RegenwaldReport 02/2003
Konjunktur für Auftragskiller
Weltweit werden Menschen ermordet, verletzt und bedroht, die sich für den Schutz der Wälder einsetzen
In Porto de Moz entlud sich vor kurzem der Zorn der Holzunternehmer wegen einer Flussblockade durch lokale Bauern in regelrechten Jagdszenen. Auf dem Flughafen wurde eine Fernsehreporterin, die die Protestaktion gefilmt hatte, fast gelyncht. Ein lokaler Umweltschützer wurde verprügelt, sein Boot verbrannt. Andere Aktivisten, darunter ein Priester, schweben bis heute in Lebensgefahr – Alltag in Porto de Moz. Die Stadt liegt am Jaraucu, einem Nebenfluss des Xingu im brasilianischen Amazonas-Bundesstaat Pará. Monat für Monat, so schätzt die Landarbeitergewerkschaft, werden 50.000 Kubikmeter Tropenholz über den Jaraucu abtransportiert.
In den vergangenen Jahren sind Dutzende Holzfirmen in die Region eingedrungen. Die meisten kommen aus dem Osten des riesigen Bundesstaates, wo sie kaum etwas vom Amazonasregenwald übrig gelassen haben. Drei Viertel von ihnen arbeiten ohne Lizenz. Das Holz geht in die EU, nach Japan und in die USA. Bedroht sind nicht nur die Wälder um Porto de Moz, sondern auch Konjunktur für Auftragskiller Weltweit werden Menschen ermordet, verletzt und bedroht, die sich für den Schutz der Wälder einsetzen rund 15.000 Menschen, die hier seit Jahrzehnten von der Fischerei, der Jagd und der Nutzung von Urwaldfrüchten leben.
1997 haben die Waldbewohner von Porto de Moz mit der Hilfe von Kirchenleuten ein „Komitee zur nachhaltigen Entwicklung“ gegründet. Seitdem kämpfen sie gemeinsam gegen die Holzmafia und fordern die Einrichtung eines 13.000 Quadratkilometer großen Naturreservats mit dem Namen „Immergrün“ – es wäre das größte Brasiliens. Verhindert haben dies bisher die Politiker aus Pará, darunter der örtliche Bürgermeister Gerson Campos, selbst Besitzer zweier großer Sägewerke.
Deshalb haben sich Ende 2002 die Flussgemeinschaften zur Blockade des Stroms entschlossen und riskieren dabei täglich ihr Leben. Auch in der Urwaldstadt Altamira geht die Angst um. „Es zirkuliert eine Todesliste, auf der bekannte Aktivisten der sozialen Bewegungen bis hin zu linken Landespolitikern stehen“, berichtet Airton Faleiro, Vorstandsmitglied der brasilianischen Landarbeitergewerkschaft. Ende August 2001 hatten Auftragskiller in Altamira, ebenfalls im Bundesstaat Pará gelegen, den 36-jährige Ademir Alfeu Federicci in seinem Haus erschossen. Er gehörte zu den schärfsten Kritikern des so genannten Belo Monte Staudamms am Rio Xingu.
Während die PR-Manager des Energieriesen Eletronortes den Xingu-Damm als „Geschenk Gottes“ anpreisen, wird der Kampf um die Zukunft des Amazonas immer blutiger. Nach Informationen des Parlamentsabgeordneten Paulo Rocha von der Arbeiterpartei wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als ein Dutzend Landarbeiter und Mitglieder von Graswurzel-Organisationen in Pará ermordet, ohne dass irgendjemand dafür zur Verantwortung gezogen wurde. Hunderte Menschen landeten zudem im Gefängnis. Der Grund: Die Umweltaktivisten wehren sich verzweifelt gegen einen Regierungsplan, nach dem 40 Milliarden US-Dollar für die weitere „Entwicklung“ des Amazonas investiert werden sollen. Geplant sind 6000 Kilometer neue Highways, Staudämme, Bergwerke, die Erschließung von Gas- und Ölfeldern und die Ausweisung neuer Konzessionen für Holzkonzerne.
Mit der ansteigenden Gewalt gegen Umweltschützer, Menschenrechtler und Gewerkschafter reagieren die Mächtigen im brasilianischen Amazonas auf die zunehmenden Erfolge der sozialen Bewegungen, die von Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt unterstützt werden. Wer sich für den Erhalt der Regenwälder und soziale Reformen einsetzt, stört die Kreise der Holzund Viehbarone, der Minengesellschaften und der korrupten Politiker, die beispielsweise beim Bau von Großstaudämmen absahnen. Sie alle profitieren kurzfristig von der Zerstörung des Amazonas, während Kautschukzapfer, Indigene und kleine Waldbauern auf die Regenwälder als Lebensgrundlage angewiesen sind.
Besonders der internationale Tropenholzhandel vernichtet nicht nur einzigartige Urwälder, sondern ist auch verantwortlich für Gewalt und Verbrechen an Menschen. Weit über die Hälfte des in Indonesien oder im Amazonas eingeschlagenen Holzes stammt aus illegaler Ausbeutung. Kein Aufkleber verrät den Konsumenten in der westlichen Welt, ob das „grüne Gold“ gewaltsam aus Indianerreservaten geraubt wurde. Kaum ein Verbraucher ahnt, dass Holz aus Afrika Bürgerkriege finanziert. In deutschen Baumärkten gibt es keine Hinweise, ob für die Hehlerware jemand sterben musste oder einem Dorf im Regenwald die Lebensgrundlage zerstört wurde.
Im September 2001 hatte der 28- jährige Indianer Carlito Cinta-Larga den illegalen Holzeinschlag im Indianerreservat bei Aripuana im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso angezeigt. Am 20. Dezember wurde er daraufhin von Pistoleros hingerichtet. Die Führer der Landlosenbewegung in Rondon im Bundesstaat Pará mussten die Polizei um Schutz bitten, nachdem sie von lokalen Ranchern bedroht worden sind.
Jedes Jahr werden weltweit Dutzende Menschen ermordet, die für den Schutz der Regenwälder, für Waldbewohner und für die Tiere und Pflanzen des Dschungels kämpfen. Manche Opfer wie die Affenforscherin Diana Fossey oder der brasilianische Kautschukzapfer Chico Mendes waren schon zu Lebzeiten berühmt. Die meisten Ermordeten sterben, ohne dass die Welt sich dafür interessiert. Zusätzlich werden Tausende Menschen verletzt, bedroht, gefoltert oder illegal verhaftet, weil sie sich in ihrer Heimat gegen die Regenwaldzerstörung stemmen.
Im Februar 2000 wurden in Guatemala die beiden Naturschützer Erwin Aroldo Ochoa Lopez und Julio Armando Vasquez umgebracht. Beide arbeiteten für den „National Protected Areas Council“, der die Nationalparks des Landes überwacht. Erwin Ochoa hatte in mehr als 40 Fällen recherchiert, in denen es zu Umweltverbrechen in Schutzgebieten gekommen war. Julio Vasquez war in der Verwaltung des „National Protected Areas Council“ beschäftigt. Ric Serrano wurde im Sommer 1998 in der philippinischen Stadt Quezon hingerichtet – von Killern, die sein Auto stoppten und auf ihn schossen. Beschäftigt war er im „Department of Environment and Natural Resources“. Serrano hatte viele Feinde, weil er illegale Holzeinschläge in Zentral-Luzon aufgedeckt hatte. Ein hoher Regierungsbeamter, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte zu dem bis heute nicht aufgeklärten Verbrechen, es habe eine Menge Leute gegeben, die auf Ric’s Kopf eine hohe Summe ausgesetzt hätten.
Jafar Siddiq Hamzah aus der nördlichen Provinz Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra musste im November 2000 mit seinem Leben dafür bezahlen, dass er für den Schutz der Regenwälder gekämpft hat, der dort Lebensraum für Zehntausende Menschen ist. Feri Irawan droht das gleiche Schicksal. Wenn er sein Telefon abnimmt, hat er ein ungutes Gefühl. Seit Monaten wird er regelmäßig mit Morddrohungen traktiert. Kürzlich wurde er direkt mit einem Gewehr bedroht. Feri Irawan arbeitet auf Sumatra für die Umweltorganisation Walhi in der Region Jambi und wird von Rettet den Regenwald unterstützt. In seiner Heimat gibt es noch große Regenwaldgebiete. In Jambi liegen drei Nationalparks und ein Reservat, das die Kubu, ein indigenes Volk, dem Staat abgetrotzt haben. Walhi Jambi recherchiert dort schon seit Jahren und bietet Bauern und Ureinwohnern Hilfe an, die sich verzweifelt gegen illegale Abholzungen in ihren Wäldern wehren.
Im indonesischen Teil der Insel Borneo kämpft der Journalist Abi Nachran gegen die Abholzung der Regenwälder in Kalimantan. Weil er Beweise über illegale Einschläge veröffentlicht hat, wurde er von den Schergen der Holzmafia schwer verstümmelt (REGENWALD REPORT 4-2002). Trotzdem will Abi Nachran weiter gegen die skrupellosen Holzkonzerne kämpfen, die sogar Nationalparks plündern. Jahrelang kämpfte der Schweizer Bruno Manser für die Rechte der Penan in Malaysia und wurde dadurch weltberühmt. Gleichzeitig wuchs die Zahl seiner Todfeinde mit jeder Protestaktion, die Manser durchführte. Im Frühjahr 2000 machte er sich erneut auf um die Ureinwohner in ihrem Kampf gegen skrupellose Holzkonzerne im malayischen Teil von Borneo zu unterstützen. Doch er kam nicht bei den Penan an. Seitdem ist er spurlos verschwunden. Freunde von Manser fürchten, dass er von der Holzmafia liquidiert worden ist.
In Ecuador eskaliert der Konflikt zwischen dem Ölkonzern CGC/ChevronTexaco und Sarayacu-Indigenen im südlichen Amazonas. Die Ölfirma hat bereits Schneisen in die Wälder der Sarayacu geschlagen um dort seismische Tests zum Aufspüren von Ölfeldern durchzuführen. Weil die Indigenen dies als illegalen Akt ansehen, haben sie Anfang des Jahres ein Ölarbeiter- Camp zerstört und fünf Mitarbeiter der Ölfirma unter Arrest gestellt. Sie wurden später der Polizei übergeben. Die fünf Personen gehören zum bewaffneten Wachpersonal von CGC/ChevronTexaco. Die Paramilitärs haben inzwischen bestätigt, dass das Ölarbeiter-Camp mit Landminen geschützt worden ist. Mitte Januar 2003 hatten Angestellte von CGC/ ChevronTexaco auf Sarayacu-Indigene geschossen, die in einem Boot unterwegs waren, um die Grenzen ihres traditionellen Lebensraums zu demarkieren. Die Angegriffenen konnten sich nur retten, weil sie sich auf den Boden ihrer Kanus gelegt haben.
„Unsere Wälder bluten, seit westliche Ölkonzerne sie plündern“, sagt Mario Sandi, ein Indigenenvertreter der Sarayacu, der Ende 2002 Deutschland bereist hat. „Jetzt sind wir Waldbewohner selbst in Lebensgefahr.“ Rettet den Regenwald hat eine neue Kampagne gestartet, die den Opfern der Regenwald- Mafia hilft.
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