Norwegen: Regenwald- und Klimaschutz mit Bulldozer und Motorsäge?
Die norwegische Regierung prüft, den industriellen Holzeinschlag im Regenwald der Demokratischen Republik Kongo zu finanzieren. 20 Millionen Hektar Urwald sollen dort an die Holzindustrie vergeben werden. Das Geschäft mit Tropenhölzern zerstört die Lebensgrundlagen von Mensch und Tier – und heizt den Klimawandel an.
News und Updates AppellAn: Premierministerin von Norwegen, Erna Solberg
„Kein Geld für die Tropenholzindustrie! Alle Holzeinschlagkonzessionen stornieren. Schützen Sie die Regenwälder und ihre Bewohner!“
Im Kongobecken in Zentralafrika erstreckt sich das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Erde. Die Urwälder beherbergen eine ungeheure Artenvielfalt, darunter Schimpansen, Bonobos und Waldelefanten. Sie sind auch die Heimat von Millionen Menschen und speichern gigantische Mengen an Kohlenstoff.
Es ist kaum zu glauben, aber im Rahmen ihrer Klimaschutzpolitik plant die norwegische Regierung, die Abholzung des Regenwaldes in der Demokratischen Republik Kongo zu finanzieren. Die Tropenholzindustrie soll 20 Millionen Hektar Regenwald – das entspricht der mehr als doppelten Fläche von Portugal - als Konzessionen für den Holzeinschlag erhalten, warnt die britische Umweltorganisation Rainforest Foundation UK (RFUK).
Die norwegische Regierung will dazu umgerechnet 16 Millionen Euro über ein von ihr gegründetes Klima- und Waldschutzprogramm, die Zentralafrikanische Waldinitiative, an die Projektbetreiber vergeben. Entwickelt wurde das Vorhaben von der staatlichen französischen Entwicklungsgesellschaft AFD.
Nicht nur die Bäume speichern riesige Mengen Kohlenstoff, auch die Böden: Weite Teile der geplanten Konzessionen stehen auf dicken Torfschichten. Diese enthalten im Durchschnitt fast 2.200 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar. Bis zu 10 Milliarden Tonnen CO2 könnten durch den Holzeinschlag freigesetzt werden, hat die RFUK berechnet. Das entspricht dem CO2-Ausstoß Norwegens über 200 Jahre.
Simon Counsell, Direktor der RFUK erklärt dazu: “Die norwegische Regierung gefährdet weltweit bedeutende Kohlenstoffspeicher mit ihrer fehlgeleiteten Unterstützung der sogenannten nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Kongo. Anstatt den großflächigen Holzeinschlag zu fördern, sollte Norwegen mit der Regierung des Kongo daran arbeiten, die Holzkonzessionen zu schließen und an den Staat zurückzugeben, so wie es die Gesetze verlangen.“
HintergründeKlima- und Waldschutz finanziert aus der Ausbeutung von Öl- und Gas in der Arktis
Die Politik der norwegischen Regierung ist mit vielen Fragezeichen behaftet. Denn die Quelle des norwegischen Geldes für die Klimaschutzprojekte (REDD - Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation, siehe unten)) liegt in der Ausbeutung von Erdöl- und Gasvorkommen im Meer. Norwegen ist damit zu einem der reichsten Länder der Welt aufgestiegen.
Am 21. Juni 2017 hat der norwegische Ölminister 102 neue Konzessionsgebiete der Öl- und Gasindustrie unterbreitet. 93 davon liegen in der arktischen Barentssee und vor der norwegischen Küste. Umweltschützer haben gegen die Pläne scharf protestiert. Auch das norwegische Umweltamt forderte erfolglos, 20 Konzessionsblöcke nahe der Bäreninsel von der Bieterrunde auszunehmen, da es sich um ein wichtiges Brutgebiet für arktische Vögel handelt. Bis Ende November haben die Öl- und Gaskonzerne nun Zeit, ihre Angebote der Regierung zu unterbreiten.
Auch andere ökologisch und für das Weltklima schädliche Aktivitäten wie die Schifffahrt, die industrielle Fischerei und die Zucht von Lachsen in Käfigen im Meer sind Eckpfeiler des norwegischen Wohlstands. Selbst von der Jagd auf Wale wollen die Skandinavier nicht ablassen. Während das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner Norwegens nominal bei 63.000 Euro pro Jahr (2017) liegt, beträgt es in der Demokratischen Republik Kongo etwa 700 Euro.
Einen kleinen Teil der sprudelnden Einnahmen investiert das skandinavische Land PR-wirksam in Umweltprojekte. Über seine 2007 gegründete Internationale Klima- und Waldinitiative (International Climate and Forest Initiative - NICFI) finanziert Norwegen Umweltschutzprojekte rund um den Globus. Umgerechnet etwa 2,7 Milliarden Euro haben die Skandinavier nach eigenen Angaben bisher vergeben.
Dazu gehört seit 2008 der Amazonas Fonds in Brasilien, den das skandinavische Land mit umgerechnet etwa einer Milliarde Euro fördert. Das Projekt soll die Abholzung im Amazonasgebietes vermindern. Weil zuletzt die Rodungsraten in Brasilien wieder in die Höhe schnellten, kürzte die norwegische Regierung die Gelder und drohte die Finanzierung ganz zu stoppen.
In Afrika hat die norwegische Regierung 2015 die Zentralafrikanische Waldinitiative (Central African Forests Initiative – CAFI) gegründet. Als weitere Mitglieder sind Deutschland, die Europäische Union, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Südkorea dabei. Unter dem Leitspruch "Klimawandel bekämpfen, Wälder schützen, Armut reduzieren und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen".
Die überwiegend von den reichen Industrienationen verursachten CO2-Emissionen führen zu globalen Klimaveränderungen, unter deren zum Teil dramatischen Auswirkungen besonderes die „armen“ Länder in den tropischen Gebieten zu leiden haben. Weite Teile rund um den Äquator könnten beispielsweise aufgrund sehr hoher Temperaturen und ausbleibender Niederschläge unbewohnbar werden, warnen Prognosen.
Norwegen will anscheinend mit seinen Geldspenden von der Erdöl- und Gasförderung in der Arktis ablenken. Die Investitionen in Regenwaldschutzprojekte dienen augenscheinlich dazu, mit dem dort gebundenen Kohlenstoff die CO2-Bilanz Norwegens aufzupolieren. Umweltschützer kritisieren Norwegens Politik deshalb als "Klima-Heuchelei".
REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation)
REDD - ins Deutsche übersetzt die „Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung“), ist ein seit 2005 auf den Verhandlungen der internationalen Klimarahmenkonvention (UNFCCC, United Nations Framework Convention on Climate Change) diskutiertes Konzept, mit dem der Schutz von Wäldern als Kohlenstoffspeicher finanziell attraktiv gemacht werden soll.
Das Konzept ist allerdings in vielerlei Hinsicht umstritten. Es ist fraglich, ob derartige Instrumente tatsächlich helfen, das Klima, die Wälder und deren Bewohner zu schützen. Es besteht die Gefahr, das REDD eine billige Hintertür für die Industrienationen ist, um wirklich wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz zu vermeiden. Dazu gehört die dringend notwendige Verminderung des exzessiven Energie- und Ressourcenkonsums der Länder des globalen Nordens. Zudem können REDD-Projekte wie im vorliegenden Fall der Wirtschaft den Zugriff und die Ausbeutung der Ressourcen der Regenwaldgebiete erleichtern. Mehr Informationen über REDD unter http://www.redd-monitor.org/
Weitere Informationen
- Artikel im Regenwald Report: Tropenholz heizt das Klima an – Holzeinschlag im Regenwald setzt massiv Kohlendioxid frei
- Pressemitteilung der Rainforest Foundation UK vom 21. Juni 2017: Norwegian government priming a ‘carbon bomb’ in Congo's rainforests?
- Schreiben der Rainforest Foundation UK an die norwegische Premierministerin vom 21. Juni 2017
- Bericht der Rainforest Foundation UK: Logging in Congo’s rainforests: A carbon bomb about to be primed by the government of Norway?
- Artikel aus Le Monde Afrique: L’Agence française de développement se défend de livrer les forêts du Congo aux grandes concessions
- Artikel auf REDD Monitor: Climate hypocrisy: Norway tells Brazil off about deforestation while expanding Arctic oil exploration
An: Premierministerin von Norwegen, Erna Solberg
Büro der Premierministerin von Norwegen
P.O. Box 8001 dep. (NO-) 0030 Oslo
Norwegen
Unterstützung Norwegens für die Erweiterung des großflächigen Holzeinschlags in der Demokratischen Republik Kongo
Sehr geehrte Frau Premierministerin Solberg,
wir schreiben Ihnen, um Sie zu bitten, dringend zu handeln. Es geht darum, eine unserer Meinung nach fehlgeleitete Initiative der Zentralafrikanischen Waldinitiative (CAFI) zu verhindern, deren Unterstützung Ihre Regierung prüft. In der Anlage findet sich ein Briefing, das den Sachverhalt erklärt.
Zusammengefasst geht es um die Überlegungen Ihrer Regierung, finanzielle Unterstützung für ein Projekt bereitzustellen, das den groß angelegten Holzeinschlag in den Regenwäldern der Demokratischen Republik Kongo vorantreibt.
Dies gefährdet unserer Meinung nach nicht nur weltweit wichtige Ökosysteme und die dort lebenden Menschen, sondern würde auch riesige Mengen an Kohlenstoff, die in den Böden gespeichert sind, freisetzen. Nach unserer Schätzung handelt es sich um Kohlenstoffmengen in Höhen, die den CO2-Emissionen von Norwegen über 200 Jahre entsprechen. Zwanzig Millionen Hektar Regenwald könnten durch das geplante Projekt betroffen, geschädigt und zerstört werden.
Wir bitten Sie, persönlich einzugreifen, da leider Ihr Minister für Klima und Umwelt, Herr Vidar Helgesen, bereits deutlich gemacht hat, dass er den Holzeinschlag in den Regenwäldern des Kongo unterstützt.
Wir bitten Sie sicherzustellen, dass die Regierung von Norwegen kein Projekt unterstützt oder finanziert, das den Holzeinschlag im Kongo fördert. Wir bitten stattdessen, den Minister und seine Beamten zu beauftragen, Programme zu entwickeln, die die kongolesische Regierung dabei unterstützen, die bereits auf fünf Millionen Hektar bestehenden Holzkonzessionen zu stornieren. Diese operieren unrechtmäßig und fügen den Wäldern schwere Schäden zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen