RegenwaldReport 01/1998
Bonobos und Holzhandel
von Karl Ammann
Wie mit einer Horde Kinder tollt Karl Ammann, 49, mit den jungen Bonobo-Schimpansen herum. Besonderes Vergnügen: die Affen kitzeln zur beiderseitigen Freude. Die seltenen Menschenaffen leben bei Claudine in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongo, und sie gedeihen prächtig. Dabei haben sie alle schon ein grauenhaftes Schicksal hinter sich: Die Mütter von Wilderern geschossen, die verängstigten, halb verhungerten Kleinen aus dem Urwald herausgeschmuggelt. Einige Tage nach diesem Affenspass steht Ammann vor geräucherten Bonobo-Leichen. Illegal gejagt und geröstet auf der Holzkonzession der deutschen Firma DANZER aus Reutlingen. Holzarbeiter werden billig ernährt mit gewilderten Tieren. Der Verkauf von gewildertem Fleisch ermöglicht den Familien der Holzarbeiter einen Zusatzverdienst. Löhne können niedrig und Tropenholz in Europa billig gehalten werden. Eigentlich dürfte Ammann gar nicht hier im Urwald zwischen den Holzarbeitern sein. Seinen Wunsch, die Holzkonzession offiziell zu besuchen, hatten die Manager der DANZER GmbH strikt abgelehnt. Man arbeite mit einheimischen Umweltorganisationen - um welche es sich dabei handelte wolle man nicht sagen. Ammann und andere Umweltschützer seien unerwünscht liess DANZER mitteilen. Aber der Schweizer Ammann, der seit Jahren als Fotograf in Afrika lebt und der Verein Rettet den Regenwald lassen sich durch solche Verbote von Holzhändlern nicht abschrecken. Trotz grosser Schwierigkeiten und Kosten hat Rettet den Regenwald eine Expedition in den abgelegenen Wald geschickt. Zusammen mit Ammann sind Mike Yelseth, ein südafrikanischer Kameramann, und Jef Dupain, ein belgischer Bonobo-Experte hunderte Kilometer ins Innerste Afrikas vorgedrungen. Einzige Verkehrsverbindung: ein Missionsflugzeug und dann weiter der Einbaum. Aussenbordmotor und Diesel mussten vorher den Fluss hochgeschafft, ein Satellitentelefon besorgt, einheimische Führer gefunden werden. Schliesslich, Mitte Januar 1998, sind die drei dort angekommen, wo die Holzhändler sie nicht haben wollen: mitten im Holzkamp von SIFORCO, der Tochterfirma von DANZER im Kongo. Im folgenden dokumentieren wir den Bericht von Karl Ammann. Nach der Reise sandte Ammann seinen Bericht sofort an die Firma DANZER (siehe Artikel „Besuch wirkt Wunder") und erreichte weitgehende Zusagen. Wir wollten vor allem wissen, wie es mit dem Bonobo-Bestand in dieser Region aussieht. Und welche Gefahr das Abholzen des Urwalds für den Erhalt dieser seltenen Schimpansenart, die sich seit der letzten Eiszeit nur am südlichen Ufer des KongoFlusses entwickelt hat, darstellt. Wir reisten während zweier Wochen an beiden Ufern der Flüsse Lopori und Yekokora entlang. Wir interviewten Dutzende von Dorfbewohnern, Angestellte von SIF0RC0, Missionare und Jäger. Wir überprüften alle unsere Informationen durch den Vergleich unterschiedlicher Quellen und kamen dabei zu dem Ergebnis, dass DANZER/SIFORCO auf vielen Wegen, direkt oder indirekt, in den kommerziellen Handel mit Buschfleisch und der illegalen Jagd auf Bonobos und andere geschützte Tierarten verwickelt ist. Die Firma DANZER hatte ihre Beteiligung bei der Jagd auf Primaten in Zentral-Afrika gegenüber den Umweltschutzorganisationen „World Society for the Protection of Animals" und Rettet den Regenwald dagegen immer bestritten. Die Verstrickung von DANZER/SIFORCO in die illegale Jagd und den Handel mit Buschfleisch beginnt schon, wenn die Arbeiter zum markieren der Bäume in den Urwald eindringen. Während sie zwei Wochen lang das Areal festlegen, auf dem dann abgeholzt werden soll, werden sie immer von Jägern mit je 50 Schuss Munition begleitet, die alles schiessen, was ihnen vor die Schrotflinte kommt, artengeschützt oder nicht, um sie mit Frischfleisch zu versorgen. Die Firma versorgt die Arbeiter mit der Munition. Wenn dann später die HolzfällerCrews morgens mit ihren Kettensägen auf Lastwagen zum Abholzen in den Wald fahren, sind auf jedem Truck professionelle Jäger dabei. Sie werden unterwegs an der Strasse abgesetzt und abends wieder eingesammelt. Als „Fahrgeld" geben sie einen Teil ihrer Beute ab. Ausserdem haben immer auch ein oder zwei Holzfäller ihr eigenes Gewehr und Munition dabei. Sie bekommen dann vom CrewChef einen Tag „Jagdurlaub", dafür bekommt er am Abend einen Teil ihrer Beute. Die meisten der 12-Zoll-Schrotflinten, die in dem oben beschriebenen Gebiet benutzt werden, sind in der Werkstatt der SIFORCO-Mentole-Konzession mit firmeneigenem Material und Werkzeug hergestellt worden. Die Jäger bestellen diese Flinten bei den Arbeitern der Mentole-Konzession, die Lieferzeit beträgt in der Regel zwei Monate. Aber auch die Stahlkabel, aus denen die Jäger ihre Schlingenfallen machen, in denen sich dann später Antilopen oder Gürteltiere verfangen, sind von SIFORCO. Früher assen die rund 200 Angestellten der Mentole-Konzession das in der Gegend gejagte Fleisch selbst. Aber seit zwei Jahren wird der grösste Teil des Buschfleischs auf SIFORCO-Booten und -Flössen in die Hauptstadt Kinshasa gebracht. Frauen der SIFORCO-Angestellten fahren auf den Firmenbooten zum Fleischverkauf in die Hauptstadt. Sie kaufen es von den Jägern. Verwaiste Bonobo-Babys, deren Mütter zur gleichen Zeit als besondere Delikatesse angeboten werden, gibt's dann auch zu kaufen. Der Preis: vier Dollar. Auch die Affenwaisen werden auf SIFORCO-Booten nach Kinshasa transportiert. Die SIFORCO-Boote werden auch benutzt, um die gesamte Gegend mit Munition zu versorgen. Zum grössten Teil scheint der Handel von den Bootskapitänen und dem SIFORCO-Personalchef, einem Mr. Lobilo kontrolliert zu werden. Wenn die Munition knapp wird, fliegt zuweilen auch das Unternehmensflugzeug den Nachschub ein. Die Patronen werden in Geschäften im Hafen von SIFORCO verkauft, auf dem Markt und vom Wohnsitz des Personalchefs aus. Am Tag unserer Abreise kamen 50 Kisten mit 2500 Schuss Munition im Hafen an. Schätzungsweise 50 bis 100 Bonobos kann man damit von den Bäumen schiessen. Jäger, die Gebiete durchstreiften, in denen SIFORCO abgeholzt hatte, beispielsweise Issanzani, Beongo, Mentole und Lomoko, erzählten uns, dass es dort praktisch keine Exemplare dieser friedliebenden Schimpansenart mehr gäbe. Auf jeden Fall keine Bonobo-Population, die genetisch überlebensfähig wäre. Um die verbliebenen Bonobos zu schützen müssen dringend Schutzgebiete eingerichtet werden. DANZER hat dem WWF angeboten, in einer der abgeholzten Konzessionen so ein Areal festzulegen. Das macht keinen Sinn, weil es dort keine Bonobos mehr gibt. Logischerweise kann man sie nur dort schützen, wo sie vorkommen. Notwendig ist also ein unberührtes Urwaldstück zum Schutz dieser Primaten. DANZER rühmte sich der kongolesischen Regierung 821 573 Hektar seiner Konzession für den Schutz der Bonobos zwischen dem Lomako-Fluss und dem Yekokora zurückgegeben zu haben. Merkwürdigerweise holzt DANZER aber mitten in diesem Gebiet weiter ab. Auch das angeblich von DANZER aufgegebene Beoge-Gebiet ist jetzt Teil einer neuen SIFORCO-Konzession. Merkwürdig auch, dass DANZER ein URSPRUNGSZEUGNIS der abgesetzten ehemaligen Regierung für sein Holz verwendet, in dem er SIFORCO die Einhaltung der Forstgesetze und den Einsatz neuster Techniken beim Abholzen bescheinigt. Wirklich erbärmlich ist die soziale Lage, die Not der DANZER-Arbeiter. Missionare erzählten uns, dass Arbeiter häufig keinen Lohn am Ende ihrer Arbeit für SIFORCO erhalten, sondern statt dessen mit fast unbrauchbaren Haushaltsgegenständen oder Ersatzteilen „bezahlt" würden. Auf dem Markt von Basankasu müssten sie dann versuchen, das Zeug zu verkaufen. Ein krasser Gegensatz von hochglanzpoliertem Versprechen und düsterem Dschungelalltag. DANZER behauptet: „SIFORCO unterstützt seine Arbeitnehmer mit Hirse, Reis und Maniok." Wir haben erfahren: Die Arbeiter haben noch nie auch nur ein DANZER-Getreidekorn gesehen. DANZER behauptet: „SIFORCO bietet kostenlose medizinische Versorgung der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer und aller Familienangehörigen sowie die schulische Ausbildung der Kinder." Wir haben erfahren: Es gibt zwar eine Werksapotheke mit einer Krankenschwester, aber keinen Arzt in der Nähe. Um den Schulunterricht ihrer Kinder zu sichern, haben die Eltern sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen und einen Lehrer eingestellt, den sie selbst bezahlen. DANZER behauptet: „Die in den Konzessionsgebieten arbeitenden Menschen leben mit ihren Familien in ihren traditionellen Dorfgemeinschaften nach ihren traditionellen Lebensgewohnheiten, die wir respektieren." Wir haben erfahren: Was wir vom Flugzeug aus filmten, waren vier Reihen Lehmhütten mit Strohdächern auf einer kahlen, von Bulldozern planierten Lichtung. Eine Ansiedlung, die eher einem Slumviertel glich als einem der traditionellen Dörfern. DANZER behauptet: „Die in den Konzessionsgebieten arbeitenden Menschen kommen, bis auf wenige Ausnahmen, aus den jeweiligen Regionen." Wir haben erfahren: In der MentoleKonzession kommt nur die Hälfte der Arbeiter aus der Region, noch weniger kommen aus dem Mongo-Stamm, dem der Wald gehört, in dem SIFORCO augenblicklich abholzt. DANZER behauptet: „Generell ist festzustellen, dass die Jagd in Afrika zu den traditionellen Rechten der eingeborenen Bevölkerung gehört." Wir haben erfahren: Die Jagd bei Danzer hat nichts mit Tradition zu tun. Zu traditionllen „Jagdrechten" gehören keine Schrotflinten, Patronen und Stahlschlingen, keine Jagd für den Handel, keine Lastwagen und Schiffe, auf denen das geräucherte Fleisch transportiert wird. Und auch nicht die Massen gebietsfremder Jäger, die über die von SIFORCO angelegten Landstrassen in die Konzessionsgebiete einfallen. Zurückgekehrt nach Kinshasa traf ich Kaiinka Kimanuka, den Vorsitzenden einer neuen Umweltorganisation im Kongo, die aus den Büros von SIFORCO heraus arbeitet, aber trotzdem unabhängig von DANZER ist. Kimanuka bekräftigte, dass seine Organisation ernsthafte Anstrengungen unternimmt, die restliche Bonobopopulation zu retten. Ich schlug vor, weil es für die Rettung der Bonobos schon fünf vor Zwölf ist, dass DANZER endlich meinen Besuch auf den SIFORCO-Konzessionen akzeptieren solle, damit ich gemeinsam mit Katinka Kamanuka und einem Vertreter von „Les Amis des Animaux au Congo" den Arbeitern vor Ort den Ernst der Lage klarmachen könne. Sie müssen begreifen, dass der Abschuss artengeschützter Tiere kein Bonus auf den Arbeitslohn darstellt, sondern das Aus bedeutet für alles Leben in ihrer angestammten Umgebung.