Regenwald Report 02/2022 · Schwerpunktthema: Balsa + Öl und Kohle
Aus dem Regenwald ins Windrad
Der Ausbau der Windenergie führt zur Plünderung der Balsa-Bäume im Regenwald und zu Konflikten mit und unter den Indigenen. Massive staatliche Subventionen in China, aber auch der Ausbau der Windkraft in Europa und den USA, haben den Raubbau ausgelöst.
Die Gier nach den riesigen Balsa-Bäumen ist groß. Wir rufen die Behörden auf, uns bei der Kontrolle und Festnahme derjenigen zu helfen, die unseren Wald zerstören“, fordert Nema Grefa, Präsidentin der indigenen Sápara. „Die Holzfäller und Balsa-Händler kommen ohne Erlaubnis in unser Territorium. Sie sind eine große Bedrohung für unsere Natur und Kultur.“
Seit 2019 spielt sich in Ecuador ein Drama um tropisches Balsa-Holz ab, berichten lokale Partnerorganisationen von Rettet den Regenwald wie Acción Ecológica. Holzfäller dringen in die Urwälder ein, um an die dort wachsenden Balsa-Bäume zu gelangen. Sie bringen Alkohol, Drogen und mitten in der Covid-19-Pandemie auch Krankheit und Tod mit.
Verlockungen der Balsa-Händler
Manche Indigene haben den Versprechen der Balsa-Mafia geglaubt und wollten an den Geschäften teilhaben. Die Händler versprachen schnelles Geld, Außenbordmotoren, Lehrer für die Dorfschulen oder Elektrizität. Alles verlockende Angebote, da der ecuadorianische Staat in den meisten Regenwaldgebieten nicht einmal die Grundversorgung mit Schulbildung, Gesundheit und Ernährung für die Indigenen sicherstellen kann.
Balsa-Bäume sind wichtiger Teil des Ökosystems
Im Urwald erfüllen Balsa-Bäume, die Höhen von über 40 Metern und Stammdurchmesser von einem Meter und mehr erreichen können, wichtige Funktionen. In ihrem weichen Holz bauen sich Vögel ihre Nisthöhlen. Die 15 Zentimeter großen, sehr nektarreichen Blüten sind eine begehrte Zuckerquelle für viele Tiere. Sie öffnen sich nachts und locken mit durchdringendem Geruch Maki- und Wickelbären sowie Fledermäuse an.
Die schnell wachsende Pionierbaumart besiedelt rasch Lichtungen und freie Flächen und schafft damit den Schatten, den anspruchsvollere Baumarten zum Keimen und Aufwachsen benötigen. Die Rodung der Balsa-Bäume entlang der Flüsse legt die sensiblen Uferbereiche frei, wodurch die dort gelegenen Indigenen-Dörfer und deren Anbauflächen wegen der Bodenerosion in Gefahr geraten. Außerdem bieten die Balsa-Bäume den Menschen auch spirituellen Schutz und Medizin, um Wunden und Infektionen zu behandeln.
Doch meist wurden die Indigenen über den Tisch gezogen, Konflikte kamen auf und die indigenen Gemeinschaften wurden gespalten. Traditionell entscheiden sie über die Nutzung der Ressourcen gemeinsam, zumal die Indigenen über kollektive Titel für ihre Territorien verfügen.
Entlang der Urwaldflüsse und auf den kleinen Inseln wuchsen besonders viele Balsa-Bäume, die abgeholzt wurden - ohne Bewirtschaftungspläne und Einschlagsgenehmigungen. Von den Holzfällern zurückgelassener Müll wie Ölkanister schädigt die sensiblen Ökosysteme, die Trinkwasserversorgung und den Fischfang. Auf Satellitenaufnahmen sind Tausende solcher Rodungen zu erkennen.
Mit Motorsägen werden die Stämme meist vor Ort zu Kanthölzern zerkleinert und schwimmend oder per Kanu bis zur nächsten Landstraße transportiert. In den unerschlossenen Regenwaldgebieten sind die Flüsse die Verkehrsadern, und Balsa ist das leichteste Holz der Welt - es wiegt etwa so viel wie Kork. Mit zumeist gefälschten Transportgenehmigungen schaffen Händler die begehrte Ware schließlich per Lkw zur Weiterverarbeitung an die Pazifikküste und verschleiern deren illegale Herkunft.
Hauptaufkäufer von Balsa sind internationale Hersteller von Verbundwerkstoffen wie die Schweizer Unternehmensgruppe Gurit, CoreLite aus den USA oder DIAB aus Schweden, zunehmend aber auch chinesische Firmen. Über den Hafen von Guayaquil wird das zu Schnittholz und Verbundplatten verarbeitete Balsa exportiert. Insbesondere bei Ausfuhren nach China ist die Gefahr groß, dass Balsa aus dubiosen Quellen darunter ist.
Fakt ist: Bei Balsa ist Ecuador die Nummer 1, über 80 Prozent des weltweit gehandelten Holzes stammen von dort. 75.000 Tonnen des Tropenholzes - umgerechnet über eine halbe Million Kubikmeter – verließen das südamerikanische Land 2020, mehr als doppelt so viel wie im Jahr davor.
Vom Regenwald in das Rotorblatt
Windkraftanlagen werden immer größer, leistungsstärker und weltweit zahlreicher. Deren Rotorblätter müssen enormen Kräften standhalten – und enthalten im Inneren häufig ein Material, das hier wohl kaum jemand vermuten würde: Balsa-Holz. Das extrem leichte, zugleich aber auch sehr druckfeste und elastische tropische Holz ist das ideale Kernmaterial für viele Rotorflügel. Etwa zwei Drittel des weltweit verwendeten Balsa-Holzes gehen in die Windbranche. Je nach Hersteller und Modell wird es zum Bau der Rotorblätter zusammen mit Kunststoffen wie PET, PU oder PVC, Glas- und Carbonfasern mit Epoxitharz fest verklebt.
Holzplantagen sind keine Wälder
Holzplantagen belegen nicht nur große Flächen Land, als Monokulturen erfüllen sie vor allem nicht die vielfältigen ökologischen und sozialen Funktionen von natürlichen Wäldern. So wurden laut FSC-Zertifizierungsbericht auf über der Hälfte der Plantagen von 3A Composites in Ecuador allein letztes Jahr fast 14.000 Liter glyphosathaltige Herbizide versprüht, um alle übrigen Pflanzen zu eliminieren. Auch mit Insekten- und Pilzplagen sowie Sturmschäden hat die Firma zu kämpfen, weil auf den Pflanzungen im Gegensatz zu Regenwäldern kein ökologisches Gleichgewicht herrscht.
Trotzdem zertifiziert das Marketinglabel Forest Stewardship Council (FSC) mit Sitz in Bonn derartige Industrieplantagen genauso wie den industriellen Holzeinschlag in Urwäldern „als nachhaltige Waldwirtschaft“. Rettet den Regenwald lehnt daher wie viele andere Umweltorganisationen das FSC-Siegel als Etikettenschwindel ab.
Besonders viel Balsa enthalten oft die Riesenflügel von Offshore-Anlagen, also im Meer installierte Windparks. Solche Rotorblätter stellt der deutsch-spanische Konzern Siemens-Gamesa in seinen neuen Werken in den Häfen von Aalborg in Dänemark, im französischen Le Havre und im britischen Hull her. Dazu werden Lagen von Glasfaser und Balsa-Holz in einer 81 Meter langen Form ausgelegt und dann mit Epoxitharzen verklebt. Knapp zwei Tonnen Balsa werden in jeden Flügel verbaut. Bei drei Blättern pro Windkraftanlage sind das 40 Kubikmeter Holz, was mindestens 40 Balsa-Bäumen entspricht. Bald sollen noch größere, 108 Meter lange Rotorblätter für die nächste Generation von Offshore-Mühlen dazukommen.
Die großen westlichen Hersteller betreiben solche Rotorenwerke rund um den Globus. Rettet den Regenwald hat die Konzerne angeschrieben, denn über ihren Balsa-Verbrauch informiert die Branche nicht gern. Ergebnis: Vestas aus Dänemark schreibt von aktuell 2.500 Kubikmeter Balsa, nachdem der Einsatz in den letzten drei Jahren um über 85 Prozent reduziert wurde. Nordex verbraucht etwa 9.000 Kubikmeter. General Electric hat nicht geantwortet, dafür das dänischeTochterunternehmen LM Wind Power: Die Firma verwende für etwa 95 Prozent der Rotorblätter Kunststoffschaum aus PET. Doch wie viel Balsa LM Wind Power verbraucht und in welchen Flügelmodellen das Holz steckt, teilt man nicht mit.
Keine klaren Angaben der Hersteller
Doch der global wohl mit Abstand größte Balsa-Verbraucher ist Siemens-Gamesa: 2019 waren es 53.000 Tonnen Balsa-Holz, umgerechnet etwa 350.000 Kubikmeter, und im vergangenen Jahr fast 26.000 Tonnen (170.000 Kubikmeter). „Balsa ist ein Unkrautbaum, der eine relativ kurze Lebensdauer hat“, so der Konzern in seinem Nachhaltigkeitsbericht. Damit will man offenbar den immensen Verbrauch schönreden. Dabei haben die stark gestiegenen Balsa-Preise und anhaltende
Lieferprobleme sogar zu Produktionskürzungen geführt. Auch bei den Bezugsquellen bleibt Siemens-Gamesa vage: „Im Allgemeinen können wir bestätigen, dass es sich nicht um eine gefährdete Ressource handelt und dass es zu keinen systematischen Menschenrechtsverletzungen kommt. Unser Ziel ist es, Balsa-Holz zu kaufen, das aus verantwortungsvollen Quellen stammt, um den illegalen Holzeinschlag zu bekämpfen, der eine der Hauptursachen für die Abholzung der Wälder ist.“
Erdöl und Kohle
Ohne Rücksicht auf Verluste
Unser Energieverbrauch hat direkte Folgen für den Regenwald. Dies wird bei der Produktion von Rotoren für Windkraftanlagen deutlich und es zeigt sich auch darin, wie die Industrie nach Erdöl und Kohle aus Regenwald-Regionen greift. Weil Europa nach Alternativen für Öl aus Russland sucht, wächst für Dorfbewohner in Tansania und Uganda die Gefahr, ihr Land zu verlieren. Dort ist der französische Konzern Total Energy treibende Kraft hinter einem Erdölprojekt im Nationalpark Murchison Falls und einer damit verbundenen, geplanten 1.445 Kilometer langen Pipeline. Bisher hat Total Energy viel Geld in Russland verdient. Menschenrechtler warnen, dass der Konzern jetzt seine Projekte in Afrika forciert.
Die Erdöl-Suche der kanadischen Firma ReconAfrica in Namibia und Botswana könnte ebenfalls durch den Krieg einen neuen Schub bekommen. Das Unternehmen behauptet, auf einem riesigen Vorkommen zu sitzen. In der Demokratischen Republik Kongo sieht die Regierung die Versorgung mit Erdöl in Gefahr und gibt 16 neue Ölfelder zur Erschließung frei - 9 davon im Regenwald und in Torfgebieten.
Kohle aus Indonesien
Die Kohleverbraucher in der EU suchen nach neuen Liefer-anten – auch in Indonesien. Das Land verfügt über große Vorkommen im Osten Borneos und im Süden Sumatras. Drei Viertel der Kohle werden exportiert, bisher vor allem in asiatische Länder. Etwa ein Viertel der Kohle verheizen die Elektrizitätswerke und einen kleineren Anteil verbraucht die Industrie im Land.
Der Regenwald in den Kohle-Tagebaugebieten ist zum Großteil vernichtet, die indigene Bevölkerung ihrer Rechte beraubt. Die steigende Nachfrage aus Europa und im Land selbst bedeutet, dass aktuell die Kohleförderung erhöht wird – auch in den noch bestehenden Wäldern. Unabhängigkeit von russischer Kohle in Europa führt damit zu Umweltzerstörung und Gewalt gegen die lokale Bevölkerung in den Regenwald-Regionen – auch finanziert mit dem Geld deutscher Banken.
Rund drei Viertel des Balsa-Holzes bezieht Siemens-Gamesa aus vom FSC zertifizierten Quellen, hat der Konzern auf Anfrage von Rettet den Regenwald geantwortet – und nennt die Schweizer Unternehmensgruppe 3A Composites als einen der Lieferanten. Die Angabe erscheint stark überzogen. Tatsächlich ist 3A Composites der weltweit größte Besitzer von Balsa-Plantagen und zugleich auch der einzige Produzent von FSC-Balsa-Holz. Die Firmengruppe betreibt in Ecuador und Papua Neuguinea insgesamt über 12.000 Hektar Balsa-Plantagen.
Doch die von 3A Composites veröffentlichten Produktionsmengen von Balsa-Holz liegen weit unter dem Balsa-Verbrauch von Siemens-Gamesa. Und auch die anderen Windkraftanlagenbauer berufen sich in ihren Antworten auf das FSC-zertifizierte Holz des Plantagenbetreibers, der ganz daneben auch weitere Branchen wie den Bausektor, die Auto-, Eisenbahn-, Schiffs- und Flugzeugindustrie mit Balsa-Produkten beliefert.
Keine Windenergie mit Balsa aus Raubbau
Inzwischen ist die Balsa-Nachfrage auf dem Weltmarkt wieder zurückgegangen, denn der Bedarf der Windkraftindustrie schwankt stark. Zudem verwenden Hersteller wie Vestas und LM Wind Power zunehmend PET-Schaumstoff, zum Teil sogar aus Recycling. Doch PET ist ein aus Erdöl hergestelltes Chemieprodukt. Branchenexperten schätzen, dass sich der Einsatz von PET zwar verdoppeln, die Nachfrage nach Balsa aber nur leicht zurückgehen wird.
Zu einer Entspannung im Regenwald von Ecuador hat das nicht geführt. Die Holzhändler kommen weiter in die Dörfer und wollen nun auch andere Tropenhölzer kaufen. Manche Einwohner holzen jetzt Urwald ab, um dort Balsa zu pflanzen. Seit Ende 2021 berät 3A Composites die indigenen Achuar bei der Anlage von Balsa-Plantagen, deren Bewirtschaftung und der Holzernte.
Rettet den Regenwald fordert die Windbranche und ihre Lieferanten auf, Balsa-Holz aus Raubbau und illegaler Regenwaldabholzung unverzüglich und effektiv auszuschließen. Außerdem müssen sie lückenlose Transparenz über die Herkunft, Lieferwege und verbrauchten Balsa-Mengen schaffen. Neben der Wirtschaft ist auch die Politik bei uns und in Ecuador gefragt, einen erneuten Ansturm auf Balsa-Holz zu verhindern.
Aktiv werden! Unterschreiben Sie unsere Petitionen
Der deutsch-spanische Windanlagenbauer Siemens-Gamesa ist der weltweit größte Verbraucher von Balsa-Holz. Die vom Konzern vorgelegten Angaben und Zahlen erwecken Zweifel an der Herkunft des Holzes.
Bitte unterstützen Sie unsere Forderung an Siemens-Gamesa, Balsa-Holz aus Regenwaldrodung definitiv auszuschließen.
Unterstützen Sie den Protest und unterschreiben Sie unsere Petition »