RegenwaldReport 04/2007
Waldraub für Plantagen
TV-Journalistin Inge Altemeier recherchierte im „verbotenen“ Land der Ureinwohner von Papua. Ihr Fernsehfilm dokumentiert deutlich, wie skrupellos Investoren und Plantagenbetreiber Menschen vertreiben und Regenwälder abholzen.
Kasimirus Sanggara ist ein heiliger Mann. Er stammt vom Volk der Kanume. Nur noch 300 Kanume- Familien mit einer eigenen Sprache leben in den Sumpfwäldern Süd-Papuas im Osten Indonesiens. Sie jagen und sammeln und schützen den Regenwald,der für sie heilig ist. Der TV-Journalistin Inge Altemeier aus Hamburg ist es gelungen, in diese für Journalisten verbotene Region Indonesiens von den Ureinwohnern eingeladen zu werden. Internationale Investoren, indonesische Konzerne und die Regierung in Jakarta haben einen Masterplan: 26 MillionenHektar Wald, eine Fläche, so groß wie Großbritannien, sollen in Palmöl-Monokulturen umgewandelt werden. Es geht um Agrarsprit für unsere Autos. Indonesien ist auf dem Sprung, der weltweit größte Palmölproduzent zu werden. Dadurch sind auch die Regenwälder des Kanume-Volkes bedroht. Der westliche Teil Papua Neuguineas wurde, in den Sechzigerjahren von Indonesien annektiert. Seitdem ist die indonesische Armee mit über 100.000 Soldaten im Land. In den letzten Jahren gab es immer wieder Auseinandersetzungen mit den indigenen Völkern und ihrer Befreiungsbewegung OPM. Viele Papuas sind geflohen. Das Volk der Kanume ist geblieben.
Kasimirus ist das Oberhaupt der Männer, seine Frau Augustina Sanggara das Oberhaupt der Frauen. Treffpunkt für eine Versammlung ist ein riesiger Bambusbaum. Mit Schweinegebissen behängt, ist er auch der Totempfahl. Vertreter von fünf Margas (Clans) sind gekommen, um Neuigkeiten zu erfahren.
Mit dabei ist Albert Onoka Moyouend,ein gewählter Vertreter der Papua Völker und ihr Sprachrohr gegenüber der indonesischen Regierung. Er lebt in Merauke und gehört zu den wenigen Papuas mit einem höheren Schulabschluss.
Albert berichtet über den Plan der Firma Sinar Mas, hier Regenwald in Palmöl- Plantagen umzuwandeln. „Die haben mir gesagt, wenn wir euch das erzählen, könnte es sein, dass ihr Ärger macht. Die Regierung will, dass Investoren gut behandelt werden.“
Der World Wide Fund for Nature (WWF) arbeitet am sogenannten „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“ mit den Investoren zusammen, wobei die lokalen Büros der NGOs mitbestimmen, welches Land umgewandelt werden darf. Merkwürdig: In Deutschland lehnte der WWF Palmöl aus Indonesien noch vor Kurzem strikt ab. Am 5. Oktober 2007 hat Eberhard Brandes, Geschäftsführer WWF Deutschland, an Landwirtschaftsminister Seehofer gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen wie BUND, NABU und Greenpeace geschrieben: „Es dürften keine nachwachsenden Energierohstoffe aus Ländern mit Gewaltkonflikten zertifiziert und importiert werden (wie zum Beispiel aus Kolumbien und Indonesien), wo die Lokalbevölkerung vertrieben und Menschenrechte durch (Para-)Militärs verletzt werden.“
Genau das ist in Indonesien der Fall. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben in den vergangenen Jahren Hunderte Fälle von gewaltsamen Vertreibungen durch Handlanger der Palmöl-Konzerne dokumentiert. Angeblich geht es bei der Neuinvestition von Sinar Mas in Papua ausschließlich um ungenutztes Brachland. Und das wird gemacht: Im Süden Papuas, in Merauke, liegen riesige Sumpfwälder. Sie sind die einzige Wasserquelle. Wenn dort Palmölmonokulturen entstehen, trocknen die Sümpfe aus. Die Folge: Viele Hunderttausend Hektar neues Brachland.
Sinar Mas hat sich verpflichtet, sich an die Nachhaltigkeitskriterien vom Runden Tisch zu halten. So darf für Palmölplantagen kein Regenwald abgeholzt werden. „Gerne hätten wir auf den Plantagen von Sinar Mas nachgeschaut und uns ein Bild gemacht, aber die indonesische Regierung erteilte uns keine Drehgenehmigung für West-Papua. Aber uns wurde heimlich gedrehtes Material zugespielt“, berichtet Inge Altemeier.
Die Ölmühle von Sinar Mas ist für Zivilisten nur übers Meer zu erreichen, denn dort wird ein schmutziges Geschäft betrieben. Die Beweise der heimlich gedrehten Bilder sind eindeutig. Überall Spuren der Abholzung. Für die Palmöl- Plantagen müssen Urwaldriesen weichen. Das Geschäft mit dem Tropenholz boomt noch zusätzlich, auch wenn es längst verboten ist. Und nirgendwo gibt es noch so viele tropische Edelhölzer wie in den Wäldern West-Papuas. Die indonesische Armee ist mit im Geschäft.
Um weitere Informationen zu erhalten, musste Inge Altemeier nach Jakarta auf die 3.000 Kilometer entfernte Insel Java fliegen. Ins Headquarter des Sinar Mas- Konzerns. Ein Unternehmen, das Zellstoff, Papier und Palmöl produziert. Mit mehr als 30 Tochterfirmen. Eine davon ist PT Smart, zuständig für Palmöl.
Daud Dhasono, der leitende Direktor und gleichzeitig im Vorstand vom Verband der indonesischen Palmölproduzenten: „In Indonesien gibt es überall ungenutztes Land und das müssen wir unbedingt bepflanzen. Große Plantagen mit Nutzpflanzen wie zum Beispiel Ölpalmen sind äußerst sinnvoll. Indonesien kann es sich nicht leisten, weiter mit Urwäldern zu leben, die unproduktiv sind“, sagt der Firmenchef.
Inge Altemeier reist mir ihrem Team auf die Insel Sumatra und sucht auch hier nach diesem ungenutzten Land. Nach Aussagen des WWF und des Runden Tisches soll es mindestens 20 Millionen Hektar in ganz Indonesien davon geben. Allein im Distrikt Jambi auf Sumatra werden 65.000 Hektar neue Palmöl-Plantagen für Agrardiesel angelegt. Bei so viel Bedarf müssen auch Wälder weichen. Dafür erhält kein Konzern offiziell eine Genehmigung. Trotzdem wird abgeholzt. Sinar Mas ließ über Nacht den Wald, der laut Grundbucheintragung dem Dorf Karang Mendapo in der Provinz Jambi gehört, einfach abholzen.
Brandrodung ist der schnellste und günstigste Weg, das Land für Palmölplantagen urbar zu machen. Der Inselstaat ist inzwischen der drittgrößte Treibhausgasproduzent weltweit. Trotz Verbotes lodern auch 2007 wieder die Flammen.
Auf Nachfrage gab Daud Dhasono sich völlig unschuldig und behauptet: „Ja, in Indonesien brennt der Wald, aber wir haben eine festgelegte Unternehmenspolitik, die besagt, dass kein einziges Stück Wald abgebrannt wird. Wir roden den Wald mit Maschinen.“
Zurück in Jambi: Auf der Plantage der Firma KDA, die zum Sinar Mas-Konzern gehört, brannte es zuletzt im September 2006. Hier wurden „Urwaldreste“ verfeuert. Mithilfe von internationalen Geldgebern investiert Sinar Mas mehr als fünf Milliarden Euro ins Palmölgeschäft. Mit dabei die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau mit 136 Millionen Euro. Der Preis für den grünen Kraftstoff ist schon jetzt um 20 Prozent gestiegen. Der Landhunger ist kaum zu stillen. Die Folge: Landkonflikte mit den Bauern. „Ich bin wütend. Diese Ölpalmen stehen auf meinem Land, aber ich bekomme nichts von den Früchten. Seit sie uns vor vier Jahren einfach unseren Nutzwald genommen haben, gehen wir leer aus“, sagt der Bauer Somat aus Sarolongun in Jambi. Die Palmöl-Opfer reisen in die Provinzhauptstadt, um vor dem Rathaus zu protestieren. „Wir sind betrogen worden von der KDA! Gebt uns unser Land zurück!“, rufen sie. Endlich hat Somat die Möglichkeit, sein Anliegen vorzutragen. Denn seit 2005 werden die Stadträte direkt gewählt und auch die Stimme der kleinen Leute zählt. Im Rathaus weiß man zunächst nichts von der Sache, denn die Manager der Firma KDA tun alles, um die Landkonflikte zu vertuschen. Die Bauern legen ihre Besitzurkunden vor. Der Bürgermeister stellt sich auf ihre Seite.
Auf Regierungsbeschluss muss Sinar Mas das Land zurückgeben, samt draufstehender Palmöl-Plantage. Ein großer Erfolg. Allerdings müssen die Pflanzen regelmäßig gedüngt werden. Der chemische Dünger ist nicht nur schlecht für das Portemonnaie, sondern auch für die Umwelt. Er vergiftet Land und Wasser. Es dauert lange, bis die Palme endlich Früchte trägt. Erst nach drei bis fünf Jahren kann man ernten.
Die Palmnüsse, aus denen das Öl gepresst wird, müssen innerhalb von 24 Stunden verarbeitet werden. Sonst vergammeln sie. Die Kleinbauern haben keine Transportmöglichkeit zu den Ölmühlen, die den großen Konzernen wie zum Beispiel Sinar Mas gehören. Sie sind die alleinigen Abnehmer. Deshalb bestimmen sie die Preise. An den großen Gewinnen sind die kleinen Leute nicht beteiligt.
Klimakiller Palmöldiesel
Angeheizt durch den Energiedurst der westlichen Welt und ausgeführt durch Konzerne wie Sinar Mas, ist in Indonesien der Agrardieselwahn ausgebrochen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, verlieren 45 Millionen Indonesier ihre Existenzgrundlage. Längst reichen die Flächen auf Sumatra und Kalimantan nicht mehr aus, um den Pflanzenölbedarf der Welt zu stillen. Der Bedarf an Anbauflächen wächst. Land wird knapp. Auch der Wald in Papua ist schon vergeben. Die Kanume haben keine Besitzurkunden. Für sie gehören Wald und Mensch zusammen.
„Wir haben drei Oberhäupter: Die Natur, unsere Ahnen und die Regierung. Und ich bin die Regierung, weil ich mich in der Welt meines Volkes der Kanume und der Natur auskenne.“, sagt Häuptling Kasimirus Sanggara. „Unsere Ahnen haben bestimmt: Hier wird kein Baum abgeholzt. Der Wald ist heilig und wir, das Volk der Kanume, sind die Schützer dieses Waldes.“
Der Dokumentarfilm von Inge Altemeier kann als DVD bei uns bestellt werden.