Bäume ausrotten ist umweltfreundlich
Wenn es nach den Plänen der Holzhändler geht, werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, ab 1996 ein kleines Schildchen im Laden finden, ein "Warenzeichen", auf dem etwa Folgendes stehen soll: "Dieses Holz kommt aus ordentlicher umweltschonender Forstwirtschaft". Was sagt uns das? Das Holz kann dann zum Beispiel aus der Konzession Pokola der Firma CIB/ Feldmeyer kommen. Die Firma Feldmeyer und drei weitere deutsche Firmen mit eigenen Einschlagsgebieten in Afrika, haben schon angekündigt, dass sie das Umweltzeichen beantragen wollen.
Pokola, das ist tiefster Tropenwald, so abgelegen wie ein Gebiet überhaupt nur sein kann, ausser von einigen Pygmäen und einigen Hundert Holzarbeitern mit ihren Familien fast nicht besiedelt. Über 1200 Kilometer müssen die Urwaldstämme durch Kamerun mit dem LKW transportiert werden, die Eisenbahnverbindung im Kongo funktioniert kaum noch. Pokola, das ist auch Natur vom Feinsten. Direkt neben dem Ndoki Nationalpark gelegen, durchziehen die Trampelpfade der Elefanten den Wald, treffen Besucher auf Schimpansen, Gorillas und jede Menge Wildtiere. Das Time Magazin schrieb eine begeisterte Titelgeschichte über Ndoki, "Der letzte Garten Eden".
Werbung um den Verbraucher
Pokola ist nicht nur wunderschöne Natur, es ist nach Ansicht des Inhabers der Firma Feldmeyer, Dr. Stoll, auch ein Muster an Umweltfreundlichkeit. Mit Vorliebe hält er ausführliche Diavorträge über seine afrikanische "Musterkonzession". "Hier haben wir vor drei Jahren eingeschlagen, schon ist alles wieder grün", so oder ähnlich erklärt er seinen Zuhörern die Forstwirtschaft. Und Stoll ist Mr. Tropenholz in Deutschland schlechthin. Zwar ist seine Firma nicht der grösste Importeur, aber der rührige promovierte Forstwirt vertritt die Branche wo immer öffentliche Auftritte erwünscht sind, bei Weltbankkonferenzen oder Fernsehinterviews.
So ist Stoll auch Vorsitzender der sogenannten "Initiative Tropenwald" (ITW) in Berlin, in der Industrie und Gewerkschaften an dem verkaufsfördernden Kennzeichen arbeiten. Bei der ITW will man nun endlich Taten sehen. Während internationale Experten noch darüber diskutieren, was eigentlich Nachhaltigkeit ist, würde die ITW am liebsten sofort ein Label für Tropenholz einführen. Auf einem Forstseminar in Köln erläutert ihr Geschäftsführer und Stoll-Vertrauter, Stefan Schardt, dem Publikum die Motive der "Kennzeichner": "Wenn man nicht sofort damit anfängt, kann man die Kennzeichnung vergessen, dann sind wir raus aus dem Geschäft." Der Grund ist ganz einfach, Schardt hat es erkannt: "Die Boykott-Kampagne gegen Tropenholz war besonders in Deutschland - äusserst erfolgreich. Wir haben heute grosse Probleme, das Holz zu verkaufen". Schardt ist in seinen Ausführungen erfrischend ehrlich. "Unsere Hauptaufgabe ist es, das schlechte Image des Tropenholzes wieder in ein Gutes zu verwandeln".
38 Prozent mehr sind ok
Im Kongo geht es um Grosses: tonnenschwere, meterdicke Sipo- und Sapellibäume, hochwertiges Funiermaterial für Möbel, Türen und Parkettböden. Gefällt werden die 400 bis 900 Jahre alten Urwaldriesen auf der Konzession der CIB des Bremer Holzhändlers Hinrich Lüder Stoll. Die CIB hat einen Vertrag mit der Regierung des Kongo. Bis 1989 erlaubte der Vertrag den Einschlag von 100.000 Kubikmetern Holz jährlich. Doch 1989 wurden über 137.457 Kubikmeter geerntet, eine Zahl, die Stoll selbst bestätigt. Die Rechtmässigkeit des erhöhten Einschlags liess er sich von kongolesischen Regierungsbeamten bestätigen. In komplizierten Zahlenspielen wurde erläutert, dass die CIB mehr abholzen durfte, als beantragt, da sie im Vorjahr weniger geerntet hatte und auch für das nächste Jahr ein zehn Prozent geringeres Einschlagsvolumen plante - Stoll hatte also einen "Bonus" im voraus. Nachdem runde 11.000 Kubikmeter abgezogen waren, die Stoll im Vorjahr angeblich weniger geschlagen hatte plus 10 Prozent "Bonus" für das Folgejahr, blieb laut Forstministerium schliesslich noch "eine realisierte Produktion von 115.968 Kubikmetern, für die Forsttaxen bezahlt werden müssen". Nach diesem Zahlengerangel (das nach den vorliegenden Gutachten nicht einmal korrekt ist) hatte Stoll also "nur noch" knapp 16.000 Kubikmeter mehr eingeschlagen als beantragt. Alles klar?
Fakt ist: Rettet den Regenwald darf jetzt nicht mehr behaupten, dass Stoll "mehr eingeschlagen hat als erlaubt" und ihn auch nicht als „Umweltkriminellen" bezeichnen. Dies entschied am 7. Juli das Landgericht Hamburg auf Antrag von Stoll. Ausserdem soll Rettet den Regenwald dem Holzhändler 3.000 Mark Schmerzensgeld zahlen. Stolls Ruf als "Experte", sein Einfluss, den er sich in all den Jahren - national wie international - erarbeitet hatte, war schwer angeschlagen. Um zu beweisen, dass die Vorwürfe gegen ihn nur aus haltlosen Behauptungen bestünden, scheute er keine Mühen. Ärgerlich für Stoll: Die Gutachter Karl-Hermann Schmincke und Francois Lumet, die kritische Berichte über Stolls Firma für die Weltbank und die deutsche Regierung verfasst hatten, widerriefen ihre Kritik nicht. Auch weiterhin gilt Schmickes Kritik der „Missachtung des Nutzungsplanes" im Jahre 1989. Francois Lumet, der in seinem Bericht für die Weltbank bemängelte, dass sich „im allgemeinen alle Konzessionen ausserhalb des Gesetzes bewegen", nahm nichts zurück.
Von Beamten im Kongo bekam der Bremer Holzhändler Schützenhilfe. Der Generaldirektor der Forstbehörden, Rigobert Ebonzo, bekräftigte in einem Brief, dass die CIB "innerhalb des durch die gültigen Gesetze vorschriftsmässigen Rahmen operiert". Schliesslich legt Stoll dem Gericht noch ein Schreiben aus dem Forstwirtschaftsministerium vor, in dem Herr Jaques Kanwe der CIB sämtliche Abgaben auf die "Überproduktion" wegen der "besorgniserregenden Situation des Unternehmens" erlässt. Über eben jenen Jaques Kanwe schrieb der Gutachter Schmincke im Auftrag des BMZ 1992, er sei „überwiegend mit persönlichen Geschäften befasst, die teilweise aus dem Aufforstungsfond finanziert werden. Fachlicher Horizont und Interesse sind eher beschränkt". Überhaupt gäbe es im Ministerium „praktisch keinen kompetenten, interessierten und engagierten Gesprächspartner, der über Einfluss verfügt".
Kontrolle unmöglich
Dass sich bis heute nichts gebessert hat, wissen Gutachter und GTZ-Mitarbeiter, die einmal vor Ort gewesen sind. Die GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) betreibt im Nordkongo ein Naturschutz-Projekt. Sie ist unmittelbare "Nachbarin" von Stoll. GTZler berichten, dass eine wirksame Kontrolle überhaupt nicht möglich sei, „die gesamte Verwaltung ist korrupt". Von Bürgermeistern ist die Rede, die illegal auf Trophäenjagd gehen, und von hohen Regierungsbeamten, die zufällig immer dann im Hafen anzutreffen sind, wenn Elfenbein verladen wird. De facto könnten die Holzhändler dort doch machen, "was sie wollen". Drei Millionen Mark hat die Deutsche Regierung für den Schutz des Waldes zugesagt. Nachdem die deutschen Waldexperten feststellen mussten, dass von der Bevölkerung keine Gefahr für den Wald ausgeht, besteht ihre Aufgabe jetzt darin, die schlimmen Auswirkungen des Einschlags zu beobachten und auf die Holzhändler einzuwirken. Immerhin geben die Experten an, dass die Zustände auf der Stoll'schen Konzession besser sind als auf den Nachbarkonzessionen, die Libanesen gehören. Sie sind wohl unbestritten die schlimmsten Vandalen im afrikanischen Regenwald. Allerdings handelt Stoll nicht nur mit seinem eigenen Holz, sondern mit tropischen Erzeugnissen aus aller Welt, die aus schlimmem Raubbau stammen. So kritisierte 1991 der deutsche Gutachter Schmincke, dass die Feldmeyer-Gruppe massiv bei der libanesischen Firma SEFCA einkaufte, „die sich besonders in der Waldvernichtung der Zentralafrikanischen Republik hervortut".
Bedroht wird der Wald im Nordkongo eigentlich nur durch die Holzhändler, darüber sind sich alle einig. Auch die amerikanische Umweltorganisation WCS (World Conservation Society), die im Nordkongo aktiv ist, bestätigt: „Es gibt keinen Druck von der Bevölkerung auf den Wald. Wären die Holzhändler nicht hier, könnten wir auch gehen."
Weltbank: Baumausrottung ist nachhaltig
Beteiligt an dem Holzgeschäft von Stoll ist die International Finance Corporation (IFC), eine Schwesterorganistion der Weltbank. Sie bewilligte der CIB in den achtziger Jahren Kredite von insgesamt 2,25 Millionen Dollar um "bei der Ausweitung der Logging-Operationen zu helfen". Die Weltbank hatte deshalb gute Gründe, auf die kritischen Veröffentlichungen zu reagieren. Nach all dem Wirbel um Stoll liess die Bank das schweizer Unternehmen „Société Général de Surveillance" (SGS) ein Gutachten über die Konzession erstellen. SGS ist ein echter Multi mit Tausenden Mitarbeitern und stellt weltweit Gutachten und Zertifikate aus. Die IFC stellte das Gutachten Stoll zur Verfügung, der nichts eiligeres zu tun hatte als es dem Hamburger Landgericht vorzulegen. Brisant: Das Gutachten stellt fest, dass Stoll auf seiner Konzession die Sipo- und Sapellibäume ausrottet. Gut für Stoll: die SGS, die in Zukunft weltweit Ökolabels ausstellen will, bewertet die Ausrottung als „Artendrift zu besser nachwachsenden und schneller wachsenden Arten". Deshalb sei „der Betrieb in dem Sinne ökologisch nachhaltig als das Ökosystem nach dem Schlagen bestehen bleibt". Auf Deutsch: die wertvollen jahrhunderte alten Bäume sind zwar weg, aber irgendwas wächst ja nach.
Mit diesem Gutachten sind die Weltbank und der Holzhandel höchst zufrieden. Wenn die Ausrottung von Baumarten auch noch umweltfreundlich ist, kann Mister Tropenholz nun wirklich nichts mehr falsch machen. Und die moralische Verantwortung liegt jetzt bei einer höheren Instanz: der Weltbank.
Reinhard Behrend /Susanne Breitkopf
Quellen:
Republique du Congo/Banque Mondiale/Ministere de l'agriculture, des eaux et forets: "Strucures regionales et production forestiere ", 1992
Karl Hermann Schmincke: "Plan d'action forestiere tropical, Rapport du consultant en Exploitation fore.sliere, Industrie du Bois et transport", März 1991
"Bericht über den Ablaufdes Forestry Action Plan in der Volksrepublik Kongo, April 1991
International Finance Corporation: "Proposed Senlement of IFC's investment in Congolaise Industrielle des Bois (CIB), S.A., A Jeopardy Case ", 1990