RegenwaldReport 02/2003
Parkett aus dem Tigerwald
Der Sumatra-Tiger verliert seinen Lebensraum, weil die Holzkonzerne sogar ausgewiesene Nationalparks plündern. Ein Teil der illegalen Ware landet in unseren Wohnstuben
Wenn ein Tiger die Menschen im Dorf bedroht, muss Sutan Kari sie schützen. Er stammt aus einer traditionellen Tigerjägerfamilie. Seit Generationen beobachten die Leute im Kerinci-Nationalpark auf der indonesischen Insel Sumatra das Verhalten der Raubkatze. "Mensch und Tiger dürfen sich nicht begegnen", erzählt Sutan Kari. "Hat ein Tiger einmal einen Menschen angefallen, hat er Blut geleckt und wird immer wieder zum Killer." Der Kerinci-Nationalpark ist das größte geschützte Regenwaldgebiet Südostasiens. Einzigartig ist die Flora und Fauna. Über 4.000 verschiedene Pflanzenarten wachsen im tropisch, feuchten Klima. Der Regenwald bietet Lebensraum für 140 Vogelarten, und viele seltene Tiere, darunter auch die letzten Sumatra- Tiger.
"Normalerweise haben wir früher, wenn wir Tigerspuren in der Nähe des Dorfes gefunden haben, den Göttern Opfer gebracht um den Tiger zu vertreiben, damit er nicht in unser Dorf einfällt", berichtet Sutan Kari, der inzwischen fast arbeitslos ist. Trotz weltweiter Schutzprogramme ist der Sumatra-Tiger von der Ausrottung bedroht, weil sein Lebensraum immer kleiner wird. Auch im Kerinci-Nationalpark fressen sich Motorsägen durch den vermeintlich geschützten Regenwald. Der Nationalpark wird geplündert und liefert illegalen Nachschub für den europäischen Holzmarkt. Die Bäume fallen für Möbel, Parkett und Sperrholz. Merbau, Meranti und Ramin heißen die gewinnbringenden Tropenhölzer. Was nicht für den Export taugt, landet in den Papiermühlen.
"Wir haben die genehmigten Einschlagsgebiete überprüft und festgestellt, dass es dort kein Holz mehr gibt", berichtet Listya Wardani, die den Nationalpark Kerinci leitet. "Die legalen Abholzgebiete sind völlig erschöpft. Die Produktion der großen Firmen läuft aber auf vollen Touren. Man fragt sich, woher das Holz kommt, wenn nicht aus dem Nationalpark." Tigerjäger Sutan Kari findet bei seinen Streifzügen durch den Wald nur noch selten Spuren der Raubkatze. "Weil es immer weniger Wald gibt, verschwindet auch das Wild und die Tiger verhungern."
Um den Tiger zu schützen, hat die Nationalparkverwaltung mit Hilfe internationaler Tierschutzorganisationen eine Tigerpolizei im Park stationiert. Ein letzter Versuch die Wildkatze vor dem Aussterben zu bewahren. In erster Linie bekämpft die Polizei Wilderer, die mit den Tigerfellen schnelles Geld machen wollen. "Aber es ist schwierig ein so großes Gebiet wie den Nationalpark zu kontrollieren", sagt Listya Wardani. "Trotzdem ist es uns gelungen, einige Felle zu konfiszieren, bevor sie ins Ausland verkauft wurden."
Nicht nur Tiger werden gejagt, sondern auch Leoparden, Nashörner, Orang Uutans und die Königspython. Die radikale Abholzung ermöglicht es den Wilderern, immer tiefer in den Wald vorzudringen. Die großen Holzfirmen werden von der Armee gedeckt, die tief in den illegalen Holzhandel verstrickt ist. Die Leiterin des Nationalparks hat einige Abholzer vor Gericht gebracht, aber ihre Beweise reichten nicht aus um die Drahtzieher hinter Gitter zu bringen.
"Wir sind tagelang die kleinen Flüsse hinauf gefahren vorbei an verwüstetem Dschungel", berichtet die deutsche Filmemacherin Inge Altemeier, die im Kerinci-Nationalpark gerade eine neue Dokumentation gedreht hat. "Dann sahen wir die ersten Holzfällercamps, der Wald wurde immer dichter und der Fluss immer schmaler. Baumstämme mit ihren Luft gefüllten Schwimmkanistern haben uns den Weg zu den illegalen Abholzgebieten mitten im geschützten Regenwald gezeigt." Inge Altemeier entdeckte unzählige, illegal errichtete Holzfällercamps und tonnenweise Tropenholz für den Export. Rotes, Wetter beständiges Edelholz, aus dem unsere Parkettböden, Türen und Fenster gebaut werden. "Wir haben es später auf der internationalen Holzmesse in Hannover wiedergefunden. Indonesische Gesetze, die verbieten, vom Aussterben bedrohte Baumarten wie Tembesu abzuholzen, haben im Nationalpark keine Gültigkeit, weil niemand die Abholzer kontrolliert."
Ganze Dörfer der Region ernähren sich inzwischen vom illegalen Einschlag. Die Menschen haben ihr Land an große Zellstoff- und Palmölkonzerne verloren. Die Holzexporteurmafia nutzt die Zwangslagen der Bauern aus. Die Abhängigkeit der Bauer macht es möglich, sich problemlos aus illegalen Quellen zu bedienen. Dabei bekommen die Holzkonzerne die wertvollsten Tropenhölzer zu Dumpingpreisen. Damit niemand die Firmen zur Verantwortung ziehen kann, kauft ein Zwischenhändler das Holz auf und liefert es dann an die großen Holzexporteure wie den Parkett- und Sperrholzproduzenten Tanjung Johor. Am Ende kann keine Behörde mehr nachvollziehen, woher die Ware kommt, und das schmutzige Geschäft bleibt an den kleinen Leuten kleben.
Auch der Zellstoffkonzern Asia Pulp and Paper hat den Regenwald in eine Einöde verwandelt. Dank internationaler Kredite aus Deutschland und anderen Industrieländern wurden riesige Produktionsstätten aufgebaut. Doch die genehmigten Einschlagsgebiete des Unternehmens sind längst erschöpft. Jetzt ist der Konzern am illegalen Tropenholzhandel beteiligt. Minderwertige Bäume landen in der Zellstoffmühle, Edelhölzer auf dem internationalen Markt. Sammelstelle für die wertvollen Tropenhölzer ist der Hafen von Jambi. Aufkleber geben an, wem das Holz gehört, aber nicht woher es kommt und wer es geschlagen hat. Und wenn es Ärger gibt, werden die Beamten einfach gekauft.
Allein die Umweltschutzgruppen in Indonesien stellen sich den Abholzern in den Weg. Die größte indonesische Umweltschutzorganisation Walhi, die von Rettet den Regenwald unterstützt wird, beobachtet seit Jahren die Ausplünderung der Wälder durch die Holzexporteure. Longana Ginteng ist Leiter von Walhi Indonesien und verfügt über detaillierte Informationen der internationalen Holzhandelwege. Immer wieder gelingt es den Umweltaktivisten Beweise vorzulegen, woher das Holz kommt. Ständig sind seine Leute vor Ort und inspizieren die Fabriken. Viele dieser Betriebe, wie etwa die Parkettfabrik Teka der Tanjung Johor Gruppe, wurden mit internationalen Bankkrediten finanziert und werden auch mit deutschen Steuergeldern verbürgt.
"Die Verbraucher in Europa und den USA sollten sich darüber im klaren sein, dass über 70 Prozent des Holzes in Indonesien illegal geschlagen wird", sagt Walhi-Chef Longana Ginteng. In zwei Fällen ist es ihm gelungen den Deal mit illegalem Holz aufzudecken. Seitdem beschäftigt der Sperrholzproduzent Psut die Gerichte und das Parlament in Jambi. Tausende Bauern fordern für ihren von Psut abgeholzten Wald Entschädigung. Auch die Tanjung Johor Gruppe muss sich wegen illegaler Abholzung im Kirinci-Nationalpark vor Gericht verantworten.
"Wir haben die Handelswege dieser beiden international operierenden Konzerne verfolgt und sind auf der Fußbodenmesse 'Domotex' in Hannover gelandet", berichtet Inge Altemeier. "Die Tanjung Johor Gruppe wird in Deutschland von der Bremer Firma Plyquet vertreten. Plyquet vertreibt nicht nur die Tropenholzprodukte wie das Edelparkett Teka, sondern vermittelt auch in Sachen Aufbauhilfe für Tanjungs Parkettfabriken." Maschinenlieferungen aus Deutschland für die Teka in Indonesien wurden mit zwei Millionen Euro vom deutschen Steuerzahler verbürgt. "Der Geschäftsführer von Plyquet war trotz mehrmaliger Anfrage nicht bereit vor der Kamera Stellung zu nehmen", erzählt Inge Altemeier. "Stattdessen gab er uns am Telefon den Hinweis, andere Firmen seien noch viel schlimmer in den illegalen Handel mit Tropenholz verwickelt."
Auf der "Domotex" in Hannover boomt das Geschäft Mehr als die Hälfte der Aussteller haben die edlen Hölzer im Angebot als Parkett, Möbel, Terrassen und als Holzverkleidung für Badezimmer. Immer neue Tropenholzprodukte kommen auf den Markt. Sie tragen Namen wie Bankirai, die nicht mit den Tropenholzskandalen der 90er Jahre in Verbindung gebracht werden. Das hoch verschuldete Indonesien ist abhängig von dem Devisen bringenden Tropenholzhandel. Mehr als die Hälfte der Einnahmen werden mit Rohstoffen aus dem Regenwald erwirtschaftet.
Der internationale Währungsfond und die Weltbank setzen Indonesien unter Druck. Mindestens sechs Prozent Wirtschaftswachstum sind gefordert, sonst gibt es keine neuen Kredite. Gleichzeitig fordert die Weltbank von der indonesischen Regierung den illegale Einschlag zu beenden. Eine Weltbankstudie belegt, dass der Regenwald auf Sumatra in vier Jahren verschwunden ist, wenn der illegale Einschlag nicht gestoppt wird. Alle Versuche der indonesischen Regierung und der Europäischen Gemeinschaft, durch bessere Einfuhrgesetze dem illegalen Tropenholzhandel einen Riegel vorzuschieben, sind bisher von der Welthandelsorganisation WTO unterbunden worden. Nach ihrem Verständnis ist ein internationales Einfuhrverbot von indonesischem Holz in der Welt des grenzenlosen Handels nicht erlaubt. Bleibt nur die Macht der Verbraucher in Europa.