Regenwald Report 05/2010
Gold oder Leben
Das Grubenunglück und die Rettung der Arbeiter brachten Chile weltweit in die Schlagzeilen. Doch in ganz Lateinamerika zerstört der Bergbau die Natur und das Leben der Menschen. Ihre Proteste müssen endlich Erfolg haben – eine Geschichte aus Costa Rica
Rosibel Porras ist im Hungerstreik. Die 51-jährige Mutter demonstriert seit dem 8. Oktober vor Costa Ricas Präsidentenpalast in San José, zusammen mit zwölf weiteren erzürnten Bürgern. Sie sind Mitglieder des Protestbewegung Ni Una Sola Mina (Keine einzige Mine). „Wir wollen, dass Präsidentin Laura Chinchilla uns anhört. Die große Mehrheit der Bevölkerung unseres Landes lehnt die Zerstörung der Natur und den Einsatz von tödlichen Chemikalien wie Zyanid ab“, erklärt Rosibel Porras.
Grund für den Hungerstreik ist das geplante Goldminenprojekt im Regenwald von Crucitas. Präsidentin Chinchilla trat ihr Amt im vergangenen Jahr mit dem Versprechen an, ein Moratorium für den Metallbergbau zu erklären. Stattdessen gab sie grünes Licht für die Minengesellschaft Infinito Gold Ltd. Bereits ihr Amtsvorgänger Oscar Arias hatte den Goldabbau in Crucitas zum „nationalen Interesse“ erhoben, trotz zahlreicher Mängel bei den wissenschaftlichen, technischen und umweltrechtlichen Genehmigungen. Die Naturschützer haben deshalb Klage gegen den Staat erhoben. Die Gerichtsentscheidung steht noch aus. „Mutter Erde verträgt keine weitere Zerstörung mehr. Wir sollten den Ökotourismus und die biologische Landwirtschaft stärken und nicht den schädlichen Goldabbau“, sagt Rosibel Porras.
Der Bergbau bedroht auch die äußerst seltenen Bechstein-Aras
Costa Rica ist für seine unschätzbare Artenvielfalt berühmt. Crucitas liegt in San Carlos im Norden des Landes in einer fragilen und sehr feuchten Region. Die Mine befindet sich mitten im biologischen Korridor von San Juan-La Selva, der die Regenwälder von Costa Rica mit dem großen mittelamerikanischen Waldgürtel verbindet. 130 verschiedene Baumarten wachsen hier pro Hektar. Mindestens elf davon sind bedroht oder auf kleine Populationen reduziert. So wie die mächtigen Almendro-Bäume, die zugleich Nist- und Futterbaum vieler vom Aussterben bedrohter Vogelarten sind. Das Leben des prächtigen und bis 85 Zentimeter großen Bechstein- Aras (Ara ambiguus), von dem es nur noch 3.700 Exemplare in Freiheit gibt, ist untrennbar mit den Urwaldriesen verbunden. Die Aras nisten in den alten und meist hohlen Bäumen, deren Früchte zugleich die Hauptnahrung der Vögel sind. Beide Arten, Papagei und Almendro-Baum, sind für die Umweltschützer zum Symbol des Widerstandes geworden.
Gold für den Export bedeutet Zerstörung für Costa Rica
Die von dem Crucitas-Minenprojekt ausgehende Umweltzerstörung bedroht die Ökologie der ganzen Region. Ein riesiges Loch würde in die Erdkruste gesprengt, um im Tagebau aus 16 Millionen Tonnen zermahlenen Gesteines 22 Tonnen Gold (1,4 Gramm Gold pro Tonne Gestein) zu extrahieren. Dafür müssten große Mengen tödlicher Zyanidlösung auf das Erz gespritzt werden. Das Zyanid würde das Grund- und Oberflächenwasser bis zum San-Juan-Fluss an der Grenze zu Nicaragua vergiften. Das Trinkwasser von Hunderten Dörfern wäre bedroht. Katastrophale Dammbrüche und die schleichende Verseuchung sind im Goldbergbau weltweit an der Tagesordnung. 30 ernste Zwischenfälle mit Zyanid in den letzten zehn Jahren in Europa sind ein deutliches Warnsignal. Im Mai 2010 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit eine Resolution zum Verbot vonZyanid in der europäischen Bergbauindustrie beschlossen. Doch die EU-Kommission lehnte die Initiative des Parlaments ab, wie im Juli 2010 bekannt wurde.
In Costa Rica führen häufige tropische Stürme und starke Regenfälle wie im Fall der nahegelegenen Bellavista-Mine in Miramar zu Unfällen und Erdrutschen. Und während das giftige Bergbauerbe für immer in Costa Rica verbliebe, würde das Gold das Land verlassen – für Goldschmuck und Spekulanten.
Die Welt begehrt dieses Edelmetall, vor allem für Schmuck und als Spekulationsobjekt. 950 Euro kostet aktuell die Feinunze (31,1 Gramm). 2.575 Tonnen Gold wurden 2009 weltweit gefördert. Etwa die Hälfte des Goldes geht in die Schmuckindustrie, fast 40 % dienen als Geldanlage. Allein die Deutsche Bundesbank hortet davon 3.400 Tonnen. 10 % werden in der Technik eingesetzt, und 1,5 % – 50 Tonnen pro Jahr – sind für Zahngold.