Regenwald Report 01/2018 · Thema Wasser
Wasser braucht keine Plastikflasche
Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé füllen Trinkwasser in Plastikflaschen ab und verwandeln so ein kostenloses Allgemeingut in Geld. Den Preis dafür zahlt nicht nur der Kunde, sondern auch die Umwelt. Dabei haben wir die Alternative bereits zu Hause: Trinkwasser aus der Leitung. Bitte machen Sie mit
Warum erlaubt man einem ausländischen Konzern wie Nestlé, Millionen Liter Wasser aus unserem Fluss zu pumpen, um damit einen enormen Profit einzufahren?“, empört sich die Aktivistin Amanda Frye. Zusammen mit anderen Anwohnern und Umweltschützern hat Frye den „Wasserraub“ des Schweizer Multis in einem Waldschutzgebiet in den San-Bernardino - Bergen in Kalifornien in die öffentliche Diskussion und vor Gericht gebracht.
240 Millionen Liter pumpt die Firma pro Jahr durchschnittlich aus dem Wald ab, obwohl die Lizenz dafür seit fast dreißig Jahren abgelaufen ist.
Während die Berghänge in einer ex-tremen Trockenzeit verdorren, haben die Behörden lange tatenlos zugeschaut. Lächerliche 524 US-Dollar pro Jahr zahlt Nestlé für die Nutzung an den US-Bundesstaat. Die mit dem Wasser erwirtschafteten Profite sind tausendfach höher. „Wir subventionieren ein Geschäft, das diese öffentliche Ressource erschöpft und das dann Kosten und Müll verursacht“, erklärt die Umweltanwältin Rachel Doughty.
Leitungswasser oft besser als Mineralwasser
Leitungswasser ist das am strengsten kontrollierte Lebensmittel in Europa. Es steht jedem von uns ständig frisch, in beliebiger Menge und zu niedrigen Preisen zur Verfügung – zu Hause, am Arbeitsplatz und unterwegs. Die Stiftung Warentest kommt zu dem Ergebnis, dass Leitungswasser vielerorts besser schmeckt als Wasser aus der Flasche. Kein Wunder, denn abgepacktes Wasser altert und verliert an Qualität. PET-Plastikflaschen, in die das meiste Wasser abgefüllt wird, sondern gesundheitsschädliche chemische Substanzen wie Acetaldehyde und Antimontrioxid ab. Deshalb schmeckt und riecht das Wasser oft nach Kunststoff. Auch hormon-ähnlich wirkende Substanzen wurden darin nachgewiesen, so-genannte endokrine Disruptoren.
Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Erde, ist mit 8,5 Milliarden Euro auch im Geschäft mit abgefülltem Wasser Weltmarktführer. 70 verschiedene Wassermarken nennt der Konzern sein Eigen.
In Europa kauft Nestlé vor allem Quellen und bekannte Marken wie Contrex, Perrier, San Pellegrino und Vittel auf. In Nordamerika und vielen Ländern des Südens pumpt Nestlé auch Grundwasser ab oder kauft Leitungswasser, reichert es mit Mineralien an und vertreibt es unter dem Namen Pure Life.
„Trinkt mehr Wasser!“ lautet die Werbebotschaft der Konzerne
Auf seiner Webseite feiert Nestlé den Siegeszug der „weltweit größten Wassermarke Pure Life, die 1998 in Pakistan geboren wurde und inzwischen in vierzig Ländern auf allen Kontinenten an Konsumenten verkauft wird, die sich um die Qualität und Sicherheit ihres Wasser sorgen“. Auch Coca Cola (Apollinaris, Bonaqa, Dasani), Danone (Aqua, Evian, Volvic) und Pepsi (Aquafina) sind groß im Wassergeschäft.
So einfach geht es ohne Flasche!
Lassen Sie sich von der Werbung nicht beirren. Trinken Sie Leitungswasser, und zwar dann, wenn Sie Durst haben. Das ist umweltfreundlicher, gesünder und billiger als Wasser aus der PET-Flasche. Für unterwegs können Sie sich eine geeignete Trinkflasche kaufen und zudem an Hunderten Orten kostenlos frisches Trinkwasser nachfüllen: bundesweit refill-deutschland.de sowie in Berlin tip tap e.V.:
Um die Verkäufe anzukurbeln, schaffen die Konzerne mit Werbekampagnen eine Nachfrage, die es eigentlich gar nicht gibt. Schließlich sprudelt frisches Trinkwasser in bester Qualität bei jedem von uns zu Hause oder am Arbeitsplatz aus dem Wasserhahn.
Ihr Wasser sei sicherer, sauberer, gesünder und schmecke besser, werben dagegen die Multis. Sie bedienen sich dabei unfairen Methoden, indem sie uns verunsichern oder sogar Angst schüren, entrüstet sich die Umweltschützerin Annie Leonard in der Animation The Story of Bottled Water.
Anzeige gegen Nestlé wegen irreführender Werbung
Auch die weitverbreitete Wassertrinkregel „2 Liter am Tag“ ist Teil des Marketings der Hersteller, um mehr Umsatz zu machen. Mit Erfolg: Der Verkauf von Flaschenwasser hat sich seit 1970 mehr als verzehnfacht. „Es gibt von ärztlicher Seite eigentlich überhaupt keine Empfehlung, so viel zu trinken“, sagt Nierenfacharzt Prof. Jan Galle im ARD-Magazin Plusminus.
Unser Wasser aus der Flasche ist das umweltfreundlichste Produkt auf der Welt, wirbt Nestlé in ganzseitigen Zeitungsanzeigen. Eine Gruppe kanadischer Umweltorganisationen hat dagegen Anzeige wegen falscher und irreführender Behauptungen erstattet. Denn das in Plastikflaschen abgefüllte Wasser hat einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck an Rohstoffen, Energie und Müll (siehe Grafik). Am Ende unseres gedankenlosen Konsums stehen im besten Fall die Müll- oder Recyclingtonne. 1968 hat Nestlés Marke Vittel die ersten Wasserflaschen aus PVC eingeführt. In den frühen 1990er-Jahren begann dann der Verkauf der heute üblichen Einweg-Plastikflaschen aus PET.
Weltweit wird etwa die Hälfte der PET-Flaschen wiederverwertet. Nur ein Bruchteil davon, 7 %, wird zu neuen Plastikflaschen verarbeitet. Das meiste geht in den Export und dient zur Produktion von minderwertigen Kunststoffen wie Textilfasern, Verpackungsmaterial und Folien (Downcycling). Nach deren Gebrauch ist das stoffliche Recycling fast unmöglich, sie werden endgültig zu Müll.
Trinkwasser in Plastikflaschen: Der ökologische Irrsin
41 Millionen Liter Flaschenwasser trinken wir allein in Deutschland pro Tag – fast alles kommt aus der PET-Flasche. Der Länge nach aneinandergereiht könnte man mit unserem Jahresverbrauch an Flaschen etwa 93 Mal den Äquator umrunden. Für die Herstellung einer PET-Flasche sind etwa 90 Gramm Erdöl notwendig sowie Energie (zumeist aus fossilen Quellen) und Wasser. Die Lkw, die die Plastikflaschen über Hunderte Kilometer in die Supermärkte transportieren, verbrauchen Unmengen an Kraftstoff und blasen Schadstoffe in die Luft. Zurück bleiben Millionen Tonnen leere PET-Flaschen. Nur die Hälfte davon wird in irgendeiner Form wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt, auf Deponien geschüttet oder in die Natur geworfen. Die Weltmeere und ihre Bewohner ersticken an unserem Plastikmüll.
Demnächst entscheidet die EU über die Reduzierung des Plastikmülls.
Bitte unterschreiben Sie
unsere Petition dazu auf:
www.regenwald.org
Die andere Hälfte der PET-Flaschen landet direkt in der Müllverbrennung und auf Deponien. Oder sie werden achtlos in die Landschaft geworfen, wo sie Jahrhunderte überdauern.
Von den jährlich 78 Millionen Tonnen Verpackungsmüll aus Plastik, die die Menschheit produziert, landet ein Drittel in der Natur: an Land und in den Weltmeeren. Der Plastikmüll zerfällt in immer kleinere Bruchstücke, viele Tiere wie Seevögel, Wale und Meeresschildkröten verschlucken diese und sterben qualvoll an ihren verstopften Mägen.
Und so ist Nestlé auch beim Plastikmüll in den Ozeanen Spitzenreiter, wie Umweltschützer in der Bucht von Manila untersucht haben. Von den 54.260 analysierten Müllresten stammten 9.143 Kunststoffteile von Nestlé, der traurigen Nummer 1 in diesem Müllranking.