Natur darf nicht zur Ware werden

zwei rote Aras fliegen mit ausgebreiteten Flügeln über den Regenwald © getty images

Der Natur ein Preisschild geben – so wollen Regierungen und UN das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten stoppen. Sie setzen auf Biodiversitäts-Zertifikate und anderen Formen des Ablasshandels. Firmen, die die Umwelt zerstören, können sich damit freikaufen – und weitermachen wie bisher. Wir warnen eindringlich davor.

News und Updates Appell

An: Regierungen der EU, Institutionen der UN

„Das „Netz des Lebens“ muss effektiv geschützt werden. Biodiversitäts-Zertifikate und Ausgleichszahlungen sind jedoch gefährliche Scheinlösungen.“

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Für den Schutz der Natur sind viele Milliarden Euro nötig. Regierungen, EU, UN, Unternehmen und Lobbyisten propagieren dazu Biodiversitäts-Zertifikate und Ausgleichszahlungen (Offsets).

Doch diese Konzepte funktionieren selten, bergen immense Risiken und lenken von echten Lösungen ab.

Das Grundproblem: Statt Natur zu bewahren, wird sie weiterhin zerstört. Es wird kalkuliert, wie viel die an Ort A zerstörte Natur wert ist. Durch den Handel mit Zertifikaten und Ausgleichszahlungen wird dann an Ort B der Schutz von Natur von gleichem Wert beglichen. Dabei ist es unmöglich, das in Euro oder Credits zu berechnen.

Zu dieser Logik gehört, dass die Natur an Ort B ohne die Zahlungen ebenfalls zerstört worden wäre, dass der Schutz also zusätzlich ist, zudem dauerhaft ist und die Zerstörung nicht an einen dritten Ort verlagert wird. Niemand kann dies garantieren.

Biodiversitäts-Zertifikate könnten in Wirklichkeit wertlos sein, wie das bei vielen Kohlenstoff-Zertifikaten der Fall ist.

Während Zertifikate und Offsets Regierungen und Firmen zumeist im Globalen Norden davor bewahren, einschneidend etwas für den Naturschutz tun und sich womöglich einschränken zu müssen, wird diese Last zumeist den Menschen im Globalen Süden zugeschoben. Oft fußen diese Schutzmaßnahmen auf Festungsnaturschutz, verletzen die Rechte indigener Völker, führen zu Landraub und gefährden die Ernährungssicherheit der Bevölkerung.

Statt die Bewahrung der Natur „dem Markt“ zu überlassen, brauchen wir wirksame Gesetze. Umweltschädliche Subventionen müssen beendet werden. Zur Finanzierung von Naturschutz können zudem Instrumente wie eine Finanztransaktionssteuer etabliert werden. Die Rechte indigener Völker, die häufig die wirksamsten Umweltschützer sind, müssen gestärkt werden. Wir alle müssen umweltschädliche Konsummuster ändern.

Hinter­gründe

UN-Rahmenabkommen zum Naturschutz

Das international wichtigsten Abkommen zum Naturschutz ist das Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework. Es wurde während der UN-Weltnaturkonferenz COP 15 im Dezember 2022 von 196 Staaten in Montréal beschlossen.

Ziel 19 (Target 19) befasst sich mit der Finanzierung von Naturschutz. Darin heißt es unter Punkt d):

"Förderung innovativer Systeme wie (...) Ausgleichszahlungen für die biologische Vielfalt und Gutschriften, (...) mit Umwelt- und Sozialgarantien"

(Stimulating innovative schemes such as payment for ecosystem services, green bonds, biodiversity offsets and credits, benefit-sharing mechanisms, with environmental and social safeguards)

Während der UN-Weltnaturkonferenz COP 16 im Oktober 2024 in Cali (Kolumbien) sollen diese Finanzierungsmechanismen vorangetrieben werden.

Offset-Modelle gibt es freilich bereits seit den 1970er Jahren. Auch im Kampf gegen die Klimakrise werden sie oft propagiert.

Zerstörung als Gewinn

Manche Ausgleichsprojekte behaupten sogar, die Zerstörung könne die Biodiversität erhöhen. Die Schlagworte lauten "Biodiversity net gain" oder "no net loss". Wird vereinfacht gesagt der Lebensraum von Fröschen zerstört, werden dafür aber andernorts die Lebensbedingungen von Störchen und Eidechsen verbessert, sei das insgesamt ein Gewinn für die Natur. Am Untergang der Frösche ändert das Ausgleichsprojekt nichts.

Soziale und kulturelle Aspekte

Sind durch Naturzerstörung die Lebensgrundlagen der Menschen wie etwa ihre Trinkwasserversorgung oder Ernährungssicherheit betroffen, hilft ihnen ein Ausgleichsprojekt an einem anderen Ort zumeist nicht.

Offsets übersehen zudem häufig den kulturellen, spirituellen und sozialen Wert von Natur für die örtliche Bevölkerung. Schäden können kaum an einem anderen Ort kompensiert werden.

Statement von Nichtregierungsorganisationen und ExpertInnen

279 Nichtregierungsorganisationen und ExpertInnen - darunter Rettet den Regenwald - haben dieses Statement zu Biodiversitäts-Zertifikaten und Ausgleichszahlungen veröffentlicht:

Wir, die Unterzeichner, äußern unsere ernste Besorgnis über Biodiversitäts-Zertifikate, Ausgleichszahlungen und verwandte Handelssysteme. Die Märkte für Biodiversitäts-Zertifikate lehnen sich an die Kohlenstoff-Märkte an, die schwerwiegende Mängel aufweisen. Darüber hinaus gibt es unüberwindbare Probleme und Gefahren:

Falsche Antwort auf die falsche Frage

- Die Rechtfertigung für Biodiversitäts-Zertifikate und Ausgleichszahlungen besteht darin, dass eine große Kluft zwischen den benötigten und den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln für den Schutz der biologischen Vielfalt besteht.

- Biodiversitäts-Zertifikate und Ausgleichszahlungen bauen auf einem Top-Down-Modell des Festungsnaturschutzes auf, das wenig effektiv und sehr teuer ist, oft zu Menschenrechtsverletzungen führt und der falsche Weg bei der Bekämpfung des Verlusts Biodiversität ist.

- Stattdessen sollten andere bewährte Formen des Schutzes der Biodiversität verfolgt werden, wie die rechtliche Anerkennung der Gebiete indigener Völker und die Anwendung von Umweltgesetzen und Regulierungen.

- Die Reform und Umlenkung schädlicher Subventionen, die im Jahr 2022 auf 1,7 Billionen Dollar geschätzt werden, und öffentliche Finanzierungen in Form von Zuschüssen sind besser geeignet, die Finanzierungslücke zu schließen und riskante Finanzierungssysteme zu vermeiden.

- So wie die Kohlenstoff-Zertifikate und Ausgleichszahlungen den Klimaschutz verzögern, werden Biodiversitäts-Zertifikate dringende Maßnahmen gegen die Ursachen des Biodiversitäts-Verlusts verzögern.

Ausgleichszahlungen und Greenwashing

- Bereits vor der Ausweitung von Biodiversitäts-Gutschriften beliefen sich die kumulierten Zusagen zum landbasierten Kohlenstoff-Gutschriften und Ausgleichsprojekten weltweit auf 1.200 Millionen Hektar, fast so viel wie die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche. Es gibt dafür kein Land mehr, ohne Menschen zu vertreiben und Ernährungssysteme zu untergraben.

- Ausgehend von den langjährigen Erfahrungen mit Kohlenstoff-Gutschriften sind Behauptungen, dass Biodiversitäts-Gutschriften „zusätzliche Beiträge“ zum Schutz der biologischen Vielfalt darstellen und letztlich nicht für Ausgleichszwecke verwendet würden, entweder naiv oder falsch. Wenn Biodiversitäts-Gutschriften ohne die Absicht erworben werden, sie für Ausgleichszwecke zu verwenden, werden sie höchstwahrscheinlich zu Greenwashing-Zwecken erworben.

Versagen bei Gerechtigkeit und Rechten

- Internationale Märkte für biologische Vielfalt könnten es Eliten, insbesondere im globalen Norden, ermöglichen, Ökosysteme weiter zu zerstören, während sie billige und reichlich vorhandene Zertifikate aus dem globalen Süden kaufen.

- Die Kompensation von Biodiversitäts-Verlusten kann zu Konflikten über Eigentumsrechte und die Nutzung von Land, Fischgründen und Wäldern führen. Sie konkurrieren mit der Agrarökologie und der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und untergraben die Ernährungssouveränität. Sie werden wahrscheinlich zu Landraub, Vertreibung von Gemeinschaften, zunehmender Landungleichheit und Menschenrechtsverletzungen führen, genau wie Kohlenstoff-Kompensationen.

- Indigene Völker, lokale Gemeinschaften, Bauern und andere Kleinproduzenten von Nahrungsmitteln, Frauen und Jugendliche - die Hüter des größten Teils der biologischen Vielfalt des Planeten - haben in der Regel nur einen Bruchteil der Erlöse aus Kompensationsprojekten auf ihrem Land erhalten, während Projektentwickler und Finanzvermittler den größten Anteil erhalten. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass die Finanzmittel, die durch Angebot und Nachfrage auf dem Markt entstehen, in gerechter Weise für sie zugänglich sind.

Fortsetzung marktorientierten Versagens

- Die Kommerzialisierung der Natur durch die monetäre Bewertung von Ökosystemfunktionen und die Schaffung von Märkten für biologische Vielfalt steht im grundlegenden Gegensatz zm Weltverständnis vieler indigener Völker und anderer Gemeinschaften, die die Natur als unsere Mutter und nicht als Ware verstehen.

- Ausgleichszahlungen und Gutschriften für Biodiversität ermöglichen es privaten Märkten, Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt zu bepreisen und zu priorisieren, wodurch die Rolle der Regierungen beim Schutz der Biodiversität als öffentliches Gut geschmälert wird. Ein marktbasierter Schutz der Biodiversität, der in erster Linie von kurzfristigen finanziellen Erwägungen bestimmt wird, kann nicht mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Prioritäten von Spezies und Ökosystemen in Einklang gebracht werden.

- Ausgleichsregelungen beruhen in der Regel auf der Erstellung eines Zukunftsszenarios, das zeigt, was ohne das Projekt geschehen wäre. Diese „Basisszenarien“ haben sich als äußerst leicht zu manipulieren erwiesen, was zu falschen und wertlosen Gutschriften führt.

- Der Nachweis der „Zusätzlichkeit“ ist schwierig, da es unmöglich ist zu belegen, dass die Naturschutzergebnisse sonst nicht erzielt worden wären. Der Nachweis der „Dauerhaftigkeit“, dass die positiven Veränderungen anhalten werden, ist von Natur aus unmöglich. „Leakage“, also die räumliche Verlagerung des Verlusts der Biodiversität, ist ein konkretes Risiko.

- Die Probleme mit der Zusätzlichkeit, der Dauerhaftigkeit, der Verlagerung und der Manipulation der Ausgangssituation werden auf den Biodiversitäts-Märkten viel schwerwiegender und schwieriger zu lösen sein als auf den Kohlenstoff-Märkten, wo diese Probleme bereits bestehen.

Schwache Berechnungsmethoden

- Die Suche nach einer gemeinsamen Einheit für die Erfassung der biologischen Vielfalt würde eine starke Vereinfachung der Werte und der Funktionsweise von Ökosystemen bedeuten. Es ist nicht möglich, Millionen von Arten und ihr komplexes Netz von Interdependenzen auf einige wenige handelbare Werte zu reduzieren.

- Vorschläge zur Messung zur Zunahme der Biodiversität beruhen auf unzulänglichen Methoden, die Rosinenpickerei bei den Indikatoren erlauben und wichtige und einzigartige Eigenschaften von Ökosystemen außer Acht lassen.

- Die unterschiedlichen Weisen, von, in, mit und als Natur zu leben, machen deutlich, wie schwierig die verschiedenen Einstellungen der Menschen berücksichtigt werden können, die nicht vergleichbar oder austauschbar sind.

Ungewisse Einnahmen

- „Investitionen“ auf den Märkten für biologische Vielfalt werden instabil und variabel sein, was zu unvorhersehbaren Einkommensschwankungen für die Empfänger und unbeständigen wirtschaftlichen Anreizen für den Naturschutz führt.

- Kein großes Unternehmen hat sein Interesse am Kauf von Biodiversitäts-Gutschriften bekundet. Sie ziehen sich derweil aus den Kohlenstoff-Märkten zurück, nachdem deren inhärente Schwächen kürzlich aufgedeckt wurden. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass der Markt für biologische Vielfalt denselben Weg nehmen wird.

Schlechte Regierungsführung und Interessenkonflikte

- Es fehlt eine wirksame Regulierung auf der Grundlage von Menschenrechten und Umweltgesetzen. Biodiversitäts-Zertifikate und Ausgleichszahlungen, die zu Menschenrechtsverletzungen führen oder minimale Umweltstandards nicht erfüllen, werden selten sanktioniert.

- Die zentrale Beteiligung von Organisationen wie Verra ist höchst problematisch. Sie waren für die Ausgabe von Hunderten von Millionen Phantom-Kohlenstoff-Gutschriften verantwortlich und konnten Menschenrechtsverletzungen in Projekten, die nach ihren Standards geprüft wurden, nicht verhindern.

- Die Erfahrung mit den Kohlenstoff-Märkten hat uns gezeigt, dass es einen Interessenkonflikt gibt, wenn dieselbe Organisation, die finanziell von der Ausstellung von Gutschriften profitiert, gleichzeitig die Festlegung von Standards zur Validierung und externen Prüfung kontrolliert.

Biodiversitäts-Gutschriften und Kompensationsprogramme sind falsche Lösungen für ein falsches Problem - es gibt viel bessere Möglichkeiten, die Finanzierung der biologischen Vielfalt zu erhöhen, ohne auf diese riskanten Programme zurückzugreifen.

Die Kompensation der biologischen Vielfalt ermöglicht es den reichen Ländern, Unternehmen, Finanzinstitutionen und anderen Akteuren, von der Krise der biologischen Vielfalt zu profitieren, die sie selbst verursacht haben. Sie können den Status quo aufrechterhalten, indem sie die Umsetzung politisch schwieriger Entscheidungen zur Regulierung zerstörerischer Aktivitäten im eigenen Land vermeiden und gleichzeitig eine neue Anlageklasse für ihre Finanzsektoren schaffen.

Unsere Forderungen

Wir fordern Regierungen, multilaterale Gremien, Naturschutzorganisationen und andere Akteure auf, die Förderung, Entwicklung und Nutzung von Kompensations- und Anrechnungsprogrammen für die biologische Vielfalt einzustellen.

Stattdessen fordern wir sie auf, einen grundlegenden Wandel bei der Bekämpfung der Ursachen des Verlusts der biologischen Vielfalt in den Vordergrund zu stellen, einschließlich:

- Förderung einer wirksamen Regulierung schädlicher Unternehmenstätigkeiten;

- Anerkennung, Respektierung, Schutz und Förderung des Rechts auf Land für indigene Völker, lokale Gemeinschaften, Kleinproduzenten von Nahrungsmitteln und Frauen;

- Beendigung von Finanzströmen und Investitionen, die für die biologische Vielfalt und die Menschen schädlich sind;

- Abschaffung schädlicher staatlicher Subventionen;

- Änderung der Produktions- und Konsummuster insbesondere der Reichen;

- Unterstützung eines gerechten Übergangs, einschließlich der Umstellung der Lebensmittelsysteme auf Agrarökologie;

- Sicherstellung, dass Gelder direkt und gerecht an indigene Völker, lokale Gemeinschaften, kleine Lebensmittelproduzenten, Frauen und Jugendliche für gemeinschaftsgeführte Ansätze fließen;

- Verfolgung wirksamer und gerechter Mittel zur Erhaltung der Umwelt;

- und sofortige Schritte zur schrittweisen Verringerung der Lieferung und Nutzung fossiler Brennstoffe.

ENDE des Statements

An­schreiben

An: Regierungen der EU, Institutionen der UN

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Einbruch der Biodiversität ist eine der größten Krisen unserer Zeit. Ein Massenaussterben ist längst im Gange und verschärft sich rasant. Es ist zwingend nötig, den Schutz von Tier- und Pflanzenarten und von Ökosystemen zu verstärken, damit das Netz des Lebens nicht reißt.

Biodiversitäts-Zertifikate, Offsets und andere marktbasierte Ansätze sind jedoch gefährliche Scheinlösungen. Sie setzen die Dynamik der Zerstörung fort, statt sie zu beenden.

Wir fordern daher:

- wirksame Gesetze, Regulierungen und Abkommen statt Markt und freiwillige Maßnahmen.

- Anerkennung und Durchsetzung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften.

- Abschaffung klima- und umweltschädlicher Subventionen von Staaten und der EU und ihre Umlenkung in den Klima- und Naturschutz.

- Finanzierung von Klima- und Naturschutz durch Finanztransaktionssteuer und ähnliche Mechanismen.

- Sicherstellung, dass Gelder zu einem großen Teil direkt an indigene Völker und lokale Gemeinschaften fließen.

- Änderung von klima- und umweltschädlichen Produktions- und Konsummustern.

- Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und einen umweltfreundlichen Umstieg zu erneuerbaren Energien.

Mit freundlichen Grüßen

5-Minuten-Info zum Thema: Biodiversität

Die Ausgangslage: Warum ist Biodiversität so wichtig?

 

Biodiversität oder Biologische Vielfalt umfasst drei Bereiche, die sehr eng miteinander verbunden sind: die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme wie z.B. Wälder oder Meere. Jede Art ist Teil eines hoch komplexen Beziehungsgeflechts. Stirbt eine Art aus, wirkt sich das auf viele andere Arten und ganze Ökosysteme aus.

Weltweit sind derzeit fast 2 Millionen Arten beschrieben, Experten schätzen die Anzahl weitaus höher. Tropische Regenwälder und Korallenriffe gehören zu den artenreichsten und am komplexesten organisierten Ökosystemen dieser Erde. Rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten lebt in den Tropenwäldern.

Die biologische Vielfalt ist für sich alleine schützenswert und gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Wir nutzen täglich Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medizin, Energie, Kleidung oder Baumaterialien. Intakte Ökosysteme sichern die Bestäubung von Pflanzen und die Bodenfruchtbarkeit, schützen uns vor Umweltkatastrophen wie Hochwasser oder Erdrutschen, reinigen Wasser und Luft und speichern das klimaschädliche CO2.

Die Natur ist auch die Heimat und zugleich ein spiritueller Ort vieler indigener Völker. Sie sind die besten Regenwaldschützer, denn besonders intakte Ökosysteme findet man in den Lebensräumen von indigenen Gemeinschaften.

Der Zusammenhang zwischen dem Verlust von Natur und der Ausbreitung von Pandemien ist nicht erst seit Corona bekannt. Eine intakte und vielfältige Natur schützt uns vor Krankheiten und weiteren Pandemien.

Die Auswirkungen: Artenschwund, Hunger und Klimakrise

 

Der Zustand der Natur hat sich weltweit dramatisch verschlechtert. Rund 1 Million Tier- und Pflanzenarten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN sind derzeit 37.400 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht - ein trauriger Rekord! Experten sprechen von einem sechsten Massenaussterben in der Geschichte der Erde - das Tempo des globalen Artensterbens ist durch den Einfluss des Menschen um Hunderte mal höher als in den letzten 10 Mio. Jahren.

Auch zahlreiche Ökosysteme weltweit - 75 % Landfläche und 66 % Meeresfläche - sind gefährdet. Nur 3% sind ökologisch intakt – z.B. Teile des Amazonas und des Kongobeckens. Besonders betroffen sind artenreiche Ökosysteme wie Regenwälder und Korallenriffe. Rund 50% aller Regenwälder wurden in den letzten 30 Jahren zerstört. Das Korallensterben nimmt durch den globalen Temperaturanstieg immer weiter zu.

Hauptursachen für den massiven Rückgang der Biodiversität sind die Zerstörung von Lebensraum, intensive Landwirtschaft, Überfischung, Wilderei und Klimaerwärmung. Rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich werden weltweit in die Zerstörung der Natur investiert - in Massentierhaltung, Subventionen für Erdöl und Kohle, Entwaldung und Flächenversiegelung.

Der Verlust an Biodiversität hat weitreichende soziale und ökonomische Folgen, die Ausbeutung der Ressourcen geht zu Lasten von Milliarden Menschen im globalen Süden. Die UN kann die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung z.B. die Bekämpfung von Hunger und Armut nur erreichen, wenn die Biodiversität weltweit erhalten und für die nächsten Generationen nachhaltig genutzt wird.

Ohne den Erhalt der Biodiversität ist auch der Klimaschutz bedroht. Die Zerstörung von Wäldern und Mooren – als wichtige CO2-Senken - heizt den Klimawandel weiter an.

Die Lösung: Weniger ist mehr!

 

Die natürlichen Ressourcen der Erde stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Knapp zwei Erden verbrauchen wir Menschen, bei derzeitigem Ressourcenverbrauch werden es 2050 mindestens drei sein. Um für den Erhalt der biologischen Vielfalt als unserer Lebensgrundlage zu kämpfen, müssen wir den Druck auf die Politik weiter erhöhen.
Und auch in unserem Alltag lässt sich viel bewegen.

Mit diesen Alltags-Tipps schützt man auch die biologische Vielfalt:

  1. Öfter mal pflanzlich: Mehr buntes Gemüse und Tofu auf den Teller oder am besten gar kein Fleisch! Rund 80% der Agrarflächen weltweit werden zur Tierhaltung und zum Anbau von Tierfutter genutzt.
  2. Regional und Bio: Ökologisch erzeugte Lebensmittel verzichten auf den Anbau von riesigen Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden. Der Kauf von regionalen Produkten spart zudem Unmengen an Energie!
  3. Bewusst leben: Brauche ich schon wieder neue Klamotten oder ein Handy? Oder kann ich Alltagsdinge auch gebraucht kaufen? Es gibt gute Alternativen zu Produkten mit Palmöl oder Tropenhölzern! Tropische Haustiere wie z.B. Papageien oder Reptilien sind tabu! Berechne jetzt deinen ökologischen Fußabdruck.
  4. Werde Bienenfreund:in: Auf dem Balkon oder im Garten freuen sich Bienen und andere Insekten über vielfältige, leckere Pflanzen. Aber auch ohne eigenes Grün kann man in einem Naturschutzprojekt in der Region aktiv werden.
  5. Protest unterstützen: Demonstrationen oder Petitionen gegen die Klimaerwärmung oder für eine Agrarwende üben Druck auf Politiker:innen aus, die auch für den Schutz der biologischen Vielfalt verantwortlich sind.

Lesen Sie hier, warum so viele Arten aussterben, bevor sie überhaupt entdeckt werden.

News und Updates Fußnoten

ExpertInnenStand 2. Oktober 2024





MenschenrechtsverletzungenIPES-Food, 2024. Land Squeeze: What is driving unprecedented pressures on global farmland and what can be done to achieve equitable access to land? https://ipes-food.org/report/land-squeeze/


Kohlenstoff-Kompensationen.Re:common, Turning forests into hotels - The true cost of biodiversity offsetting in Uganda, April 2019, https://www.recommon.org/en/turning-forests-into-hotels-the-true-cost-of-biodiversity-offsetting-in-uganda/

The Guardian, ‘Nowhere else to go’: forest communities of Alto Mayo, Peru, at centre of offsetting, January 2023, https://www.theguardian.com/environment/2023/jan/18/forest-communities-alto-mayo-peru-carbon-offsetting-aoe;

Mongabay, Shell affiliate accused of violating Indigenous rights in carbon credit contracts, November 2023 https://news.mongabay.com/2023/11/shell-affiliate-accused-of-violating-indigenous-rights-in-carbon-credit-contracts/;

Counsell S., Survival International, Blood Carbon: how a carbon offset scheme makes millions from Indigenous land in Northern Kenya, March 2023, https://assets.survivalinternational.org/documents/2466/Blood_Carbon_Report.pdf


Ware verstehen.Rojas-Marchini F and Carmona R. Biodiversity offsets and credits: Key aspects that make them problematic for protecting biodiversity, Third World Network Briefing Paper, March 2024,

https://www.twn.my/title2/briefing_papers/twn/Biodiversity%20offsets%20TWNBP%20Mar%202024%20Rojas.pdf


austauschbar sind.Pascual, U. et al. Diverse values of nature for sustainability. Nature, v. 620, n. 7975, p. 813–823, 2023. https://doi.org/10.1038/s41586-023-06406-9


nicht verhindern.The Guardian, Revealed: more than 90% of rainforest carbon offsets by biggest certifier are worthless, analysis shows, 18 January 2023, https://www.theguardian.com/environment/2023/jan/18/revealed-forest-carbon-offsets-biggest-provider-worthless-verra-aoe

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