RegenwaldReport 01/2000
Hetzjagd gegen Indianer
Brasilien: Sie sind weiß, mächtig und wollen noch reicher werden: Die Bosse im brasilianischen Roraima bekämpfen die Rechte der Indianer bis aufs Messer.
Padre Giorgio Dal Ben ist in Lebensgefahr. Seit die Lokalpresse von Boa Vista, Hauptstadt des nordbrasilianischen Bundesstaates Roraima, mehrfach ein Bild des italienischen Missionars veröffentlichte, gilt dieser nach den ungeschriebenen „Gesetzen" der Viehzüchter und Goldsucher als vogelfrei. Dal Bens „Verbrechen" besteht darin, dass er seit mehr als 25 Jahren in Roraima für Indianerrechte kämpft und die Einrichtung eines großräumigen Schutzgebietes massiv unterstützt. Ende 1998 schien bereits alles klar zu sein. „Endlich haben die Indianer ihr Territorium bekommen", meldete der Padre nach Europa. Damals wurde den etwa 12.500 Indianern der Völker Macuxi, Ingaricö, Wapishana und Taurepang, die seit 30 Jahren um ihr Land kämpfen, ein geschütztes Gebiet von 16.780 Quadratkilometern durch die Unterschrift des Justizministers zugesagt. Bis heute warten sie vergeblich auf die Einlösung des Gesetzesentwurfs. Dabei fehlt zur rechtskräftigen Besiegelung des Schutzgebietes „Raposa/Serra do Sol" nur noch die Unterschrift des brasilianischen Präsidenten Cardoso. Der aber kuscht bisher offensichtlich vor einer großen Allianz der Mächtigen in Roraima. Dort versuchen inzwischen weiße Politiker, Goldsucher und Farmer mit Hetzparolen und Übergriffen gegen die Indianer und ihre Unterstützer, die Schaffung des Reservates zu verhindern und die Interessen von Bergbaufirmen und Regionalpolitikern durchzupauken. Pünktlich zum 500sten „Geburtstag" Brasiliens! „Da oben herrscht Krieg", warnte Padre Dal Ben kürzlich und meinte die explosive Situation nördlich der Hauptstadt, wo 200 'Indianer wochenlang eine Straße Richtung Guayana blockierten und sämtliche Fahrzeuge nach Alkohol, Treibstoff und Waffen für die „Garimpeiros", die Goldsucher, filzten. Unterstützt wird ihre Forderung nach einem Schutzgebiet vom CIR (Conselho Indigena de Roraima/Indianerrat von Roraima), großen Teilen der nationalen Indianerschutzbehörde FUNAI (Fundacao National do Indio) und der katholischen Kirche. Umgekehrt hetzen mit Duldung der brasilianischen Bundesregierung regionale Wirtschaftsbosse und das politische Establishment von Roraima gegen die Indianer und drohen unverhohlen mit Gewalt. Ihr Argument: die Ausweisung von Indianergebieten würde den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt in der Region blockieren. Es geht um Gold, Diamanten und Land für Rinderfarmen. Schützenhilfe bekommen die Agitatoren von den örtlichen Medien, die damit indirekt zu Gewalt gegen die Indianer und ihre Helfer aufrufen. 4. März 2000: Die beiden Nonnen Shirley Weber und Edna Pirelli wollen mit ihrem Transporter eine Gruppe von Indianern in ihr Dorf zurückbringen. Bei Kilometer 100 auf der Bundesstraße 174 (Boa Vista/Venezuela) entdecken sie, dass sie von einem Fahrzeug verfolgt werden. Auf der Brücke über den Rio Ereu versperrt der Wagen ihnen plötzlich den Weg, ein zweites Fahrzeug taucht auf. Umringt von 30 Männern, darunter diversen Grundbesitzern, werden die Indianer und die Schwestern zum Aussteigen gezwungen. Den Transporter stoßen die Provokateure einfach in den Fluss. Später berichten die Bedrohten, sie hätten wüste Beschimpfungen und Demütigungen über sich ergehen lassen müssen. Sogar auf ihrem anschließenden 30 Kilometer langen Fußmarsch seien sie weiter von den Großgrundbesitzern aufs heftigste bedroht worden. Die Folge solcher Vorfälle ist eine tiefe gesellschaftliche Spaltung, welche sich auch durch das indigene Lager zieht. Durch Bestechung gelang es, Teile der eingeborenen Bevölkerung für die Interessen der Großgrundbesitzer mobil zu machen. Entstanden sind „oppositionelle" Indianerorganisationen, von denen eine aus einer einzigen Person besteht und die insgesamt nicht mehr als 10 bis 15 Prozent der indianischen Bevölkerung ausmachen. Angeführt wird die Kampagne gegen das Schutzgebiet von den drei wichtigsten politischen Gruppierungen Roraimas unter Führung des Gouverneurs Neudo Ribeira Campos. Angeschlossen haben sich die meisten Großgrundbesitzer. Die Allianz fordert, das Schutzgebiet um 4.000 Quadratkilometer zu beschneiden, wodurch es in mehrere Teile zerfiele. Um der Kampagne Nachdruck zu verleihen und den politischen Druck gegen die Demarkierung zu erhöhen, hat der Gouverneur angedroht, in dem Indianergebiet den Strom abzuschalten und die Schulen zu schließen, sollte die Ausweisung des Gebietes von „Raposa/Serra do. Sol" in den Grenzen, die dem Präsidenten jetzt zur Unterschrift vorliegen, rechtskräftig werden. Seit vielen Jahren schon kämpfen die Indianer in Roraima für die Anerkennung ihrer Landrechte, um sich besonders vor eindringenden Goldsuchern besser schützen zu können. Unterstützt werden sie von Regenwald- und Menschenrechtsgruppen aus aller Welt. Staatspräsident Cardoso könnte mit einem Federstrich besiegeln, was Padre Giorgio schlicht „Gerechtigkeit" nennt. pac