Bitte nicht 180 Tonnen Palmöl in der Schule Kressbronn verheizen!

Proteste gegen Palmölplantage in Indonesien abgeholzte Fäche riesiges Transparent der Bewohner Proteste gegen Palmölplantage in Indonesien (© Save Our Borneo)
78.916 Teilnehmer

Diesen Mittwoch will der Bürgermeister von Kressbronn den Kauf von jährlich 180 Tonnen Palmöl für die Schulheizung vom Gemeinderat genehmigen lassen. Eine Protestkundgebung ist geplant. Marktplatz Kressbronn ab 16:00h

News und Updates Appell

An: Gemeindeverwaltung Kressbronn

„Palmöl ist kein umweltfreundlicher Brennstoff – mit Palmöl betriebene Blockheizkraftwerke gehören abgeschaltet.“

Ganzes Anschreiben lesen

Im Parkschulzentrum in Kressbronn am Bodensee brummt ein Blockheizkraftwerk. Neben Wärme produziert die Anlage auch elektrischen Strom.

Eigentlich ein positives Beispiel dezentraler und Ressourcen schonender Energieversorgung, zumindest könnte man das meinen. Doch es gibt ein gravierendes Umweltproblem und das liegt im verwendeten Brennstoff: Palmöl.

180 Tonnen des aus den Tropen importierten Pflanzenöls verfeuert die Anlage pro Jahr, das entspricht 10 großen Tanklastern – oder umgerechnet einer Rodungsfläche von 50 Hektar in den Anbaugebieten.

Die Hauptlieferanten des Palmöls sind Malaysia und Indonesien. Auf über 20 Millionen Hektar breiten sich dort, wo noch vor wenigen Jahren artenreiche tropische Regenwälder standen, industrielle Monokulturen mit Ölpalmen aus. Derzeit wüten auf vielen Plantagen im Auftrag der Firmen gelegte Feuer. Die Bevölkerung leidet erheblich unter dem Rauch.

Auch für die Einwohner der Regenwaldgebiete – zumeist indigene Völker und andere Kleinbauern – ist Palmöl eine Bedrohung. Sie werden für die Anlage der Palmölplantagen von ihrem angestammten Land vertrieben und verlieren ihre Lebensgrundlagen.

Bereits 2007 hatte Rettet den Regenwald gegen den geplanten Einsatz von Palmöl in dem BHKW in Kressbronn protestiert. Damals hatte die Gemeinde reagiert und angegeben, statt Palmöl heimisches Rapsöl einsetzen zu wollen.

Doch dabei ist es offenbar nicht geblieben. Still und heimlich hat die Gemeinde in späteren Jahren anscheinend Palmöl eingekauft, weil es billiger ist. Erst eine offizielle Anfrage im Rahmen des Landesgesetzes für Informationsfreiheit durch einen Bürger brachte den Palmöleinsatz ans Licht.

Bitte fordern Sie die Gemeinde auf, die Verbrennung von Palmöl definitiv zu beenden und ein zentral erfasstes Energiemanagement einzuführen.

Hinter­gründe

Leider ist das BHKW in Kressbronn kein Einzelfall. Bundesweit existieren vermutlich noch Dutzende weitere mit Palmöl betriebene Kraftwerke. Informationen darüber gibt es praktisch nicht, die Betreiber der Anlagen agieren lieber im Dunkeln. In Kressbronn brachte erst eine offizielle Anfrage im Rahmen des Landesgesetzes für Informationsfreiheit den Palmöleinsatz ans Licht.

Laut Antwort der Bundesregierung wurden im Jahr 2016 für die Erzeugung von Biobrennstoffen rund 85.930 Tonnen und für die Erzeugung von Strom 87.500 Tonnen Palmöl eingesetzt. Aus den Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lässt sich errechnen, dass 2017 knapp 60.000 Tonnen Palmöl zur Verstromung und Einspeisung nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) bei der Behörde angemeldet wurden.

Die Bioenergiepolitik der Bundesregierung hatte in den 2000er-Jahren einen regelrechten Boom der mit Pflanzenöl betriebenen Blockheizkraftwerke ausgelöst. Im Jahr 2007 gab es 2.726 derartige Anlagen.

Die Verbrennung von Palmöl in BHKWs ist nur durch die massive finanzielle Förderung durch das EEG rentabel. Über die Grundvergütung (11,67 Cent), den Nachwachsende-Rohstoffe-Bonus (NaWaRo-Bonus; 2,5 bis 6 Cent), den Kraftwärmekopplungs-Bonus (KWK-Bonus; 4 Cent) und den Technologie-Bonus (2 Cent) kann sich diese auf bis über 19 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom und Wärme summieren.

Die Subventionierung der Palmöl-BHKW wird über eine Umlage von derzeit 6,4 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde finanziert, die den Stromkonsumenten auf ihre monatliche Rechnung erhoben wird.

Hohe und schwankende Pflanzenölpreise und technische Mängel bei vielen der BHKWs führten dazu, dass Anlagen stillgelegt, auf andere Brennstoffe umgerüstet oder abgebaut wurden. Nach jahrelangen Protesten von Umweltorganisationen – darunter Rettet den Regenwald – hatte die Bundesregierung 2012 mit einer Novellierung des EEG die Förderung von neuen Pflanzenöl-BHKWs abgeschafft.

Für die bestehenden Altanlagen galt allerdings ein 20-jähriger Bestandschutz. So wird die Palmölverbrennung in den noch bestehenden BHKWs weiter finanziert.

Quellen zu den Verbrauchszahlen von Palmöl in Kraftwerken:

https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Klima-Energie/Nachhaltige-Biomasseherstellung/Evaluationsbericht_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Evaluations- und Erfahrungsbericht für das Jahr 2017
Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung

Seite 73: Biobrennstoffe, die zur Verstromung und Einspeisung nach dem EEG bei der BLE im Jahr 2017 angemeldet wurden:

3.149 TJ PÖL (2017)

3.812 TJ (2016)

3.967 TJ 2015)

davon Palmöl als Ausgangsstoff (Seite 93)

2.157 TJ (2017)

3.231 TJ (2016)

3.069 TJ (2015)

davon Rapsöl als Ausgangsstoff

992 TJ (2017)

580 TJ (2016)

898 TJ (2015)

Pflanzenöle aus Palmöl nach Herkunft
- Malaysia
1663 TJ (2017)

2.585 TJ (2016)

2.202 TJ (2015)

- Indonesien

147 TJ (2017)

538 TJ (2016)

867 TJ (2015)

- Honduras

339 TJ (2017)

108 TJ (2016)

Umrechnung TJ in t lt. Tabelle 26, S. 95: Umrechnung von Energieeinheiten

1 Terajoule (TJ) = 1.000.000 Megajoule (MJ)

Lt. Tabelle 27: Dichtetabelle S. 95

Pflanzenöl: 0,92 Tonne pro Kubikmeter (t/m3)

Pflanzenöl 37.000 Megajoule pro Tonne (MJ/t)

An­schreiben

An: Gemeindeverwaltung Kressbronn

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben erfahren, dass ihre Gemeinde im Parkschulzentrum in Kressbronn ein mit Palmöl als Brennstoff betriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) unterhält.

Für den Anbau von Ölpalmen werden die Regenwälder abgeholzt und die Bevölkerung für die Anlage der Palmölplantagen von ihrem Land vertrieben.

Palmöl als Brennstoff ist damit alles andere als umweltfreundlich und sozial verträglich. Bitte schalten Sie das Blockheizkraftwerk ab oder rüsten Sie es auf andere weniger schädliche Brennstoffe um.

Außerdem bitten wir Sie, ein zentral erfasstes Energiemanagement einzuführen.

Mit freundlichem Gruß

5-Minuten-Info zum Thema: Palmöl

Die Ausgangslage – Regenwald im Tank und auf dem Teller

Mit 66 Millionen Tonnen pro Jahr ist Palmöl das meist produzierte Pflanzenöl. Inzwischen dehnen sich die Palmölplantagen weltweit auf mehr als 27 Millionen Hektar Land aus. Auf einer Fläche so groß wie Neuseeland mussten die Regenwälder, Mensch und Tier bereits den „grünen Wüsten“ weichen.

Der niedrige Weltmarktpreis und die von der Industrie geschätzten Verarbeitungseigenschaften haben dazu geführt, dass Palmöl inzwischen in jedem zweiten Supermarktprodukt steckt. Neben Fertigpizza, Keksen und Margarine begegnet uns Palmöl auch in Körpercremes, Seifen, Schminke, Kerzen und Waschmitteln.

Was kaum einer weiß: Mittlerweile gehen in der EU 61 % des Palmöls in die Energieerzeugung51 % (4,3 Millionen Tonnen) für die Produktion von Biodiesel sowie 10 % (0,8 Millionen Tonnen) in Kraftwerke für die Strom- und Wärmeerzeugung.

Deutschland importiert 1,4 Millionen Tonnen Palmöl und Palmkernöl: 44% der Palmölimporte (618.749 t) wurden für energetische Zwecke eingesetzt, davon 445.319 t (72 %) Palmöl für die Produktion von Biodiesel sowie 173.430 t (28 %) für die Strom- und Wärmeerzeugung.

Die fehlgeleitete erneuerbare Energien Politik von Deutschland und der EU ist damit eine wichtige Ursache der Regenwaldabholzung. Die 2009 von der EU beschlossene Erneuerbare Energien Richtlinie schreibt die Beimischungspflicht von Agrosprit in Benzin und Diesel vor.

Immer wieder forderten Umweltschützer, Menschenrechtler, Wissenschaftler und zuletzt auch die EU-Parlamentarier, Palmöl für Biosprit und Kraftwerke ab 2021 auszuschließen – vergeblich. Am 14. Juni 2018 haben die EU-Mitgliedsländer beschlossen, das tropische Pflanzenöl als „Bioenergie“ weiterhin bis 2030 zuzulassen.

Die Alternativen: Bitte lesen Sie die Inhaltsangaben auf den Verpackungen und lassen Sie palmölhaltige Produkte im Laden stehen. An der Zapfsäule haben Sie keine Wahlmöglichkeit, hier sind das Fahrrad und der öffentliche Transport die Lösung.

Die Auswirkungen – Waldverlust, Artentod, Vertreibung, Erderwärmung

Ölpalmen gedeihen nur in den feucht-warmen Tropen nahe den Äquator. In Südostasien, Lateinamerika und Afrika werden Tag um Tag riesige Regenwaldflächen gerodet und abgebrannt, um Platz für die Plantagen zu schaffen. Der in der Urwaldvegetation und den Böden gespeicherte Kohlenstoff wird dabei freigesetzt. Riesige Mengen klimaschädlicher Gase in die Atmosphäre. CO2- und Methanemissionen sorgen dafür, dass der aus Palmöl produzierte Biosprit drei mal so klimaschädlich ist wie Treibstoff aus Erdöl.

Doch nicht nur das Klima leidet: Mit den Bäumen verschwinden seltene Tierarten wie Orang-Utan, Borneo-Zwergelefant und Sumatra-Tiger. Kleinbauern und Indigene, die den Wald über Generationen bewohnen und beschützen, werden oft brutal von ihrem Land vertrieben. In Indonesien stehen mehr als 700 Landkonflikte in Zusammenhang mit der Palmölindustrie. Auch auf sogenannten „nachhaltig bewirtschafteten“ oder „Bio“-Plantagen kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Wir Verbraucher bekommen von all dem wenig mit. Unser täglicher Palmölkonsum hat jedoch auch für uns persönlich direkte negative Auswirkungen: In raffiniertem Palmöl sind große Mengen gesundheitsschädlicher Fettsäureester enthalten, die das Erbgut schädigen und Krebs verursachen können.

Die Lösung – Tank-und-Teller-Revolution

Nur noch 70.000 Orang-Utans streifen durch die Wälder Südostasiens. Die EU-Biospritpolitik bringt die Menschenaffen immer weiter an den Rand des Aussterbens. Um unseren baumbewohnenden Verwandten zu helfen, müssen wir den Druck auf die Politik erhöhen. Doch auch im Alltag lässt sich viel bewegen.

Diese einfachen Tipps helfen, Palmöl zu erkennen, zu meiden und zu bekämpfen:

  1. Selbst kochen, selbst entscheiden: Mandel-Kokos-Birnen-Kekse? Kartoffel-Rosmarin-Pizza? Frische Zutaten, gemixt mit ein bisschen Fantasie, stellen jedes (palmölhaltige) Fertigprodukt in den Schatten. Zum Kochen und Backen eignen sich europäische Öle aus Sonnenblumen, Oliven, Raps oder Leinsamen.
  2. Kleingedrucktes lesen: Auf Lebensmittelpackungen muss seit Dezember 2014 angegeben werden, wenn ein Produkt Palmöl enthält. In Kosmetik-, Putz- und Waschmitteln versteckt sich der Regenwaldfresser hingegen hinter einer Vielzahl chemischer Fachbegriffe. Per Internetrecherche lassen sich leicht palmölfreie Alternativen finden.
  3. Der Kunde ist König: Welche palmölfreien Produkte bieten Sie an? Wieso verwenden Sie keine heimischen Öle? Nachfragen beim Verkaufspersonal und Briefe an die Produkthersteller lassen Firmen um die Akzeptanz ihrer Produkte bangen. Der öffentliche Druck und das gestiegene Problembewusstsein haben schon einige Produzenten zum Verzicht auf Palmöl bewegt.
  4. Petitionen und Politikerbefragungen: Online-Protestaktionen üben Druck auf die Politiker aus, die für Biosprit und Palmölimporte verantwortlich sind. Haben Sie bereits alle Petitionen von Rettet den Regenwald unterschrieben? Auf abgeordnetenwatch.de kann jeder die Bundestagsabgeordneten mit den Folgen der Biospritpolitik konfrontieren.
  5. Laut werden: Demonstrationen und kreative Straßenaktionen machen den Protest für Menschen und Medien sichtbar. Dadurch wird der Druck auf die politischen Entscheidungsträger noch größer.
  6. Öffentlich statt Auto: Wenn möglich zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
  7. Wissen und Wissen weitergeben: Wirtschaft, Handel und Politik wollen uns glauben machen, Biosprit sei klimafreundlich und Palmölplantagen könnten nachhaltig sein. Regenwald.org informiert über die Folgen des Palmölanbaus. Der kostenlose Regenwald Report kann an Freunde weitergegeben oder in Schulen, Arztpraxen und Bioläden ausgelegt werden.

Die Reportage Asimetris

Die Reportage Asimetris zeigt, warum die Menschen zu den Verlierern des Palmölbooms gehören. Sie können den Film in unserem Shop kaufen.

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