt in den Schatten. Zum Kochen und Backen eignen sich europäische Öle aus Sonnenblumen, Oliven, Raps oder Leinsamen.
  2. Kleingedrucktes lesen: Auf Lebensmittelpackungen muss seit Dezember 2014 angegeben werden, wenn ein Produkt Palmöl enthält. In Kosmetik-, Putz- und Waschmitteln versteckt sich der Regenwaldfresser hingegen hinter einer Vielzahl chemischer Fachbegriffe. Per Internetrecherche lassen sich leicht palmölfreie Alternativen finden.
  3. Der Kunde ist König: Welche palmölfreien Produkte bieten Sie an? Wieso verwenden Sie keine heimischen Öle? Nachfragen beim Verkaufspersonal und Briefe an die Produkthersteller lassen Firmen um die Akzeptanz ihrer Produkte bangen. Der öffentliche Druck und das gestiegene Problembewusstsein haben schon einige Produzenten zum Verzicht auf Palmöl bewegt.
  4. Petitionen und Politikerbefragungen: Online-Protestaktionen üben Druck auf die Politiker aus, die für Biosprit und Palmölimporte verantwortlich sind. Haben Sie bereits alle Petitionen von Rettet den Regenwald unterschrieben? Auf abgeordnetenwatch.de kann jeder die Bundestagsabgeordneten mit den Folgen der Biospritpolitik konfrontieren.
  5. Laut werden: Demonstrationen und kreative Straßenaktionen machen den Protest für Menschen und Medien sichtbar. Dadurch wird der Druck auf die politischen Entscheidungsträger noch größer.
  6. Öffentlich statt Auto: Wenn möglich zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
  7. Wissen und Wissen weitergeben: Wirtschaft, Handel und Politik wollen uns glauben machen, Biosprit sei klimafreundlich und Palmölplantagen könnten nachhaltig sein. Regenwald.org informiert über die Folgen des Palmölanbaus. Der kostenlose Regenwald Report kann an Freunde weitergegeben oder in Schulen, Arztpraxen und Bioläden ausgelegt werden.

Die Reportage Asimetris

Die Reportage Asimetris zeigt, warum die Menschen zu den Verlierern des Palmölbooms gehören. Sie können den Film in unserem Shop kaufen.

Fußnoten

Agropalma Lesen Sie zu Agropalma unsere Petition „Biologisch? Nachhaltig? Fair? Die Wahrheit über Palmöl aus Brasilien“und damit verbundene Artikel: https://www.regenwald.org/petitionen/1262/biologisch-nachhaltig-fair-die-wahrheit-ueber-palmoel-aus-brasilien


Brasil Biofuels (BBF)Rettet den Regenwald, 11.8.2023. Amazonasgipfel in Brasilien: Indigene beklagen Gewalt: https://www.regenwald.org/news/11680/amazonasgipfel-in-brasilien-indigene-beklagen-gewalt

Diese Petition ist in folgenden Sprachen verfügbar:

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