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Regenwald Report 04/2013

Sein Schicksal liegt in deutscher Hand

Die Dieselmotoren der europäischen Autos verbrennen immer mehr Palmöl. Für europäischen ­Biodiesel wurden 7.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt und 5.000 Orang-Utans verlieren ­dadurch ihren Lebensraum. Der Biosprit wird in der EU zwangsweise beigemischt. Die Bundesregierung hat jetzt die Chance, den Irrsinn zu stoppen

Wie sollen Orang-Utans überleben, wenn ihr Wald für unseren Sprit gerodet wird?

Für die Regenwälder Südostasiens ist es eine Sekunde vor zwölf. Orang-Utans, Sumatra-Tiger, Borneo-Zwergelefanten, Nashörner und unzählige andere bedrohte Tier- und Pflanzenarten müssen für unseren Durst nach Palmöl bezahlen: Mit dem Verlust ihres Lebensraumes und oft genug mit ihrem Leben. Und den Menschen geht es kaum besser.

Warum? Weil die Nachfrage nach diesem tropischen Pflanzenöl Jahr für Jahr weltweit steigt. Die mit Abstand größten Produzenten sind Indonesien und Malaysia – und die Länder der Europäischen Union ihre Hauptabnehmer.

Den Löwenanteil am Palmöl verschlingen zwar die Lebensmittel-Hersteller – doch keine Industrie hat ihr Begehren nach diesem so konkurrenzlos billigen Stoff in den letzten sechs Jahren so gesteigert wie Europas Biodiesel-Hersteller: um 365 Prozent! Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des International Institute for Sustainable Development aus Kanada. Sie besagt: 2012 verbrannten 1,9 Millionen Tonnen Palmöl in den Dieselmotoren der europäischen Autofahrer. Mittlerweile wird also fast ein Drittel der Palmöl-Importe in die EU von der Biosprit-Industrie verarbeitet. Ein fataler Trend – ausgelöst von der Europäischen Union und den Regierungen ihrer Mitgliedsländer.

Klimaziel verfehlt: Biodiesel verursacht mehr C02-Emission als Erdöl

Seit 2003 fördert die EU Biokraftstoffe, 2009 beschlossen die Parlamentarier die gesetzliche Beimischung von Agrosprit in Benzin und Diesel. Dafür erhält die Biosprit-Industrie aus Steuergeldern Subventionen in Milliardenhöhe. Bis 2020 soll der Anteil sogenannter erneuerbarer Energien im Verkehr zehn Prozent betragen. Damit wollten die Politiker vor allem das Klima schützen.

Aber was bedeutet diese Beimischungspflicht eigentlich – und was hat sie bewirkt?

Beispiel Biodiesel: Dem fossilen Diesel-Kraftstoff wird Pflanzenöl zugemischt. Heimisches Raps- oder Sonnenblumenöl und importiertes Soja- und Palmöl. Schnell hat sich herausgestellt, dass die tropischen Pflanzenöle nicht nur billiger sind, sondern auch massenhaft verfügbar.

Die EU hat ihr Ziel, mit Biosprit das Klima zu retten, nicht erreicht. Im Gegenteil: Regenwälder und andere Ökosysteme werden für den Anbau der Pflanzenrohstoffe rigoros zerstört. Gigantische Mengen Kohlenstoff entweichen aus der gerodeten Vegetation und den Böden in die Erdatmosphäre. Biodiesel aus Palm- und Sojaöl ist daher sogar schädlicher als fossiler Diesel aus Erdöl, wie die von der EU beauftragten Expertenstudien belegen.

Fakten zu Biodiesel: Wieso dieser Kraftstoff überhaupt nicht „bio“ ist




• Linke Grafik: Seit 2006 ist der Palmölverbrauch in der EU für Biodiesel um 365 % gestiegen – von 0,4 auf 1,9 Millionen Tonnen pro Jahr
• Für 1,9 Mio. Tonnen Palmöl werden 7.000 km2 Fläche Regenwald gerodet (Ertrag 2,8 Tonnen pro Hektar und Jahr)
• So verlieren zum Beispiel rund 5.000 Orang-Utans ihren Lebensraum (einer braucht mind. 1,5 km2 zum Sattwerden)
• Rechte Grafik: Schon 25 % Pflanzenöle werden importiert (Palm- und Sojaöl). Soja für EU-Biodiesel wächst in Süd­amerika auf 8.500 km2 (Argentinien größter Exporteur)
...Mehr unter: www.regenwald.org/biosprit

Infoblatt „Fakten zu Biodiesel“ ausdrucken

Außerdem hat die EU eine verhängnisvolle Konkurrenz zwischen Tank und Teller entfacht, und zwar in zweifacher Hinsicht. Die riesigen Monokulturen für die Biosprit-Pflanzen wachsen nun dort, wo vorher Nahrungs- und Futtermittel angebaut wurden. Und fast sämtlicher Agrosprit wird aus Lebensmitteln produziert: Aus Palm-, Soja- und Rapsöl für Biodiesel; aus Mais, Weizen, Zuckerrohr und Zuckerrübe für Ethanol im Super- und E10-Kraftstoff.

So werden für immer mehr Menschen sogar Grundnahrungsmittel unerschwinglich – auf der Welt nehmen Hunger und Armut zu. „Viele Familien in unserem Land können sich das Palmöl zum Kochen nicht mehr leisten“, sagt Nordin von unserer indonesischen Partnerorganisation Save our Borneo.

Es geht um die Zukunft der Erde – um die Menschen und um die einzigartige Artenvielfalt in den tropischen Regenwäldern. Denn der Anbau von 1,9 Millionen Tonnen Palmöl für unsere Dieselmotoren verschlingt 7.000 Quadratkilometer Tropenwald – er wird gerodet, um Platz zu schaffen für die riesigen Monokulturen aus Ölpalmen. Doch von 7.000 Quadratkilometer Regenwald könnten sich 5.000 Orang-Utans ernähren. Es gibt nur noch 50.000 dieser einzigen Menschenaffen Asiens – auf Borneo und Sumatra. Wir dürfen ihren Lebensraum nicht weiter für unsere Autotanks opfern.

„Biosprit ist nicht umweltfreundlich, er zerstört unseren Wald.“ Nordin, Indonesien

Im Sommer hat der Indonesier Nordin in größter Sorge einen Brief an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso geschrieben. „Wir protestieren gegen den steigenden Palmölkonsum, die Förderungen für Pflanzenöle im Energiesektor, die Abwälzung der Lasten dieser Politik auf uns. Wir wenden uns auch gegen den Einsatz von Palmöl als angebliche „Bio“-Energiequelle, denn Ölpalmplantagen können nicht als umweltfreundlich bezeichnet werden. In Wahrheit zerstört Biodiesel aus Palmöl unseren Wald, unsere Menschenrechte und unsere Zukunft.“

Es ist höchste Zeit, die völlig verfehlte EU-Biospritpolitik endlich zu beenden. Die Verhandlungen laufen noch. Die Politiker ringen vor allem um die Höhe der Beimischungspflicht von Nahrungsmitteln im Tank und darum, ob die Regenwald-Rodung in die Klimabilanz von Biosprit künftig einbezogen wird. Umweltschützer in Brüssel versichern, dass die Entscheidung über die zukünftige Biosprit-Politik der EU hauptsächlich von Deutschland abhängt.

Diese Situation gibt uns allen eine große Chance. Von unserer Überzeugungskraft hängt das Schicksal der Regenwälder und ihrer Bewohner ab.

Die Bundeskanzlerin muss ihr politisches Gewicht in der Europäischen Union einsetzen und den Biosprit-Irrweg endgültig verlassen.

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