RegenwaldReport 03/1997
Indonesien: Raubzüge in den Regenwald
Rauch steigt aus dem Boden. Unter der Oberfläche glüht es. Auf der Insel Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo, steht nicht nur Wald in Flammen. Auch Torf, der in vielen Gebieten meterdick unter dem Boden liegt, schwelt vor sich hin und sendet schwärzliche Rauchschwaden in den Himmel. "Die Sicht beträgt stellenweise nur zwischen 5 und 20 Meter" berichtet die Umweltorganisation WALHI. Auch die Inseln Sumatra, Sulawesi und Irian Yaya brennen. 1087 einzelne Feuer registrieren Satelliten. Bis zu 800 000 Hektar stehen in Flammen. Bereits 1983 und 1994 gab es grosse Waldbrände auf Borneo, schon damals mussten Flughäfen zeitweise geschlossen werden.
Doch dieses Jahr hat die "planetarische Katastrophe", wie das Feuer inzwischen genannt wird, die Welt alarmiert. 20 Millionen Menschen leiden unter Atemnot. Bilder von Menschen mit Staubmasken gehen um die Welt und selbst der Präsident des Nachbarstaates Malaysia zeigt sich mit Mundschutz. Krankenhäuser sind überfüllt und die Touristen bleiben aus. Am 26. September stürzt ein Flugzeug mit 234 Menschen über der Insel Sumatra ab: Der Smog hat offenbar eine entscheidende Rolle gespielt. Auf dem Meer und auf Flüssen stossen mehrere Schiffe im dichten Rauch zusammen.
Wer ist Schuld an dem Desaster für Mensch und Umwelt? Die jährliche Trockenheit in Indonesien dauert dieses Jahr besonders lange an wegen des kalten Meeresstroms El Nino. Doch das Klima begünstigt die Brände nur. Kleinbauern sollen an den Bränden Schuld sein, so sagt Bob Hassan, enger Freund des Präsidenten Suharto und Besitzer von mindestens zwei Millionen Hektar Holzkonzessionen. Offizielle Berichte widersprechen ihm. Der Umweltminister Sarwono Kusumaatmadja erklärte, dass 92 Prozent der Brände von Holz- und Plantagenunternehmen ausgehen. Für Ölpalm-, Gummibaum und schnellwachsende Eukalyptusplantagen für Papierproduktion soll Platz geschaffen werden. Insgesamt werden 176 Firmen beschuldigt, 29 wurden Anfang Oktober geschlossen. Auch die staatliche Umsiedlung spielt eine Rolle. Aus den dichter besiedelten Inseln bringt die Regierung täglich 1000 Menschen nach Borneo. Mit 232 Millionen Dollar aus einem Fond, der eigentlich für Aufforstung gedacht ist lässt die Regierung eine Million Hektar Wald abholzen, angeblich um Reis anzupflanzen. Nicht das erste mal dass der Fond missbraucht wurde. Auch ein Militärflugzeug wurde daraus finanziert. "Für Reis ist der Boden völlig ungeeignet", stellt die Umweltorganisation SKEPHI fest. Auf dem torfigen Boden kann man kaum etwas pflanzen. Mit dem Projekt sollen vor allem die viel zu grossen, holzhungrigen Sperrholzwerke versorgt werden. Mit einer modernen Video-Kamera von Rettet den Regenwald dokumentiert die Umweltorganisation SKEPHI die soziale Katastrophe. Die Waldbewohner die hier leben können nicht mehr im Fluss fischen, weil durch Holzschutzmittel alle Fische vergiftet sind. Sie müssen jetzt selber für die Abholzer arbeiten. Viele Menschen leiden Hunger. In den Wäldern vergiftet der Qualm auch Affen, Nashörner, Insekten. "Vögel fallen vom Himmel" berichtet die Umweltgruppe WALHI. Bienen produzieren kaum noch Honig. Den besten Zunder geben Flächen, die vom Holzeinschlag degradiert sind, meint der Experte der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Reinhold Glauner. Ungestörter Regenwald sei nur zum geringen Teil vom Feuer betroffen. Indonesien ist der weltgrösste Sperrholzexporteur. 44,5 Millionen Kubikmeter Holz könnten die Fabriken jährlich verarbeiten, doch nur 23 Millionen dürfen legal abgeholzt werden. Der illegale Holzeinschlag ist zur Regel geworden. Darüber hinaus suchen indonesische Firmen neue Holzreserven in Südamerika. Trotz der schwindenden Bestände wird Holz von Indonesien nach Malaysia geschmuggelt. Das Tropenholzgeschäft hat einige wenige sehr reich gemacht, vor allem Bob Hassan, der allein mit Sperrholz 3,6 Milliarden Dollar verdient.
Die Basis seiner Macht ist die Freundschaft mit dem Präsidenten. Schon als Suharto noch ein kleiner Oberst war lernten die beiden sich kennen. Jetzt braucht Suharto Bob Hassan, wenn es Probleme zu lösen gilt. Umweltgruppen versuchen die Kapitalverflechtungen der indonesischen und malaysischen Konzerne aufzuklären und Investoren zu beeinflussen. Europa spielt als Absatzmarkt eine wichtige Rolle. Deutschland ist am Schwund beteiligt. 160 000 Kubikmeter werden aus Indonesien importiert, vor allem Meranti für Fensterrahmen, Ramin für Leisten und Bankirai für Fussgängerbrücken. Um diese Mengen zu produzieren, müssen bis zu dreimal soviel Rundholz, das heisst ganze Stämme verarbeitet werden. Während in den USA selbst die New York Times angesichts der offensichtlichen Mitschuld der Holzkonzerne eine "Bann für tropisches Sperrholz" fordert, hat in Bonn Verkehrsminister Wissmann das Verwendungsverbot für Tropenhölzer im Wasserbau vor einigen Monaten aufgehoben. Noch gravierender als der Tropenholzhandel ist die Nachfrage nach Palmöl. Der Markt boomt. 1996 produzierte Indonesien 4,5 Millionen. Tonnen. Schmiermittelhersteller werben neuerdings mit dem "nachwachsenden natürlichen Rohstoff' der so gut abbaubar ist und die Erdölvorräte schont. "Natürlich abbaubar" in der Werbung meint die Umweltverträglichkeit für europäische Gewässer. Vom Abbau der Regenwälder ist natürlich keine Rede. In Waschmittel, Speiseeis, Margarine, Kerzen, Seifen wird Palmöl verwendet. Konzerne wie Unilever, Henkel oder Nestle sind Grossverbraucher. Palmolive oder Palmin ist ein Begriff. Mit Coffee Mate hat so mancher Leser, wenn er zum Frühstück über die Umweltkatastrophe in der Zeitung liest, die Ursache dafür neben sich in der Tasse. Die US Tierschutzorganistion IPPF ruft bereits dazu auf keine solchen Produkte mehr zu kaufen, denn "die Fettsäuren im Palmöl schaden Ihrer Gesundheit und der Umwelt".