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RegenwaldReport 03/1996

Carlos & Co. gegen die Holzmafia

Mit viel Engagement und Hilfe aus Europa und den USA hat ein Naturschützer ein Reservat im Nebelwald von Ecuador geschaffen. Jetzt muss er den Wald gegen mächtige Holzkonzerne verteidigen.

Vor vierzehn Jahren kam Carlos mit seiner Familie nach Intag. Angefangen hat alles mit einer verlassenen Finca und 500 Hektar Wald, die Carlos gekauft hat. „La Florida" hat er das Land genannt, das heisst „die Blühende". Und damit das so bleibt, hat er den Wald vom Staat unter Schutz stellen lassen. Unter den Bewohnern von Intag war der gebürtige Cubaner schnell als Exot bekannt, „der Mann der den Wald schützt". Bald merkte Carlos, dass es nicht nur um seinen eigenen Wald ging, Tausende Hektar der kostbaren Nebelwälder in den Bergen Nordecuadors waren bedroht. Die Menschen in Intag lebten vom Anbau von Mais und Kaffee, der Boden ist schnell ausgelaugt, neuer Wald wird gerodet. Carlos weiss, dass es auch anders geht. In seinem Garten wächst alles, was man sich vorstellen kann, Zucchini, Tomaten, Salat, Bananen, Zitronen. Chemie braucht er dazu nicht. Carlos Gedanken kreisten nur noch darum, wie er den Menschen in Intag helfen konnte, ihre Wälder zu bewahren und ihre Armut zu lindern. „Carlos brachte uns bei, wie wichtig die Wälder für uns sind", erzählt Roberto Castro, Präsident der Parkwächter-Initiative. Seit 1993 verbindet die jungen Leute in Santa Rosa mehr als das wöchentliche Fussballspiel. Sie beschlossen, die Zerstörung der Bergnebelwälder gemeinsam aufzuhalten und gründeten die Organisation der „Guardabosques Voluntarios". Neben der Bewachung der Wälder gehörte für die jungen Leute zunächst die eigene Weiterbildung zu den wichtigsten Aktivitäten. Mit Hilfe der Anwaltsorganisation CORDAVI wurden weitere Waldgebiete unter Schutz gestellt. Seit 1994 unterstützt Rettet den Regenwald die Initiative. Mit Hilfe von Spendengeldern machten die jungen Waldschützer Anfang 1995 eine Fahrt ins Nachbarland Kolumbien, um ein ähnliches Projekt zu besuchen. „Das war für uns wichtig", erinnert sich Parkwächter Roberto, „Die Kolumbianer hatten viel mehr Erfahrung, da haben wir eine Menge gelernt.

Bäume schützen und Bäume pflanzen

Nach dem Vorbild von Carlos Zorrilla werden auch Projekte für Ökotourismus durchgeführt. Die einzigartigen Bergnebelwälder sind ein biologischer „Hotspot". Schulklassen, Wissenschaftler, Orchideenfans und Interessierte aus aller Welt kommen hierher, um sich von Carlos und seinen Freunden durch den Wald führen zu lassen. Zwar arbeiten alle Beteiligten ehrenamtlich, doch ohne Geld wären die vielfältigen Aktivitäten nicht möglich. Um die Schutzgebiete einzurichten mussten Managementpläne erarbeitet, Bauern entschädigt, Verwaltungskosten entrichtet werden. Um in der Bevölkerung das Bewusstsein für den Naturschutz zu stärken, werden in vielen Gemeinden Seminare abgehalten. Die Arbeit in Intag ist sehr mühsam, denn die Fincas und Gemeinden liegen sehr weit auseinander und die Umweltschützer reisen viele Stunden lang durch unwegsames Gelände, um die Menschen zu erreichen. Transportkosten, Lernmaterial, Videoausrüstung, das alles kostet Geld. Als erstes erhielt die Gruppe 1994 einen Satz Schutzkleidung, die wird bei den häufigen heftigen Regenfällen in dieser Region dringend benötigt. Inzwischen ist das Projekt für die ganze Region zum Vorbild geworden, drei weitere Parkwächtergruppen wurden in Intag gegründet. In den Bergen ist der Boden besonders durch Erosion gefährdet, deshalb forsten die fleissigen Umweltschützer auch bereits degradierte Flächen wieder auf. Mit Spenden von Rettet den Regenwald wurde 1996 die erste Baumschule aufgebaut. Der grösste nationale Fernsehsender hat sogar schon einen Bericht über die Parkwächter-Initiative gesendet.

Der Bär mit der Brille

Den putzigsten Bewohner des Nebelwaldes bekommen die Parkwächter nur in Ausnahmefällen zu sehen. Der scheue Brillenbär ist der einzige Bär Südamerikas, er verdankt seinen Namen einer drolligen weissen Zeichnung um die Augen. Obwohl er durch das Artenschutzabkommen streng geschützt ist, wird er rücksichtslos gejagt. Grund: Seine Gallenblase wird in Asien zu Höchstpreisen als Aphrodisiakum gehandelt. Der illegale Handel wird in Ecuador von Koreanern organisiert, 150 Dollar zahlen sie für eine Gallenblase. Das ist ein Haufen Geld für die armen Bauern in der Region. Carlos weiss das nur zu gut. Beim Versuch, seinen Wald gegen die illegalen Jäger zu verteidigen, wurde sogar auf ihn geschossen. „Das vergisst Du nicht, wenn Dir eine Kugel so dicht über den Kopf hinwegpfeift", berichtet der mutige Waldschützer. Inzwischen können die Behörden nicht mehr einfach die Augen verschliessen. 1996 köderte ein Fernsehteam die Koreaner. Die Reporter boten ihnen am Telefon einen Brillenbären an und zeichneten die Gespräche auf. Die Videos und Tonbänder schickten sie an die zuständige Behörde mit der Aufforderung, energische Schritte gegen die kriminellen Geschäfte einzuleiten.

Gegen die Goldgier

Der Artenreichtum in den Bergnebelwäldern ist unermesslich. Neben dem Brillenbär leben hier Bergtapir, Puma, Ozelot, Jaguarundis und zahlreiche Vogelarten. Experten schätzen, dass es in diesem Ökosystem sogar mehr Pflanzenarten gibt als im Tieflandregenwald Amazoniens. 28 Arten gelten bereits als bedroht, erklärt Carlos. „Den biologischen Wert kann man nicht in Gold aufwiegen." Genau das soll in Zukunft passieren, wenn es nach den Wünschen internationaler Minengesellschaften ginge. Sie haben es auf die Goldvorkommen in Intag abgesehen. Eine im März verabschiedete Resolution der Regierung soll sogar Rohstoffausbeutung in den sogenannten „Bosques Protectores" erlauben. Nationale Umweltgruppen sind empört, denn die Bosques Protectores sind Schutzwälder. „Die Resolution ist illegal, die Regierung hält ihre eigenen Gesetze nicht ein", beschwert sich Ecuadors grösste Umweltorganisation, CEDEMNA. Die Bewohner von Intag sind entschlossen, die todbringenden Goldminen aufzuhalten. Um den Widerstand zu koordinieren und an die Öffentlichkeit zu tragen, gründeten sie die Organisation DECOIN. Mit Hilfe von Spendengeldern organisierten die Waldschützer 1995 den ersten grossen Umweltkongress in Intag. Über 200 Menschen aus 40 Gemeinden kamen zusammen, um mit Umweltgruppen, Politikern und Vertretern der Minenfirmen über die fatalen Folgen des Bergbaus zu reden. Zum ersten Mal wurden die zerstörerischen Aktivitäten öffentlich angeprangert. Eine der Gold-Firmen ist die MitsubishiTochter Bishimetals, die bereits seit fünf Jahren in einem Nachbargebiet „Explorationsarbeiten" betreibt. Das Gesetz fordert zwar eine Umweltstudie, doch die liegt bis heute nicht vor. Carlos und seine Freunde fuhren in das betroffene Gebiet und nahmen gleich ein Fernsehteam mit, um das Verhalten der Firma zu dokumentieren. Obwohl die eigentlichen Förderarbeiten noch gar nicht begonnen haben, fanden sie bereits verseuchte Flüsse und geschädigte Waldflächen vor. Zynisch klingt da der lapidare Fernsehkommentar eines Regierungsvertreters: "Der Goldabbau hat keinerlei Einfluss auf die Umwelt. Man geht einfach hin, dreht ein paar Steine um und verschwindet wieder". Seit sie um die Bedrohung durch das Gold wissen, haben die Aktivisten von DECOIN ihren Einsatz noch gesteigert. Unermüdlich reisen sie mit Video bewaffnet übers Land, klären die Bevölkerung über die Folgen des Goldabbaus auf und warnen die Menschen, sich nicht vom schnellen Geld blenden zu lassen. Gemeinsam mit den Anwälten ' von CORDAVI schrieb Carlos ein Handbuch zum Thema Minenbergbau und liess Aufklärungsbroschüren drucken. Die Arbeit trägt Früchte, denn die Opposition der Bevölkerung gegen das mörderische Gold wächst stetig. Der junge Roberto Castro war einer der ersten, die sich für Carlos Ideen begeisterten, heute ist er Präsident der freiwilligen Parkwächter. Bei gemeinsamen Streifzügen durch die Wälder hat er, eine Menge über die Tiere und Pflanzen gelernt. Bei Carlos trifft man sich, um die nächsten Aktivitäten zu planen. Die jungen Menschen sind stolz auf das, was sie bisher gelernt und erreicht haben. Und sie sind bereit, noch viel mehr zu tun. „Wenn der Wald erst zerstört ist, bleibt uns zum Leben nichts mehr". Doch die Waldschützer brauchen dringend Geld. Zum Beispiel für die Kampagne gegen das Gold. Wenn der Widerstand so weiter wächst und effektiver organisiert werden kann, kann die Re-, gierung zur Umkehr bewegt werden. Rückendeckung bekommen die Umweltschützer in Intag von nationalen und internationalen Umweltgruppen. Neben dem Kampf gegen das Gold warten aber noch viele andere wichtige Aufgaben. Weitere Aufforstungsstationen sollen eingerichtet werden und mehr Schutzgebiete. Um den Boden und die Wälder zu schonen, sollen Biolandbau und Ökotourismus ausgeweitet werden. Die Liste ist endlos. Endlos sind leider nicht die Geldmittel zur Realisierung der Ziele. Was als Fussballclub begann, ist zu einer breiten, landesweit bekannten Bewegung geworden. Mit vergleichsweise geringen Mitteln können in Intag grosse Schritte getan werden. 7.000 Mark konnte Rettet den Regenwald in diesem Jahr schon für die Parkwächter überweisen. Für mindestens vier neue Aufforstungsstationen, zur Umwelterziehung, zum Ausbau von Ökotourismus und der Biolandbautechnologie benötigen die Wächter des Nebelwaldes noch 15.000 Mark.

Aktion:

Verschenken Sie ein Stück Regenwaldschutz Helfen Sie Carlos und den Parkwächtern. Für Ihre Spende senden wir Ihnen auf Wunsch unsere Regenwald-Urkunde zu, die Ihnen Ihren Anteil am Waldschutz bestätigt. Mit dieser Urkunde können Sie ein Stück direkte Regenwald-Hilfe verschenken.

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