Regenwald Report 03/2014
Forschung im Regenwald: Auf den Spuren der Affen
Er ist ein Sehnsuchtsort, obwohl er es ihr nicht leicht macht: der Regenwald. Im Tiefland von Peru hat Jenna Kulp fünf Monate lang Springaffen erforscht. Die Biologin wurde von Moskitos zerstochen, lebte in einer Hütte – und empfindet es dennoch als Privileg, fernab der Zivilisation zu arbeiten. Eine Liebeserklärung
Warum tue ich mir das an?“, denkt Jenna Kulp, als sie aus dem Flugzeug steigt. Die schwüle, heiße Luft trifft sie wie ein Faustschlag. Es ist nicht ihre erste Reise in die Tropen, trotzdem wird sie auf der Gangway in Perus Dschungelmetropole Iquitos von diesem Saunaklima umgehauen. Das alles, weil sie sich in den Kopf gesetzt hat, hier ihre Masterarbeit zu schreiben. Als die überfüllte, schäbige Fähre auf dem Amazonas ablegt, mit der sie flussaufwärts zum Forschungscamp des Göttinger Primatenzentrums tuckert, sind die Zweifel verflogen. Der Strom war für die 29-Jährige schon immer voller Magie.
Vom bunten Leben in den Bäumen ist Jenna begeistert
In den beiden Hütten der Forschungsstation liegen grobe Dielenböden, es gibt kein Bett, keinen Schrank. Stromanschluss? Fehlanzeige. Handyempfang? Schon gar nicht. Jenna wird von Moskitos malträtiert. Sie zählt die Stiche, beim 200sten hört sie auf damit.
Doch die Biologin wird für die Strapazen reich belohnt. Krächzende Aras fliegen vorbei, Horden von Kapuzineraffen jagen schreiend durch die Baumkronen, ewig zirpen die Zikaden. Staunend blickt Jenna an Urwaldriesen mit ihren mächtigen Brettwurzeln empor oder zieht den Kopf ein, wenn sie im Boot kleine Flüsse befährt und Äste einen grünen Tunnel formen. Der Wald betört alle Sinne. „Wer noch nie im Regenwald war, kann sich nicht vorstellen, wie unglaublich schön und einmalig er ist“, schwärmt sie.
Die Begegnungen mit Affen sind ganz besondere Momente
Besonders fasziniert ist sie vom „Singen“ der Springaffen. „Mit den bellend-krächzenden Lauten verteidigen sie ihr Territorium, um das sie nur selten kämpfen“, sagt Jenna. Die Springaffen sind der Grund, warum sie hier ist. Für ihre Masterarbeit will die Studentin der Biodiversität, Ökologie und Evolution herausfinden, ob sich die Affen auch in einem Wald heimisch fühlen, der erst seit wenigen Jahren auf einer einst gerodeten Fläche wächst. Sie meiden ihn, weiß sie am Ende ihrer Reise. Wahrscheinlich bietet der Sekundärwald ihnen keine Nahrung.
Um das Verhalten zu erforschen, verfolgt Jenna Kulp zwei Affenfamilien auf Schritt und Tritt. Morgens um 6 Uhr lauert sie unter dem Baum, in dessen Lianen die Tiere schlafen. „Sind sie fort, heißt es: Suchen – oft stundenlang!“ Um sie nicht aus den Augen zu verlieren, macht Jenna nur Essenspause, wenn die Affen ruhen. Erst um 18 Uhr klettern die Tiere in ihre Schlafplätze und Jenna stapft müde in ihr Camp. Es sind lange Arbeitstage. Doch die Forscherin weiß längst, warum sie sich das alles antut.
Weil der Regenwald kleine Wunder bereithält: Einmal springt ein Wollaffe in ihr Boot und setzt sich auf ihren Schoß: „Ich dachte: Hilfe! Und gleichzeitig: Genial!“ Ein junger Springaffe kommt kiebig bis auf einen Meter an sie heran und guckt neugierig in ihr Gesicht. „Ich habe mich wirklich gefragt: Wer beobachtet hier wen?“ In diesen Momenten spürt sie eine besondere Verbundenheit zu den Tieren: „Wir sind ja alle Primaten.“
Derzeit arbeitet Jenna Kulp im Museum für Natur und Umwelt in ihrer Heimatstadt Lübeck. „Ich will meine Faszination für den Regenwald an Menschen vermitteln.“
AFFEN BRAUCHEN UNBERÜHRTEN WALD
Die Springaffen nahe der Forschungsstation nutzen den Wald kaum, der einst gerodet wurde und inzwischen nachgewachsen ist. Die Tiere finden im Sekundärwald offenbar schlicht keine Nahrung. Eine andere Erklärung sieht Jenna Kulp darin, dass die Affen im Primärwald üppig zu fressen finden und der Sekundärwald kein zusätzliches Angebot bereithält.Während ihrer fünfmonatigen Reise, die in der Regenzeit stattfand, beobachtete die Forscherin die Springaffen lediglich zwei Mal im Sekundärwald.
Wie sich die Tiere in der Trockenzeit verhalten, wenn das Nahrungsangebot knapper ist, ist bislang unerforscht.
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