Verständnislos betrachten Europäer die Ausbeutung des Regenwaldes. Ein vorliegender Report zeigt: Sie selber sind die Täter.
Das Unheil am Mount Kamerun begann bereits vor hundert Jahren in der deutschen Kolonialzeit. Das Volk der Bakweri wurde enteignet, riesige Ölpalmplantagen angelegt. Die Deutschen sind lange weg, aber die Bakweri haben ihr Land nicht zurückerhalten. Stattdessen betreibt die staatliche Cameroon Development Cooperation (CDC) jetzt über 40.000 Hektar Gummibaum-, Bananen- und Ölpalmplantagen.
Die Bakweri weigern sich nach wie vor, auf ihrem Stammesland für fremde Herren zu arbeiten. Daher hat die Plantagengesellschaft Arbeiter aus anderen Gegenden des Landes und den Nachbarstaaten angeworben. So entstanden Siedlungen ohne lokale Tradition.
Für die Tier- und Pflanzenwelt sind Plantagen tödlich. Monokulturen ersetzen die Vielfalt des Lebens durch grüne Monotonie. Pestizide verseuchen die Landschaft. Wildtiere können grosse Schäden in den Pflanzungen anrichten. Bis vor kurzem wurden von der Plantagengesellschaft 85 Dollar Prämie für jeden abgeschossenen Elefanten gezahlt.
Inzwischen gibt es in dem ganzen Gebiet kaum noch Elefanten und andere grössere Tiere, die die Jagd lohnen. Was die Plantagen an Wald übrig gelassen haben, wurde von Jägern geplündert.
Wilderei für den Kochtopf
Die Jagd hat in Afrika eine lange Tradition. Schon immer fingen Bauern und Waldvölker Tiere mit Lianenschlingen oder jagten mit anderen traditionellen Mitteln. Die Jagd für den eigenen Kochtopf hat das Überleben der Arten nicht gefährdet. Doch jetzt sind neue Jäger und Waffen hinzugekommen.
Die Arbeiter der CDC bekommen einen Hungerlohn von etwa zwei Dollar pro Tag, so dass sie dazuverdienen müssen. Mit Stahlschlingen und selbstgebauten Gewehren wird alles Wild verfolgt, zum Teil zur Ernährung der Arbeiter, zum Teil auch zum Verkauf auf lokalen Märkten.
Noch verheerender sind professionelle Jäger, die aus anderen Landesteilen anreisen und ihre Jagdcamps direkt im Wald aufschlagen. Obwohl es am Mount Kamerun nicht mehr viel Wild gibt, kommen sie über Hunderte Kilometer angereist. Entscheidend ist die gut ausgebaute Küstenstrasse, die einen schnellen Transport der Beute in die Grossstadt Douala ermöglicht. Die kommerziellen Jäger benutzen moderne Gewehre, selbst automatische Waffen. Ihren oft über Kilometer im Wald ausgelegten Fallen und ihren Feuerwaffen entgeht kein Tier, das einen Schuss lohnt. Das Fleisch wird durch Räuchern und mit Chemikalien, zum Beispiel auch Formaldehyd, haltbar gemacht.
Trophäen aus dem Wald
Eine ganz andere Art von „Jägern" sind die „Pflanzen- und Tierliebhaber", die seltene Käfer, Orchideen oder Vögel für ihre Sammlung oder Schlangen und Echsen der Häute wegen suchen. Diese Art von „Naturliebhaber" ist in Europa, Amerika oder Asien beheimatet und bedroht seltene Tiere ganz besonders. Ganze Teams von Einheimischen sammeln im Wald, was selten und in Europa - tot oder lebendig - begehrt ist, Graupapageien, Aquarienfische, Schmetterlinge.
Der Handel mit geschützten Tieren ist statistisch nicht zu erfassen, da er überwiegend illegal abläuft. Dass es dabei nicht um kleine Geschäfte geht, belegt ein Hinweis im Nationalen Elefantenmanagementplan. „Ein Händler aus Douala hat im ganzen Land Jäger ausgesandt, um fünf Tonnen Elfenbein zu schiessen", heisst es dort.
Auch zur Herstellung von Medikamenten werden einige Pflanzen gesammelt, vor allem die Rinde des Prunus africana Baums. Sie wird in Frankreich zu einem Medikament gegen Prostataleiden verarbeitet. Völlig ohne Kontrolle werden die Bäume geplündert und die Bergwälder schwer geschädigt. Mit europäischer Entwicklungshilfe wurden Strassen zum Abtransport angelegt.
Um den Mount Kamerun haben Plantagen die Vielfalt an Pflanzen und Tieren dezimiert. Selbst der Korup Nationalpark konnte die Tiere nicht schützen. Dort gibt es inzwischen weniger Elefanten als ausserhalb des Parks.
Subvention der Löhne
Im Südosten Kameruns sind die Holzgesellschaften Motor der Plünderung.
In dem riesigen, dünnbesiedelten Gebiet gab es bis vor wenigen Jahren kaum Strassen. Erst die Holzfirmen öffneten den Wald und brachten 2000 Arbeiter aus anderen Landesteilen in die abgelegenen Waldgebiete.
Die Holzarbeiter jagen nicht nur zur eigenen Ernährung, sondern auch um ihre Hungerlöhne aufzubessern. Die Strassen und Fahrzeuge der Firmen sorgen für den Abtransport des Wildfleisches in die grossen Städte. So subventioniert das Land Kamerun mit der Ausplünderung seiner Tierwelt die niedrigen Löhne der Holzfirmen.
Neben den Wilderern, die Fleisch für die Ernährung jagen, gibt es im Osten auch Trophäenjäger. Sie kommen aus den USA, Europa und Mexiko, um zum Vergnügen Elefanten, Bongo oder Elenantilopen zu schiessen und Stosszähne und Hörner als Trophäe mit nach Hause zu bringen. Diese Art von perversem „Vergnügen" wird leider auch von der Entwicklungshilfe unterstützt.
Bezahlt wird von Ausländern eine Millionen CFA, etwa 3200 DM, für den Abschuss eines Elefanten. Ist der Stosszahn dem Hobbyjäger zu klein, wird das Tier im Wald versteckt und neue Beute geschossen.
Für die Dorfbewohner ist es völlig unverständlich, dass Gesetze ihnen die Jagd verbieten, die reichen Weissen aber streng geschützte Tiere schiessen.
Gesetze fördern Gesetzlosigkeit
Weisse Experten haben praktischerweise auch an den Gesetzen mitgewirkt. Unter dem Druck der Weltbank entstand 1994 ein Forstgesetz, das der Regierung alle Rechte an den natürlichen Vorkommen von Pflanzen und Tieren gibt. Jagdgesetze reglementieren die Jagd. Würde man sich an die Gesetze halten, wäre fast alles verboten. Für fast jede Jagd ist ein Permit notwendig, und auch für Drahtschlingen und Gewehre braucht man eine Genehmigung. Doch in der Praxis braucht man für alles nur Schmiergelder. Selbst Exportlizenzen für Trophäen von bedrohten Tierarten oder lebende Wildtiere gibt es gegen Schmiergeld. Für die Beamten, die mit dem Ausstellen solcher Lizenzen beauftragt sind, ist der Job wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Landrechte abgeschafft
Gesetze, die den Volksstämmen jede Kontrolle über ihr angestammtes Land nehmen, gehen bis auf die Kolonialzeit zurück. Die europäischen Herren machten den ganzen Wald einfach zu ihrem Staatseigentum. Die traditionellen Besitzrechte der Stammesvölker wurden abgeschafft. Was schon Anfang des Jahrhunderts begann, wurde auf Druck der Weltbank 1974 zum nationalen Gesetz. Alles Land gehörte nun dem kamerunischen Staat. Angeblich ging es darum, das Land vernünftig zu nutzen. Für die Weltbank ist es natürlich auch wichtig, dass der Staat Besitz und Einnahmequellen hat, denn der Staat und nicht die Stammesvölker sollen die Schulden und Zinsen an die Bank zahlen. Ganz stolz war die Weltbank, dass das Forstgesetz auch Dörfern die Möglichkeit gibt, ein Stück Wald zur Bewirtschaftung zu erhalten. In der Praxis funktioniert das jedoch nicht, da die Bürokratie für die Dörfler einfach unüberwindbar ist.
In der Praxis landet das Geld aus den Holzkonzessionen nicht in der Staatskasse. „Es werden nur sehr wenig Steuern in der Forstwirtschaft von Kamerun eingetrieben", heisst es in dem vorliegenden Report.
Rohstoffe billig exportiert
Das einzige, was Kamerun zu verkaufen hat, sind seine Rohstoffe. 43 Prozent der Einnahmen Kameruns kommen aus dem Erdöl, das vor der Küste gefördert wird. Kautschukexport macht 5 Prozent, Kaffee 9 Prozent, Bananen 4 Prozent, Baumwolle 8 Prozent und Kakao 13 Prozent der Exporte aus. 17 Prozent der offiziellen Einnahmen kommen aus dem Holzexport. Gewerbliche oder industrielle Waren werden praktisch nicht exportiert.
Fallende Weltmarktpreise für alle diese Rohstoffe haben die wirtschaftliche Lage Kameruns in den letzten Jahren extrem verschlechtert. Seit Mitte der 80er Jahre ging das ProKopf-Einkommen jedes Jahr um etwa 6 Prozent zurück. Von Aussen kam keine Hilfe, nur weiterer Druck auf das Land und damit auch auf die natürlichen Ressourcen.
Der Internationale Währungsfonds verordnete strenge Sparmassnahmen. Folge: Bis zu 60 Prozent der Staatsangestellten mussten entlassen werden. Als erstes wurden Fahrzeuge der Forstbeamten verkauft. Wenn die Aufseher jetzt die Holzgesellschaften kontrollieren wollen, müssen sie um Mitfahrgelegenheiten bei den Abholzern bitten, die sie überprüfen sollen. Entwicklungshilfe fördert gern, was schnell Devisen ins Land bringt, damit Schulden und Zinsen gezahlt werden können. Frankreich fördert zum Beispiel intensiv den Anbau von Baumwolle, obwohl die Pflanze riesige Mengen an Pestiziden braucht, alle andere Vegetation vernichtet wird und
der Boden schnell erodiert.
Die Währung des Landes, der CFA, ist an den französischen Franc gebunden. 1994 wurde der CFA um 50 Prozent abgewertet. Die Folge: Für die Holzgesellschaften kosten die Lohne nur noch die Hälfte, während sie das Holz auf dem Weltmarkt unverändert teuer verkaufen. Ein gigantischer Holzboom ist die Folge, eine Wirtschaftsankurbelung auf Kosten der Arbeiter, des Waldes und der Zukunft des Landes. Nachhaltige und dauerhafte Forstwirtschaft gibt es im ganzen Land nicht.
Die Menschen in Kamerun erzählen, dass es früher „Antilopen und Affen gleich hinter den Hütten am Dorfrand gab." Jetzt müsse man kilometerweit laufen, um ein paar Buschratten zu fangen. Trotzdem glauben die Menschen in Kamerun, dass der Vorrat an Wildtieren nie zu Ende gehen kann. Was man nicht glauben will, wird einfach verleugnet.
Was ist zu tun?
• Unwissenheit ist ein Hindernis für jede Entwicklung. Aufzuklären über die vorsichtige und dauerhafte Nutzung von Ressourcen, Alphabetisierung, damit mehr Menschen überhaupt lesen können, wäre ein grosser Schritt voran.
• Entwicklungshilfe, die dem Land erlaubt, gewerbliche und industrielle Produkte zu entwickeln und damit Arbeitsplätze zu schaffen, wäre wünschenswert.
• Was immer auch das Ausland Kamerun an Wirtschaftsreformen, Privatisierung von Staatsbetrieben, internationalen Handelsvereinbarungen oder Krediten aufdrängt, muss zuvor auf die sozialen und Umweltauswirkungen geprüft werden.
• Die Verbraucher in den Industriestaaten müssen sich bewusst werden, dass sie mit der Nachfrage nach Wildtierhäuten, Elfenbein, Jagdtrophäen, Shrimps, Bananen, Baumwolle, Aquarienfischen, Ananas, Kaffee, Papageien, Tee, Palmöl in Margarine oder Kerzen auch gleichzeitig tropische Lebensräume verbrauchen.
Informationen nach der Untersuchung „The Case Of Wildlife And Bushmeat Trades In Cameroon " (Draft).