Widerstand gegen WestLB-Pipeline in Ecuador wächst - gleichzeitig droht dem Projekt die Pleite
Der Widerstand gegen die WestLB-Pipelin in Ecuador wächst stärker als die Düsseldorfer Banker je erwartet haben. Durch Bauplatzbesetzungen, Straßenblockaden und Demonstrationen sind die Bauarbeiten bereits erheblich verzögert worden. Zunehmende Auflehnung auch bei uns: Ministerpräsident Clement hat rund 130.000 Protestkarten von erbosten Menschen erhalten. Das Land will demnächst Anteile der WestLB verkaufen, doch der Imageverlust wird den Erlös kräftig drücken.
Unterdessen ist der Kauf eines Sperrgrundstücks im Mindo-Reservat ein gutes Stück voran gekommen. Rettet den Regenwald hat schon 70.000 Euro Spendengelder erhalten, amerikanische Umweltgruppen wollen sich mit 20.000 Euro beteiligen. Der Kaufpreis beträgt 110.000 Euro. Die Ölpipeline soll über einen schmalen Berggrat in 3.000 Metern Höhe auf unserem 1.500 Hektar großen Nebelwaldgrundstück gebaut werden.
„Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Spenderinnen und Spendern und setzen alle Hebel in Bewegung, dass die letzten juristischen Hürden für die endgültige Grundbucheintragung überwunden werden“, sagt Heike Brieschke. Die deutsche Ornithologin lebt seit vielen Jahren in Mindo und ist gemeinsam mit zwei ecuadorianischen Umweltschützern vorübergehend treuhänderische Eigentümerin.
In einem Vertrag mit Rettet den Regenwald ist geregelt, dass das Grundstück spätestens nächstes Jahr an eine gemeinützige Umweltorganisation übertragen wird, die sich verpflichtet, die artenreichen und faszinierenden Wälder auf dem Areal zu erhalten.
Obwohl dank einer Anzahlung das Grundstück inzwischen den Pipelinegegnern gehört, haben sich Bauarbeiter des Ölkonsortiums OCP illegal Zutritt verschafft. Gleichzeitig haben Polizei und Militär Umweltschützern aus Mindo mehrfach den Zutritt zu ihrem Grundstück versperrt. Inzwischen hat ein Gericht entschieden, dass die Besitzer ein Recht auf freien Zugang haben.
Die Vorfälle zeigen, wie nervös die künftigen Betreiber der WestLB-Pipeline geworden sind. Denn neben verschärften Protesten sehen sie sich mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Manipulierte Angaben über Ölreserven, illegale Garantien und finanzielle Schwierigkeiten der Ölfirmen gefährden gar die Rückzahlung des Pipelinekredits an die WestLB.
Vorgegaukelte Ölvorräte und illegale Sicherheiten
Nach Angaben des ecuadorianischen Kongressabgeordneten Henry Llanes haben die OCP-Konzerne die Ölvorräte auf ihren Ölkonzessionen im Amazonasgebiet künstlich aufgebläht, um den Bau der Pipeline politisch durchzusetzen. Danach haben die Ölfirmen angegeben, über Reserven von 1,6 Milliarden Barrel zu verfügen. Die offiziellen Zahlen der staatlichen „Nationalen Behörde für Kohlenwasserstoffe“ liegen mit 917 Millionen Barrel weit darunter.
Die Ölvorkommen würden damit bei der geplanten Kapazität der Pipeline von täglich 450.000 Barrel nur für weniger als sechs Jahre ausreichen. Die geplante Betriebszeit der OCP-Pipeline liegt jedoch bei 20 Jahren, der Kredit der WestLB für die Pipeline läuft über 17 Jahre.
Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben die Ölfirmen zudem angekündigt, die geplanten Fördermengen stark drosseln zu müssen. Da auch die staatliche ecuadorianische Ölfirma Petroecuador die Produktion in den letzten Monaten erheblich reduzieren musste, ist derzeit nicht einmal eine bereits bestehende Pipeline voll ausgelastet. Der ecuadorianischen Tageszeitung LA HORA verriet der kürzlich aus dem Amt geschiedene Präsident von OCP, Hernan Lara, dass „Ecuador demnächst zwei halbleere Ölpipelines haben wird.“
Nach Angaben des Kongressabgeordneten Henry Llanes haben die Ölfirmen auch die Baukosten für die Pipeline von ursprünglich 600 Millionen auf 1,2 Milliarden US-Dollar künstlich hoch getrieben. Warum sich die im Januar 2000 veranschlagten Kosten innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt haben, hat das OCP-Konsortium bis heute nicht aufklären können.
Ecuadorianische Experten vermuten, dass riesige Geldsummen für Bestechungsgelder ausgegeben werden und in anderen dunklen Kanälen verschwinden. Allein die Baufirma Techint soll etwa 20 Prozent des Etats für Korruption ausgeben.
Damit nicht genug: Als Sicherheit für den Kredit der WestLB haben die OCP-Konzerne Ölreserven aus ihren Konzessionen eingebracht. Das ist nach ecuadorianischen Gesetzen illegal, da noch im Boden liegende Ölvorkommen Staatsbesitz sind. Für die Rückzahlung des Pipelinekredits an die WestLB könnte das Konsequenzen haben – ein Totalverlust von 900 Millionen Dollar droht.
Nach neuesten Zahlen der ecuadorianischen Zentralbank haben sich durch die WestLB-Pipeline die privaten Auslandsschulden Ecuadors seit dem vergangenen Jahr fast verdoppelt – auf 4,1 Milliarden USDollar. Das hochverschuldete Land, dass 1999 bereits den Staatsbankrott erklären und die Zahlung der Schulden vorübergehend einstellen musste, steckt erneut in einer schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise. Ein weiteres Mal droht der völlige finanzielle, ökonomische und soziale Zusammenbruch.
Ein Umwelt-Gutachter von den Ölkonzernen
Unterdessen entpuppt sich die für das Projekt erstellte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) immer mehr als Farce. Sie enthält nicht nur gravierende Mängel – die vermeintlich unabhängige Firma Entrix, die die UVP erstellt hat, ist eng mit OCP verflochten. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Weltbank-Standards für solche Projekte, auf die sich die WestLB beruft.
Der Geschäftsführer von Entrix Ecuador, Miguel Aleman, hat wiederholt öffentlich die Belange von OCP vertreten. Seine Visitenkarte weist ihn zudem als Angestellten von OCP aus. Zu erreichen ist Miguel Aleman unter der Telefon- und Faxnummer von OCP, seine E-Mail-Anschrift lautet: maleman@ocp-ec.com.
Wegen solcher Verstöße gegen elementare rechtsstaaliche Prinzipien schon bei der Planung der WestLBPipeline wächst die Wut der betroffenen Bevölkerung, und der aktive Protest nimmt ständig zu. „Ich habe Angst vor einem Bürgerkrieg in den Ölprovinzen“, sagt Nathalie Weemaels von der Umweltorganisation Accion Ecologica.
Nach Augenzeugenberichten fahren Regierung und Ölfirmen einen zunehmend härteren Kurs. Die Bauarbeiten zur WestLB-Pipeline werden mittlerweile von Spezialeinheiten der Polizei bewacht. Die Einsatzkräfte sollen dabei direkt unter dem Befehl des OCP-Konsortiums stehen, den Geschäftspartnern der WestLB. Die Spezialeinheiten werden in OCPFahrzeugen umhergefahren, von OCP verpflegt und sind im besten Hotel von Lago Agrio untergebracht worden, dem Startpunkt der Pipeline mitten im Amazonas.
Einschüchterungen von Pipelinegegnern und gewaltsames Betreten von privaten Grundstücken gehören entlang der Trasse zum Alltag. Seit Mitte Juli ist der über 60jährige Juan Chasipanta Coquilago mit 15 anderen Personen in einer winzigen Gefängniszelle in Lago Agrio inhaftiert. Ihm wird ein Mordversuch vorgeworfen, weil ein Beamter verletzt wurde, als die Polizei das Privatland von Bauern besetzt hat, um den Bau der Ölpipeline abzusichern. Juan Chasipanta Coquilago bestreitet den Vorwurf und sagt, er sei mit seiner Frau weggelaufen, als die Polizei anrückte.
Sein wahres „Verbrechen“: Er weigerte sich, den Pipelinebetreibern sein Land zu überlassen. Die Polizei ist daraufhin auf sein Grundstück vorgedrungen und hat dabei Tränengas eingesetzt. Gegen den Willen von Juan Chasipanta Coquilago und ohne gesetzliche Grundlage wird die Pipeline nun auf seinem Land verlegt.
Die Macht von OCP und der ihr willfährigen Polizei bekam auch die kalifornische Baumbesetzerin Julia „Butterfly“ Hill zu spüren. Zusammen mit sieben Umweltschützern wurde Hill kürzlich in Quito von der ecuadorianischen Polizei festgenommen und ohne Haftbefehl in ein Gefängnis gesperrt.
Ihr Vergehen: Hill hatte zusammen mit Umweltschützern und einigen Bauern, über deren Grundstücke die WestLB-Pipeline gebaut werden soll, ein Gespräch mit dem kalifornischen Ölkonzern Occidental Petroleum vereinbart, der zum OCPKonsortium gehört. Als die Umweltschützer vor dem Büro des Unternehmens eintrafen, wurde ihnen der Zutritt zu dem Treffen verweigert. Die daraufhin friedlich draußen protestierenden Umweltschützer wurden kurze Zeit später von der Polizei verhaftet.
Hill wurde weltberühmt, als sie unter dem Namen Julia Butterfly fast zwei Jahre lang in über sechzig Metern Höhe auf einem 2.000 Jahre alten Redwood-Baum in Kalifornien ausharrte und den Urwaldriesen so vor der Rodung rettete. Unter den mit Hill verhafteten Personen befand sich auch Yvonne Ramos von Accion Ecologica, die im Januar 2001 offiziell als Expertin vom Eine-Welt- Ausschuss in NRW eingeladen worden war. Während den festgenommenen Ecuadorianern, die inzwischen wieder frei sind, eine Strafanzeige droht, wurde Julia Butterfly des Landes verwiesen.
Gesicht der Pipeline wird immer deutscher
Recherchen von Rettet den Regenwald zeigen, dass die Pipeline ein zunehmend deutsches Gesicht bekommt. Selbst der Reisekonzern TUI ist über seine Tochter Preussag involviert. „Unser Unternehmen ist an zwei Konzessionen in Ecuador mit Anteilen beteiligt“, bestätigte Jan Weinreich von der Preussag Energie GmbH. Aus solchen Konzessionen stammt das Öl, mit dem die WestLB-Pipeline gespeist werden soll.
Richten Sie Ihre Protestbriefe an folgende Anschriften:
TUI Deutschland GmbH
Unternehmenskommunikation
Fax: 05 11 - 567 69 02
Kreditanstalt für Wiederaufbau
Länderabteilung L II d
Fax: 069 - 74 31 36 05
E-Mail: kfw.asa@kfw.de
Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau will voraussichtlich ab 2003 zunächst 3,5 Millionen Dollar in ein Amazonas-Projekt stecken, mit dem der Lebensraum der Achuar-Indios für die Industrie erschlossen werden soll. Die ecuadorianische Regierung hat die zur Ölausbeutung frei gegebene Amazonasregion in durchnummerierte Gebiete, die so genannten Blöcke, unterteilt. Das Gebiet der Achuar-Indios liegt in den Blöcken 23 und 24.
Die WestLB-Pipeline ist damit endgültig zu einem bundesweiten Politikum geworden. Der aus Steuergeldern finanzierte Deutsche Entwicklungsdienst soll in Ecuador die Einhaltung der Umweltauflagen überwachen, die von der dortigen Regierung für die WestLB-Pipeline aufgestellt wurden. Und die Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, Uschi Eid, hat fünf Millionen Euro für den Tropenwaldschutz in Ecuador zugesagt. Damit die Zerstörungen, die die WestLB mit zu verantworten hat, ein wenig kaschiert werden können – mit deutschen Steuergeldern.