Siemens: Menschenrechte missachten und Gewinne einstreichen

Indigene demonstrieren mit Plakaten gegen Belo-Monte Staudamm Indigene Proteste gegen Belo Monte in Brasilien

Pressemitteilung, München am 23.1.2013

Organisationsbündnis protestiert bei Aktionärsversammlung gegen Beteiligung von Siemens am brasilianischen Belo Monte-Staudamm

Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Siemens AG in München demonstrieren Menschenrechts- und Umweltorganisationen gegen den verantwortungslosen Einsatz von Siemens beim Staudammprojekt Belo Monte in Brasilien. Vor dem Eingang der Olympiahalle begrüßten die Vertreter der Organisationen die Aktionärinnen und Aktionäre mit dem Banner „Keinen Profit auf Kosten von Amazonas und Menschen“ und verteilten Flugblätter. Auf der Hauptversammlung wurden von zwei Vertreterinnen Redebeiträge angemeldet, um ihre Forderungen direkt an die Entscheidungsträger in Vorstand und Aufsichtsrat zu richten. 

„Die Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen müssen ein Ende haben. Wenn Siemens dies nicht herbeiführen kann, muss der Konzern aus dem Projekt aussteigen“, so Heike Drillisch von GegenStrömung. „Auch ein Unternehmen wie Siemens muss sich an die internationalen Umwelt- und Menschenrechtsstandards halten. Dafür müssen Strukturen im Konzern etabliert werden, die eine Beteiligung an zerstörerischen Projekten wie Belo Monte in Zukunft ausschließen“, fordert Drillisch. 

Mit der Lieferung von Turbinen, Generatoren und Transformatoren ist Siemens, über sein Joint Venture Voith Hydro, für die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks mitverantwortlich und somit auch für die damit einhergehende Missachtung grundlegender internationaler Menschen- und Arbeitsrechte sowie nationaler Gesetzgebung: Das Staudamm-Projekt verstößt gegen UN-Leitprinzipien und  Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Darüber hinaus werden die Empfehlungen der Weltstaudammkommission außer Acht gelassen. „Siemens missachtet selbst die eigenen Corporate-Governance-Richtlinien. Im Zusammenhang mit dem Staudamm-Projekt kann weder von einer verantwortungsbewussten, wertebasierten Führung noch von einem angemessenen Umgang mit Risiken die Rede sein“, so Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

„Belo Monte ist der Todesstoß ins Herz der indigenen Völker am Xingu. Auch wenn europäische Firmen mit diesem Wahnsinnsprojekt astronomische Gewinne machen, ist dadurch Belo Monte noch lange nicht ethisch vertretbar. Jede Firma, die sich an Belo Monte beteiligt, zeichnet mitverantwortlich für diese Menschenrechts- und Umweltkatastrophe“, empört sich Erwin Kräutler, katholischer Bischof am Xingu.  

„Der Versuch des Siemens Konzerns, sich als Vorreiter im Bereich sauberer Energie zu profilieren, wirkt durch die Beteiligung an Belo Monte grotesk“, kommentiert Martin Glöckle von Pro REGENWALD. Durch die Flutung der Staubecken würden 400 km² Regenwald vernichtet, dabei einzigartige Schutzgebiete zerstört und gleichzeitig klimaschädliche Treibhausgase in großem Ausmaß freigesetzt. Das Amazonasgebiet ist eines der sensibelsten Ökosysteme der Erde und wirkt stabilisierend auf das globale Klima. „Eine Zerstörung ist nicht umkehrbar und zeigt die Missachtung der Rechte künftiger Generationen durch den Siemens-Vorstand“, so Glöckle. 

Ansprechpartner*innen:

GegenStrömung, Heike Drillisch, Tel: 0331 / 70 48 212, Mobil: 0177 / 345 26 11,    heike.drillisch@gegenstroemung.org

Rettet den Regenwald, David Vollrath, Tel: 040/41038044, redaktion@regenwald.org  

Unterstützende Organisationen:

Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, Campo Limpo, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Brasilieninitiative Freiburg, Earth Peoples, FDCL, GegenStrömung, INFOE, KoBra, POEMA e.V. Stuttgart, Pro REGENWALD, Rettet den Regenwald, Robin Wood, urgewald  

Hintergrund -  Staudamm Belo Monte:

Mit dem Belo Monte-Projekt soll am Xingu-Fluss im brasilianischen Amazonasbecken der drittgrößte Staudamm der Erde realisiert werden. Für eine Kapazität von bis zu 11.000 MW soll er eine Fläche von 668 km² (z.Vgl.: Bodensee = 536 km²) fluten, während ein anderer Flussabschnitt, die „Volta Grande“ oder „Große Flussschlinge“, deutlich weniger Wasser erhalten wird. 

Die ökologischen Folgen sind die Zerstörung von Schutzgebieten und Regenwaldflächen, mit gleichzeitiger Emission klimaschädlicher Treibhausgase. 

Zudem sind die sozialen Folgen des Dammbaus verheerend: Mehr als 30.000 Menschen steht die Zwangsumsiedlung bevor. Die Lebensweisen indigener Völker sind bedroht und tausende Fischer stehen vor dem Verlust ihrer Existenzgrundlage. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) stellte fest, dass die brasilianische Regierung bei dem Projekt Menschenrechte verletzt. 

Der Widerstand vor Ort gegen die Gesetzesbrüche ist immens: Die regionale Staatsanwaltschaft macht sich seit langem mit Gerichtsklagen gegen das Projekt stark; Demonstrationen, Streiks und Bauplatzbesetzungen wegen schlechter Arbeitsbedingungen und Missachtung von gesetzlichen Vorschriften sind an der Tagesordnung. Der Bau des Damms wurde dadurch wiederholt unterbrochen, konnte aber bisher nicht verhindert werden.

Der Belo Monte-Staudamm wird voraussichtlich nicht der letzte sein, der den Xingu bedroht: UmweltschützerInnen befürchten, dass weitere Staudämme gebaut werden sollen, um die Wirtschaftlichkeit des Wasserkraftwerks sicherzustellen. Dessen geplante Leistung kann durch die unbeständige Wasserführung des Xingu nur 3–4 Monate voll genutzt werden. Insgesamt sind noch über 50 Wasserkraftwerke im brasilianischen Amazonasbecken geplant. 

Hintergrund – Siemens-Beteiligung am Belo Monte-Projekt:

Siemens ist über das Joint Venture Voith Hydro mit der Lieferung von vier Francisturbinen und Generatoren sowie allen Transformatoren am Belo Monte-Projekt beteligt. Darüber hinaus wird die gesamte Automatisierung von Voith Hydro ausgestattet. Das Auftragsvolumen für Voith Hydro liegt bei rund 443 Millionen Euro. Das Joint Venture entstand im Jahr 2000 aus dem Zusammenschluss der Wasserkraftsparten von Siemens und dem Heidenheimer Familienunternehmen Voith. Siemens hält 35 % der Anteile, Voith 65 %. 2009 wurde der Name von Voith Siemens Hydro Power zu Voith Hydro geändert. Auch in der Vergangenheit waren die Unternehmen schon an hoch umstrittenen Großstaudämmen beteiligt, z.B. den Itaipu- und Estreito-Staudämmen in Brasilien, dem Drei-Schluchten-Staudamm in China (2003), dem Omkareshwar-Staudamm in Indien (2007).

Hintergrund – UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

Im Mai 2011 hat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte angenommen. In diesen ist die Verpflichtung von Unternehmen, die Menschenrechte zu achten, klar festgelegt, und zwar nicht nur bei den eigenen Aktivitäten, sondern auch im geschäftlichen Umfeld. Unternehmen sind gefordert, Prozesse zu etablieren, mit denen sie Abhilfe für die Menschenrechtsverletzungen schaffen können, die sie verursachen oder zu denen sie beitragen. Können sie das Projekt nicht beeinflussen, sind sie gefordert, daraus auszusteigen

Hintergrund - Empfehlungen der Weltstaudammkommission: 

Die aus Wissenschaftlern, Unternehmensvertretern und  Projektkritikern zusammengesetzte Weltstaudammkommission (WCD) hat nach zweijähriger umfangreicher Analyse zahlreicher Fallstudien im Jahr 2000 Empfehlungen für den Bau weiterer Staudämme vorgestellt. Hierzu gehört vor allem, einen rechtebasierten Ansatz zu verfolgen und sieben strategische Prioritäten zu berücksichtigen, darunter andere Optionen umfassend zu prüfen, öffentliche Akzeptanz zu erreichen, bestehende Staudämme zu optimieren, den Nutzen des Projekts mit den Betroffenen zu teilen sowie Flüsse und Existenzgrundlagen zu erhalten.

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