Ecuador: Stoppt die vom Bergbau ausgehende Gewalt gegen Frauen
Alba Bermeo Puin war im fünften Monat schwanger, als sie und ihr werdendes Baby am 22. Oktober von bewaffneten Männern erschossen wurden. Sie hinterlässt ihre Familie und Gemeinde in einem Zustand tiefer Trauer und Bestürzung. Es ist der dritte gewaltsame Angriff auf Frauen, die sich in der Provinz Azuay gegen Bergbau in wehren.
AppellAn: Nationalversammlung; Staatsanwaltschaft; Verfassungsgericht; Gouverneursamt der Provinz Azuay
„Sofortige Beendigung der Gewalt im Bergbau - Gerechtigkeit für Alba Bermeo Puin - der ecuadorianische Staat muss handeln und Verantwortung übernehmen“
Frauen sind oft Opfer von Verletzungen ihrer Rechte. In Bergbaugebieten kommt die dort häufig herrschende Gewalt zu den üblichen Belastungen im Leben von Frauen hinzu - mit zum Teil sehr gravierenden Folgen.
So ist die zunehmende Gewalt in Ecuador, die in der Ermordung von Alba Bermeo gipfelte, die Chronik eines vorhersehbaren Todes und keineswegs ein Einzelfall. Im Zusammenhang mit Bergbau gibt es ein klares Muster von Gewalt.
Wenige Tage vorher war es bereits zu zwei gewaltsamen Übergriffen auf Frauen aus der Gemeinde San Pedro Yumate gekommen, die sich für den Schutz des Wassers einsetzen. Als Täter wurden in den bei den Behörden eingereichten Anzeigen Männer angegeben, die mit dem Goldabbau in Verbindung stehen.
Die ecuadorianische Allianz für Menschenrechte beklagt die Versäumnisse der staatlichen Institutionen. Diese “wussten von den Risiken, denen die Verteidiger und ihre Anträge auf Unterstützung ausgesetzt waren, und haben es versäumt, angemessene und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um ihrer Verpflichtung zu deren verstärktem Schutz nachzukommen".
Die Menschen in den 72 Dörfern im Bezirk Molleturo wollen Frieden und ihre Rechte verteidigen. Sie wollen keinen Bergbau: Weder illegale Goldschürferei, die als Hintergrund der Aggressionen angesehen wird, noch legalen Bergbau mit Genehmigung durch die Behörden.
Rettet den Regenwald ist bestürzt und bedauert die Gewalt sehr. Wir sind solidarisch mit der Familie von Alba Bermeo Puin und mit allen Menschen, die in Molleturo und anderen Landesteilen Angriffen und Gewalt ausgesetzt sind, weil sie sich für den Schutz der Natur einsetzen.
Mit dieser Petition wird um internationale Solidarität für die von Gewalt bedrohten Umweltschützer:innen gebeten. Wir laden Sie ein, sich anzuschließen. Wir werden die Petition sehr bald den Behörden übergeben.
HintergründeDie Gemeinden Río Blanco und Yumate im Gemeindebezirk Molleturo wehren sich seit mehr als 20 Jahren gegen den Bergbau in ihrem Gebiet.
Im Jahr 2018 gewannen sie eine Schutzklage aufgrund der Verletzung des Rechts auf freie, vorherige und informierte Konsultation der indigenen Völker. Das Bergbauunternehmen Ecuagoldmining SA/Junefield war daraufhin gezwungen, seine Aktivitäten teilweise einzustellen.
Derzeit läuft eine außerordentliche Schutzklage im Fall Río Blanco vor dem ecuadorianischen Verfassungsgericht, die in Anbetracht der Umstände dringend und so schnell wie möglich verhandelt werden muss.
Neben dem Bergbauprojekt Río Blanco gibt es etwa zehn Bergbaukonzessionen für Gold-, Silber- und Kupferminen auf fast 50.000 Hektar Gemeindegebiet. Auf dem Spiel stehen Moore, Feuchtgebiete und Primärwälder, die nicht nur die umliegenden Gemeinden, sondern auch drei weitere Provinzen mit Wasser versorgen.
Leider ist die Situation in Ecuador kein Einzelfall. In den jährlichen Berichten über ermordete Umweltschützer:innen der Organisation Global Witness steht der Bergbausektor weltweit an erster Stelle.
Weitere Informationen (auf Spanisch)
Radiosendung über die Übergriffe in Molleturo mit Beteiligung der Gemeinde, die auf die bewaffneten Angriffe auf die Verteidiger in Molleturo seit Anfang Oktober aufmerksam macht. Die Sendung wurde vor der Ermordung von Alba Bermeo aufgezeichnet und warnte vor der Situation und der Gefahr.
An: Nationalversammlung; Staatsanwaltschaft; Verfassungsgericht; Gouverneursamt der Provinz Azuay
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bringen unsere tiefe Empörung über den Mord an Alba Bermeo Punin am 22. Oktober zum Ausdruck und über die Gewalt, die im Gemeindebezirk Molleturo gegen Frauen ausgeübt wird von Personen, die mit Bergbauaktivitäten verbunden sind.
Der Mord hätte verhindert werden können, wenn die ecuadorianischen Behörden so gehandelt hätten, wie sie es hätten tun müssen. Für ihre Handlungen und Unterlassungen machen wir die lokalen und nationalen Behörden verantwortlich und mitschuldig.
Die Allianz für die Menschenrechte und andere Organisationen klagen an, dass "trotz der sehr schwerwiegenden Ereignisse, die sich sowohl am 1. Oktober als auch am 8. Oktober 2022 ereignet haben, weder das Gouverneursamt der Provinz Azuay, noch die Polizei, noch die Staatsanwaltschaft, noch irgendeine andere staatliche Einrichtung Maßnahmen ergriffen hat, um die Umweltschützer:innen in Molleturo zu schützen oder illegale Bergbauaktivitäten zu verhindern".
Wir schließen uns der Allianz an und fordern, dass die Behörden tätig werden und eine gründliche Untersuchung der Ereignisse durch die Staatsanwaltschaft durchführen, die zur Identifizierung, Verfolgung und Bestrafung der Schuldigen führt.
Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, die Gewalt und alle Bergbauaktivitäten in der Region sofort zu stoppen. Die mit dem Bergbau verbundenen Aggressionen und die mangelnde Kontrolle stellen eine Gefahr für das Leben und die Sicherheit der Bevölkerung dar.
Die Nationalversammlung muss die Verantwortung für die Situation übernehmen. Und als Unterzeichner des Abkommens von Escazú ist Ecuador verpflichtet, die Arbeit und das Leben von Umweltschützern:innen zu garantieren - eine Verpflichtung, die in Molleturo verletzt wurde.
Die vom Bergbau und der davon ausgehenden Gewalt betroffenen Gemeinden wollen frei von Bergbauaktivitäten sein, gleichgültig ob sie legal oder illegal sind. Die Menschen haben laut Gesetz das Recht auf Konsultation und das Recht, NEIN zu Bergbauaktivitäten zu sagen.
Mit freundlichen Grüßen
Ausgangslage – Schmutziges Gold
Goldvorkommen gibt es fast überall auf der Erde.
Das kostbare Metall wird mit 55 Prozent hauptsächlich zu Schmuck verarbeitet, 25 Prozent dienen zu Spekulationszwecken als private finanzielle Wertanlage und 11 Prozent werden von staatlichen Zentralbanken in Tresoren gelagert. Die US-Regierung besitzt mit 8.134 Tonnen mit Abstand den größten Goldbestand. Die Deutsche Bundesbank kommt mit 3.369 Tonnen an zweiter Stelle. Nur etwa 8 Prozent des Goldes gehen in die der Elektronikindustrie für Handys, Laptops und andere elektronische Geräte.
Gold kann als körnerartige Goldseifen (Nuggets), die mechanisch vom Bodensubstrat getrennt werden, vorkommen. Weitaus häufiger findet sich das Edelmetall jedoch in feinsten Spuren in der Gitterstruktur der Gesteinsminerale oder als Goldstaub in den Sedimenten von Flüssen. Um das Gold herauszulösen und zu binden, werden die Gesteine zermahlen und dann mit Chemikalien versetzt.
Im großindustriellen Goldabbau wird das äußerst umweltschädliche Zyanid-Lauge-Verfahren angewandt. Um eine Tonne Gold zu fördern, müssen durchschnittlich 150 Tonnen Zyanid eingesetzt werden. Bereits wenige Milliliter davon sind tödlich für den Menschen.
Das Quecksilber-Verfahren kommt häufig bei Kleinschürfern zur Anwendung. Die goldhaltigen Erze werden zunächst stundenlang im Wasser gesiebt, bis der Goldstaub im Bodensatz konzentriert ist. Dieser goldhaltige Gesteinsschlamm wird dann mit Quecksilber gemischt, das mit dem Gold eine flüssige Legierung (Amalgam) eingeht. Diese Legierung wird erhitzt, das toxische Schwermetall verdampft und übrig bleibt reines Gold. Schutzanzüge gegen das Nervengift oder Rückgewinnungsvorrichtungen für das verdampfende Quecksilber sucht man beim Goldabbau durch Kleinschürfer oft vergeblich. Lukrative Geschäfte mit dem Edelmetall machen vor allem Kapitalgeber, Transportunternehmen und Chemikalienhändler. Menschen und Natur leiden unter dem Goldabbau.
Auswirkungen –Toxische Wüsten statt artenreicher Regenwälder
Durch Zyanid und Quecksilber werden Böden und das Grundwasser auf ewig verseucht. Selbst wenn Goldminen stillgelegt werden, gibt zyanidbehandeltes Gestein viele Jahrzehnte später giftige Schwefelsäuren ab.
Der industrielle Goldabbau benötigt zudem Unmengen an Wasser. Das kontaminierte Wasser wird zusammen mit den Gesteinsschlämmen in riesige Auffangbecken unter freiem Himmel gepumpt. Permanent versickern dabei große Mengen giftiger Abwässer in die Böden und werden in Bäche geleitet. Durch mangelhafte Konstruktion der Dämme oder nach starken Regenfällen kommt es immer wieder zu Dammbrüchen, bei denen sich innerhalb von Minuten Millionen Tonnen der toxischen Schlämme in die Umwelt und Flüsse ergiessen. Im Jahr 2000 in Rumänien verseuchten schwermetallhaltige Schlämme die Theiss, den größten Zufluss der Donau. Jegliches Leben in den Gewässern wurde ausgerottet. Die Giftbelastung war bis in die mehrere hundert Kilometer entfernte Donau nachzuvollziehen.
Im Regenwald kommt die Abholzung der Urwaldriesen für den Goldabbau hinzu. Bagger wühlen die Erde um, mit Wasserpumpen werden die Böden weggespült und durchsiebt, um goldstaubhaltigen Schlamm anzureichern und dann das Edelmetal mit Quecksilber zu binden. So entstehen entlang der Flüsse verseuchte Mondlandschaften. Um nur 0,24 Gramm Gold zu erhalten, entstehen 1000 Kilo Sondermüll und Abraum. Ein einzelner Goldring produziert demnach 20 Tonnen lebensgefährlichen Giftmüll.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt, dass Kinderarbeit in der Goldgewinnung weit verbreitet ist. Kinder können in enge Schächte klettern und waschen mit bloßen Händen die goldhaltigen Erze in Quecksilberlaugen.
Die Lösung – Vier Goldene Regeln zum Schutz von Mensch und Natur
Wurde auch mein Goldschmuck unter diesen menschenunwürdigen und umweltverpestenden Bedingungen hergestellt? Den verschlungenen Goldpfad nachzuverfolgen, ist aufgrund der Vielzahl der Akteure äußerst schwierig. Die Goldraffinerien, die mehrheitlich in der Schweiz sitzen und zusammen 70 Prozent der Weltproduktion ausmachen, geben an, den Rohstoff von zertifizierten Händlern zu beziehen. Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass viele Verkäufer Scheingeschäfte mit falschen Adressen führen (Filmtipp: „Dreckiges Gold - Die glänzenden Geschäfte mit dem edlen Metall“).
Auch wir tragen für die Auswirkungen Verantwortung: Was kann jeder einzelne also tun?
1. Konsum überdenken: Braucht man jedes Jahr ein neues Smartphone? Nutzen Sie Elektronikgeräte wie Handys und Laptops möglichst lange. Wenn die Funktionen versagen, können Sie das Gerät aussortieren – aber dann bitte in einer Recyclingstelle abgeben. Wussten Sie, dass laut einer UNO-Berechnung in nur 49 Handys soviel Gold enthalten ist wie in einer Tonne Golderz?
2. Schmuck umarbeiten: Goldschmuck, der aus der Mode gekommen ist oder einfach nicht mehr gefällt, lässt sich problemlos umarbeiten. Der Regenwald wird es danken.
4. Gold taugt nicht als Investition: Ist Gold wirklich ein sicherer Anker in Finanzkrisen? Experten raten davon ab. Und außerdem: Eine ethische und verantwortungsvolle Finanzanlage ist Gold nicht.
5. Wissen in die Welt transportieren: Machen Sie auf die umweltschädlichen Giftstoffe beim Tagebau, den Raubbau an der Natur und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen aufmerksam, indem Sie unseren kostenlosen Regenwald Report mit fundierten Artikeln zu Regenwaldthemen beim Friseur oder Arzt auslegen. Gerne senden wir Ihnen hierfür ausreichend Exemplare zu.