RegenwaldReport 02/2008
Deutscher Bundestag fordert: Das Öl soll im Boden bleiben
Fast eine Milliarde Barrel Öl liegen unter der Erde des Yasuní-Nationalparks in Ecuador. Für den Verzicht, diese Vorkommen zu fördern, will die Regierung entschädigt werden.
Über der Erde ist alles grün. Kristallklare Flüsse fließen vorbei an mächtigen Baumriesen. Auf einem Quadratkilometer gibt es mehr Baumarten als in ganz Europa. Die Rufe der Papageien und das Geheul von Brüllaffen tönen durch die Wipfel. Das Gebiet in der nordwestlichen Amazonas-Region Ecuadors ist nach dem Fluss Tibutini und den indianischen Namen Ishpingo und Tambucocha benannt, kurz ITT, und gehört zum Yasuní-Nationalpark. Der ist eines der Naturparadiese Südamerikas. Hier leben mehrere indigene Stämme, unter ihnen die Huaorani, Taromenani, Tagaeri und Oñamenane.
Doch ein paar Hundert Meter tief in der Erde des ITT-Gebiets liegt die große Bedrohung für den Urwald und seine Bewohner verborgen: Fast eine Milliarde Barrel Öl, die größte Reserve Ecuadors. Und ausländische Interessenten, die das Öl zusammen mit der staatlichen Gesellschaft Petroecuador ausbeuten wollen, stehen Schlange.
Umso überraschender kam der radikale Vorschlag, mit dem die ecuadorianische Regierung im Juni vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit trat: Für den Verzicht, diese reichhaltigen Ölvorkommen zu fördern, solle sich die internationale Gemeinschaft an den Einnahmeausfällen beteiligen und pro Jahr 350 Millionen Dollar aufbringen. Hintergrund des Vorstoßes der Regierung Rafael Correas ist die Diskussion um die sogenannte „Klimagerechtigkeit“. Dieser Begriff meint, dass die Industrieländer Verpflichtungen gegenüber der Dritten Welt anerkennen müssen, da sie den größten Teil der klimaschädlichen Treibhausgase produzieren. Dessen negative Folgen treffen jedoch am Härtesten die armen Länder des Südens, weshalb der Norden für seine Umweltschulden entsprechend zahlen solle.
„Klimagerechtigkeit“ für die Länder des Südens
Der kleine Andenstaat Ecuador mahnt nun eine konkrete Umsetzung an - mit dem Ziel, ein weltweit einmaliges Biosphärenreservat zu erhalten und die dort lebende indigene Bevölkerung zu schützen. Das Yasuní-Schutzgebiet wurde 1989 in das Biosphärenschutzprogramm der UNESCO aufgenommen.
Dass Ecuador nun überlegt, die riesigen Ölvorkommen im Boden zu lassen, hat vor allem auch mit den katastrophalen Erfahrungen der 40-jährigen Ölförderung im Land zu tun: Sie hat zu einer großflächigen Verseuchung ganzer Landstriche geführt, wo der Ölmulti Chevron Texaco Milliarden Liter hochtoxischer Rückstände hinterlassen hat.
Kompensationszahlungen statt Ölförderung
Damit dem ITT-Gebiet nicht das gleiche widerfährt, hat der – mittlerweile zurückgetretene – Energieminister Alberto Acosta die Idee der Kompensationszahlungen für den Verzicht der Ölförderung entwickelt: Verschiedene Geber sollen die Hälfte der erwarteten Einnahmeausfälle als Beitrag zur Erhaltung des Ökosystems Yasuní finanzieren. Dies wären nach aktuellen Berechnungen 350 Millionen US-Dollar pro Jahr über einen Zeitraum von 13 Jahren. Die ecuadorianische Regierung selbst will die andere Hälfte tragen.
Präsident Rafael Correa hat eine Frist von einem Jahr gesetzt, innerhalb derer verbindliche Zusagen für etwaige Kompensationszahlungen abgegeben werden sollen. Sollte bis dahin die Finanzierung nicht gesichert sein, so ist davon auszugehen, dass der Schutzstatus aufgehoben und das Ölfeld im ITT-Gebiet zur Erschließung freigegeben wird.
Nicht zuletzt diese Androhung hat dazu geführt, dass Kritiker von einem Erpressungsversuch der ecuadorianischen Regierung sprechen. Der deutsche Bundestag hat auf Anregung der Grünen einstimmig die Bundesregierung aufgefordert, sich bei der Regierung Ecuadors für eine Verlängerung der Frist bis zum Ende des Jahres einzusetzen, „um eine genauere Prüfung der Vorschläge zu ermöglichen“.
Denn bislang ist eine Reihe von Fragen noch ungeklärt. Zum Beispiel, wie und von wem die Kompensationszahlungen geleistet werden sollen. Ein Kapitalfonds wäre ebenso möglich wie die Ausgabe von Schuldscheinen. Neben einem Schuldenerlass für Ecuador wären auch Beiträge von einzelnen Staaten und NGO‘s, aber auch von Einzelpersonen denkbar.
Sicher ist allenfalls, dass der ecuadorianische Vorstoß schon jetzt eins bewirkt hat: Er hat die Debatte um notwendige Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz um einen interessanten Ansatz erweitert, der die bisherigen Muster radikal durchbricht.
Rettet den Regenwald unterstützt die indigenen Stämme im Yasuní-Nationalpark. Organisationen wie Acción Ecológica und Save Americas Forests arbeiten bereits mit den Huaorani zusammen. Rettet den Regenwald möchte diese Bemühungen finanziell unterstützen und bittet um Spenden. Kreuzen Sie dazu im Spendenformular auf der Rückseite des Reports dieses Projekt an.