zurück zur Übersicht
RegenwaldReport 01/2004

Papier aus Raubbau

Wie die Konzerne APP und APRIL das Ende des Regenwaldes in Sumatras Provinz Riau einläuten

Der Boom der Zellstoff- und Papierindustrie in Indonesien hat katastrophale ökologische und soziale Folgen. „Besonders bestürzend war für mich das Ausmaß der Umweltzerstörung, während die Provinz gleichzeitig in Armut versinkt“, erzählt Jens Wieting. Obwohl Riau reich an Öl, Gas und Holz ist, hat die Ausbeutung der Ressourcen der Mehrheit der heute rund fünf Millionen Einwohner überwiegend Nachteile gebracht. Mit Milliardenkrediten und Bürgschaften versorgt – auch aus Deutschland – zerstören die Konzerne die natürlichen Reichtümer und verschärfen die Armut des Landes.

Vor allem in den ländlichen Regionen gibt es kaum eine Infrastruktur. Die Straßen sind holprig und verwandeln sich nach tropischen Regenfällen in Schlammpisten. Die Versorgung mit Strom, Wasser und Telefonleitungen ist dürftig. Lastwagen, beladen mit wertvollen, meist illegal geschlagenen Hölzern für die Sägewerke oder Rest- und Plantagenholz für die Zellstofffabriken, sind Tag und Nacht auf Riaus Straßen unterwegs. Auf den Flüssen werden zusätzliche Baumstämme zu Flößen zusammengebunden transportiert – nachts, wenn keine Schiffe unterwegs sind. Die Fläche des Tieflandregenwaldes auf Sumatra schrumpfte zwischen 1990 und 2002 um 60 Prozent.

Hauptverantwortlich sind die Zellstoff-, Palmöl- und Holzindustrie sowie die Regierung, die keine Kontrolle ausübt. Den größten Holzhunger aller Beteiligten hat die Zellstoffindustrie. Zwischen 1988 und 2000 wurden in Indonesien etwa 120 Millionen Kubikmeter Holz zu Zellstoff verarbeitet, davon kamen nur zehn Prozent aus Plantagen. „Die Lage in Sumatra ist noch bestürzender als ich erwartet hatte“, so Jens Wieting. „Im Tiefland der Provinz Riau sind die natürlichen Waldökosysteme bis auf kleine Gebiete verschwunden. Trotzdem wird auch der Rest in atemberaubendem Tempo entwaldet. Als ob ein Wettkampf um die letzten Holzreserven entbrannt ist, bei dem keiner darauf vertraut, dass morgen noch ein Baum stehen könnte.“

Die Folgen sind unübersehbar: Wo einst urwüchsige Regenwälder standen, ist das Land von eintönigen Ölpalm- und Akazienplantagen bedeckt oder liegt brach. Die Umweltzerstörung gefährdet das Überleben vor allem der ärmeren Teile der Bevölkerung, die noch unmittelbar auf saubere Flüsse und intakte Wälder angewiesen sind. Mit den Wäldern sind auch viele Tiere und Heilpflanzen verschwunden, die früher von der lokalen Bevölkerung genutzt wurden. Die Opfer der Katastrophe beklagen, dass sie durch Landraub und Umweltverschmutzung ihre traditionellen Lebensgrundlagen verloren haben und daher gezwungen sind, sich am illegalen Holzeinschlag zu beteiligen. Bei der Konzessionsvergabe herrschen chaotische Zustände, da sowohl auf nationaler auch auf lokaler Ebene Genehmigungen zum Holzeinschlag vergeben werden. Aufsicht durch Behörden findet nicht statt oder wird durch Korruption umgangen, bei vielen illegalen Holzgeschäften ist das Militär beteiligt.

Holzhunger wird in Regenwäldern gestillt

Von allen Beteiligten haben die Fabriken von APP und Asia Pacific Resources International Holdings Ltd. (APRIL) in der Provinz Riau den größten Holzhunger. Für ihre jährliche Produktion von jeweils zwei Millionen Tonnen Zellstoff verbrauchen sie neun Millionen Kubikmeter Holz. Noch immer beziehen sie rund zwei Drittel dieser Menge aus Naturwäldern. Laut Zahlen aus dem Forstministerium, die Robin Wood vorliegen, will APP bis 2007 weitere 160.000 Hektar und APRIL bis 2009 noch 200.000 Hektar Naturwald in Plantagen umwandeln. Bisher hat die Zellstoffindustrie auf Sumatra mindestens 835.000 Hektar Wald zerstört (zum Vergleich: mehr als die zehnfache Fläche Hamburgs). Außerdem machen die Konzerne durch ihren Wegebau viele Gebiete für den illegalen Holzeinschlag erst zugänglich.

Aufgrund des Drucks von Umweltorganisationen haben beide Konzerne in den vergangenen zwei Jahren Korrekturen eingeleitet, um ihr Image zu verbessern. Beide Fabriken beendeten das Geschäft mit einer Reihe von Lieferanten, die nachweislich illegal geschlagenes Holz verkauft hatten und kündigten schärfere Herkunftskontrollen ihres Rohstoffverbrauchs an. „Bei APP war jedoch trotz mehrfacher Nachfrage angeblich niemand verfügbar, der die Kontrolle hätte demonstrieren können. Die einzige erhältliche Information war, dass bisher noch keine EDV bei der Zulieferung eingesetzt wird“, berichtet Jens Wieting. Ein Vertreter von APP habe eingeräumt, dass das Unternehmen derzeit nicht garantieren könne, dass kein Holz aus Schutzgebieten in die Fabrik gelange.

Der WWF Indonesien versucht seit geraumer Zeit, durch Vereinbarungen mit beiden Konzernen besonders sensible Waldgebiete vor der Zerstörung zu bewahren. Als vor allem schützenswert gilt das Tesso Nilo Gebiet, das die weltweit höchste Pflanzenvielfalt aufweist. Nachdem APP hier noch bis 2001 wertvollen Regenwald in Plantagen umwandelte, beschloss der Konzern 2002 ein zeitweiliges Moratorium für den Holzeinschlag in diesem Gebiet. Im Februar 2004 gab der WWF allerdings bekannt, dass APP sich nicht an die getroffene Vereinbarung zum Schutz der letzten Regenwälder auf der Insel Sumatra hält.

Der von APP vorgelegte Aktionsplan sieht vor, innerhalb der nächsten zwei Jahre weitere 160.000 Hektar Regenwald auf Sumatra kahl zu schlagen – was der doppelten Fläche Berlins entspricht. Ob die dafür vorgesehenen Wälder schutzwürdig sind und deshalb von der Rodung ausgenommen werden müssten, will APP nicht vorab prüfen. Auch bei den Rechten der lokalen Bevölkerung und bei der Legalität aller Operationen erfüllt der Konzern die bisherigen Abmachungen mit dem WWF nicht.

Die indonesische Regierung spielt den Waldzerstörern in die Hände. Sie hat es bisher nicht einmal geschafft, einen Teil von Tesso Nilo offiziell unter Schutz zu stellen. Deswegen wird der verbliebene Wald von illegal operierenden Holzfällern Tag für Tag weiter zerstört. Diese benutzen dabei die von den Konzernen gut ausgebauten Sandpisten, die das Waldgebiet durchschneiden, zum Transport und als Ausgangspunktfür ihren eigenen Wegebau. „Obwohl APP und APRIL sich verpflichtet haben, kein Holz von Lieferanten aus Tesso Nilo anzunehmen, haben wir vor Ort festgestellt, dass weiterhin Holz für die Zellstoffproduktion aus Tesso Nilo abtransportiert wird“, so Jens Wieting.

„Legale“ Umwandlung von Regenwald in Plantagen

APP und APRIL behaupten, sie würden nur „degradierte“ Flächen und keine Wälder mit besonderem Naturschutzwert („High Conservation Value Forest“) zerstören. Tatsächlich vernichten die Konzerne zum großen Teil Regenwald mit hoher Artenvielfalt. Selbst der Sekundärwald, der bereits in der Vergangenheit genutzt wurde, bietet Lebensraum für viele gefährdete Tiere und Pflanzen, die in den Plantagen nicht überleben können. Beide Konzerne beziehen derzeit einen Teil ihres Rohstoffs aus Torfwäldern im Osten Riaus. „Wir konnten beobachten, wie täglich mehrere Lastkähne aus APP-Konzessionen in der Umgebung der Schutzgebiete Bukit Batu und Siak Kecil Tropenholz an die Fabrik liefern“, erzählt Jens Wieting.

Nach APP-Angaben werden jeden Tag etwa 20.000 Tonnen Holz von 16 bis 18 Schiffen abgeladen. Auf die Frage nach der Herkunftskontrolle erfuhr der Robin-Wood-Mitarbeiter lediglich, dass diese bei der Beladung stattfinde. APRIL beutet derzeit die knapp 80.000 Hektar große Pelalawan-Konzession aus, in der Torfwald in Plantagen umgewandelt wird. Zwar hat APRIL eine Untersuchung der ökologischen Bedeutung dieses Gebietes bei der Bogor Universität in Auftrag gegeben, doch wurde das Ergebnis nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. APRIL-Mitarbeiter behaupten, dass in diesem Gebiet keine Arten aussterben würden, da rund 23 Prozent der Fläche von der Nutzung ausgenommen seien.

Diese Darstellung ist mit großer Sicherheit falsch. Der Wald in diesem Gebiet war lange Zeit ungestört und beinahe undurchdringlich. Aus der Untersuchung der Universität, die Robin Wood auszugsweise vorliegt, geht hervor, dass hier geschützte Baumarten wie Ramin vorkommen sowie bedrohte Tierarten, darunter 78 Vogel-, acht Reptilien- und 20 Säugetierarten einschließlich Sumatra-Tiger. Bisher sind etwa 50.000 Hektar Regenwald in dieser Konzession vollständig zerstört und ein Kanalnetz von 800 Kilometern zur Bewirtschaftung der Akazienplantagen geschaffen worden.

Aus der Luft sieht das Gebiet aus wie ein Schachbrett – rechtwinklig mit Kanälen durchzogen. Pausenlos arbeiten Bagger daran, frischen Schlamm aus den etwa fünf Meter breiten Wasserstraßen zu holen. Schleusen regulieren den Wasserstand und entziehen der oberen Torfschicht die Feuchtigkeit. Damit wird die Waldbrandgefahr dramatisch erhöht. Die isolierten Restwaldbestände, die von der Nutzung ausgenommen werden, sind nicht groß genug, um das Überleben der bedrohten Arten zu gewährleisten. Die Randbereiche und die Waldkorridore sind schon jetzt stark beeinträchtigt, hinzu kommen die Eingriffe in den Wasserhaushalt sowie das Risiko des illegalen Holzeinschlags, wenn Holzfäller über Straßen oder Kanäle des Konzerns in das Gebiet kommen. Die Akazienplantagen bieten kaum Lebensraum für Tiere und Pflanzen, und auch diese Flächen werden etwa alle sieben Jahre per Kahlschlag geerntet und unter Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wie „Roundup“ neu bepflanzt.

Wie schon zuvor in Tesso Nilo hat APRIL nun auch im Osten Riaus zur Zerstörung und Parzellierung eines zusammenhängenden Waldgebietes beigetragen und damit die Ausrottung von Tieren und Pflanzen auf Sumatra beschleunigt. Noch ist kein Ende dieser Entwicklung in Sicht, denn es kursieren Gerüchte, dass APRIL Richtung Osten expandieren will: Weitere 50.000 Hektar Wald sollen demnach Plantagen weichen und es soll eine Straßenverbindung entlang des Kampar-Flusses zur Ostküste gebaut werden, um in Zukunft den Export und Import von Holz zu ermöglichen.

Es steht zu befürchten, dass APRIL dann Tropenholz aus Borneo für seine Fabrik einführen wird. Auch APP baut seine Infrastruktur im Küstengebiet aus und verfolgt wahrscheinlich ähnliche Pläne, um billiges Holz aus größerer Ferne zu beziehen. Noch aber bedient sich das Unternehmen ebenfalls im Tieflandregenwald Sumatras. Dabei plane der Konzern, wie ein Mitarbeiter gegenüber Robin Wood zugab, auch Wälder einzuschlagen, die wahrscheinlich einen hohen Schutzwert hätten, aber aufgrund ihrer Lage nicht vor den illegalen Holzfällern zu schützen seien. Die bittere Erkenntnis der Recherche: Während APP und APRIL sich ein bisschen als „Ökokonzerne“ präsentieren, geht der Raubbau am Regenwald ungebremst weiter. APP und APRIL machen die Waldzerstörung nach und nach legal.Die einzige Rettung für die Regenwälder wäre, dass die Konzerne den Holzeinschlag in den restlichen natürlichen Wäldern beenden und ihre Produktion auf die Kapazität der bestehenden Plantagenflächen reduzieren.

Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter

Bleiben Sie mit unserem Newsletter am Ball – für den Schutz des Regenwaldes!