RegenwaldReport 03/2006
Hilferuf aus der Smaragd-Provinz
Im Nordwesten Ecuadors werden die letzten Tieflandregenwälder des Chocó von Holzfirmen geplündert. Ihnen folgen Landspekulanten, Siedler und Palmölproduzenten. Mit der Zerstörung der Urwälder des Chocó droht die endgültige Vernichtung eines der weltweit artenreichsten Ökosysteme und der indigenen Awá-Kultur. In ihrem Kampf für den Erhalt ihrer Regenwälder gegen die Firmen benötigen die Awá unsere Hilfe, finanziell und Proteste bei der ecuadorianischen Regierung, um Druck für Reformen und wirksame Kontrollen auszuüben.
In dem kleinen Indianerdorf Guadualito im Regenwald von Esmeraldas leben die Awá-Indianer. Ein paar Holzhütten gruppieren sich um einen Gras bewachsenen Platz herum, auf dem Kinder Fußball spielen. Die Erwachsenen schauen von ihren Hütten aus zu. Eine scheinbar friedliche Idylle.
Aus dem Wald nähert sich Motorenlärm. Ein schwer beladener Holzlaster keucht im Schritttempo die Anhöhe zum Awá-Dorf hinauf. Die Piste mitten durch das Indianerdorf hat die Parkettfirma ROBALINO gebaut. Jahrelang hat das Unternehmen in einem benachbarten Regenwald Bäume eingeschlagen. Nun ist ROBALINO abgezogen, nachdem die wertvollen Chanulbäume und alle anderen für die Parkettherstellung geeignete Harthölzer gerodet sind. Eine andere Firma, der Sperrholzhersteller PLYWOOD ECUATORIANA, schlägt jetzt die verbliebenen weichen Hölzer ein. Vom Regenwald bleibt dann nichts mehr übrig und es kommen die Palmölplantagenfirmen. Die Dorfkinder betrachten mit traurigen Augen den Lastwagen. Etwas abseits stehen ein paar junge Erwachsene, die um ihre Zukunft fürchten. „Wir möchten im Dorf ein Ökotourismusprojekt gründen“, erklärt Juán Pay mit Blick auf die Baumstämme auf der Ladefläche des Holzlasters. „Wir können als einheimische Führer die Touristen zu den Naturschönheiten in unserem Gebiet führen“. Dazu gehört ein Wasserfall im Urwald nur wenige Hundert Meter vom Dorf entfernt.
„Was meinst Du? Kannst Du uns dabei helfen?“, fragt mich Jairo Cantincuz. Ein knappes Jahr später bin ich wieder im Dorf. Die Zustände haben sich drastisch verschlechtert. Ein riesiger Timberjack Forstschlepper steht mitten im Dorf. Der Dorfplatz ist von Fahrspuren durchwühlt, Baumstämme liegen dort, wo noch vor Monaten die Kinder Fußball spielten. Die Awá in Guadualito haben ihre Bäume an den Sperrholzhersteller CODESA verkauft. Der rodet nun im Dorfwald alle nutzbaren Bäume für die Produktion von Sperrholzplatten.
Provinz Esmeraldas
Guadualito liegt in der Provinz Esmeraldas. Den Namen Esmeraldas, zu deutsch Smaragd, gaben die spanischen Eroberer der zwischen Pazifik und Andenkordillere gelegenen Provinz im 16. Jahrhundert. Edelsteine wurden nie gefunden, denn der eigentliche Reichtum der Provinz liegt nicht in der Erde, sondern in den darauf stockenden Regenwäldern. In den sechziger Jahren war die Provinz noch mit dichten Regenwäldern bedeckt. Doch dann kamen die Holzkonzerne. Ihnen folgten Landspekulanten, Siedler und Plantagenfirmen. Heute gehören die Küstenregenwälder in Esmeraldas wie auch im benachbarten Kolumbien zu den am meisten bedrohten Ökosystemen weltweit.
Esmeraldas liegt in der so genannten biogeografischen Region des Chocó, die eine weltweit einzigartig hohe Biodiversität aufweist. 20 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind endemisch, leben also nur hier und kommen an keinem anderen Ort der Welt vor. So besteht das Verbreitungsgebiet des Rio Pitzara Robber Frosch (Eleutherodactylus helonotus) nur aus wenigen Quadratkilometern.
Bereits die Rodung kleinerer Regenwaldflächen kann zur Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten führen. Das Aussterben geschieht oftmals unbemerkt, da viele Arten niemals wissenschaftlich erfasst worden sind.
Sperrholzfirmen
Die Holzfabriken brauchen ständig Nachschub für die Produktion. Mehr als die Hälfte des in Ecuador genutzten Holzes stammt aus Esmeraldas. Die beiden großen Holzkonzerne Ecuadors schlagen dort das benötigte Holz ein: Die Peña-Durini-Gruppe, zu der unter anderem die Firmen ENDESA, BOTROSA und SETRAFOR und die Gruppe Álvarez Barba, zu der PLYWOOD ECUATORIANA und CODESA gehören. Die Firmen stellen aus den Urwaldbäumen Sperrholz und Holzplattenwerkstoffe her. Der überwiegende Teil der Produktion geht in den Export in die USA und nach Mexiko. Nur etwa ein Drittel wird auf dem ecuadorianischen Markt verkauft. Der Holzeinschlag ist weder ökologisch nachhaltig noch sozial verträglich. Mit der Zerstörung der Regenwälder berauben sich die Holzfirmen ihrer Produktionsgrundlage. Das bekommen auch die Awá zu spüren. Ihr 1.150 Quadratkilometer große Awá-Territorium (entspricht etwa der Fläche von Hamburg und Bremen zusammen) ist als das letzte große Gebiet von Tieflandregenwald an der ecuadorianischen Küste ins Visier der Holzfäller geraten.
Palmölplantagen
Mit dem industriellen Holzeinschlag eng verbunden ist die Palmölindustrie. Den Holzfällern folgen die Plantagenfirmen und zwischen beiden bestehen enge Verbindungen, so etwa zwischen der Álvarez Barba-Gruppe und Industrias Ales, dem größten Palmölhersteller des Landes. Ende der neunziger Jahre begannen diese die an das Awá-Territorium angrenzenden Regenwaldgebiete aufzukaufen. Mit Baggern rodeten sie bisher etwa 30 Tausend Hektar Regenwald und legten dort Plantagen mit afrikanischen Ölpalmen an.
Die Palmölfirmen genießen dabei die Unterstützung von höchsten Regierungsstellen. Im August 2002 erklärte der damalige ecuadorianische Präsident Noboa überraschend per Erlass 60.000 Hektar Regenwald im Norden von Esmeraldas zu landwirtschaftlicher Fläche. Ein großer Teil der Palmölproduktion geht in den Export. Palmöl ist in vielen Produkten enthalten: so in Margarine, Speiseeis, Seife und Waschpulver.
Lebensgrundlagen zerstört
„Die Holz- und Plantagenfirmen versprechen Geld, Strassen und Fortschritt”, berichtet Olindo Nastacuaz, Präsident der Föderation Awá. In ihr sind die 22 Awá-Dörfer in Ecuador zusammengeschlossen. „Die meisten Awá leben heute in bitterer Armut. Wir wünschen uns Fortschritt, aber nicht auf Kosten der Natur und unserer traditionellen Lebensweise.
Bis vor dreißig Jahren lebten wir Awá noch auf traditionelle Weise im Einklang mit der Natur, weit ab von Strassen und Siedlungen”, fährt er fort. „Seit Jahrhunderten haben wir den Regenwald genutzt, ohne ihn zu zerstören”, erklärt Filomena Rosero, Frauenführerin der Föderation Awá. „Unsere Lebensgrundlagen bilden die Jagd, der Fischfang und der Anbau von Bananen und Maniok auf kleinen im Regenwald angelegten Parzellen. Der Urwald liefert uns fast alles, was wir zum Leben brauchen: Wild, Fisch, Früchte, Medizin, Holz zum Bau von Hütten und Kanus, Palmenblätter zum Dachdecken oder Fasern zum Flechten.” Filomena leitet eine Gruppe von Awá, die Kunsthandwerk – Masken, Schmuck und Flechtprodukte – aus im Regenwald vorkommenden Materialien herstellt und verkauft. „Die Holz- und Palmölfirmen haben unser Leben und den sozialen Frieden aus dem Gleichgewicht gebracht”, fährt Olindo Nastacuaz fort. „Guadualito ist nur eins von 22 Awá-Dörfern im Regenwald. In der Nähe der Awá-Dörfer Mataje, Balsareño, Pambilar und La Unión haben PLYWOOD ECUATORIANA und SETRAFOR bereits Pisten gebaut. Der von den Sperrholzfirmen geplünderte und schwer geschädigte Regenwald kann uns Awá nicht ernähren.”
Nach dem industriellen Holzeinschlag geht die Vielfalt der im Regenwald lebenden Tierarten drastisch zurück. Die von den Holzkonzernen eingeschlagenen Bäume Sande (Brosimum utile), Cuangare (Otoba novogranatensis), Chalviande (Virola sp.) und Guadaripo (Nectandra guadaripo) sind wichtige Futterbäume für die Regenwaldtiere. Während Papageien, Tukane, Affen und Fledermäuse deren Früchte direkt in den Baumwipfeln verspeisen, ernähren sich Agutis, Pekaries und Tapire von den zu Boden gefallenden Früchten. Ohne die Bäume verschwinden die Tiere. Auf den Holzfällerpisten eindringende Siedler schießen die letzten Tiere weg. Die Fluss- und Bachläufe werden von den Sedimenten verschmutzt, die die heftigen tropischen Regenfälle von den Fahrspuren der Forstschlepper frei spülen, oder werden zur Anlage der Holzfällerpisten einfach zugeschüttet.
Die Folgen der Palmölindustrie sind noch katastrophaler. Riesige Regenwaldflächen werden unwiederbringlich zerstört. Durch die massive Regenwaldrodung kommt es zu lokalen Klimaänderungen. Die auf den Plantagen in großen Mengen eingesetzten Düngemittel und Pestizide vergiften Böden, Gewässer, Tiere und Menschen. Die um das Awá-Territorium herum lebenden Kleinbauern afroecuatorianischer Abstammung haben auf diese Weise schon ihr Land und ihre traditionellen Lebensgrundlagen verloren. Auf der Suche nach neuem Landparzellen dringen sie in den Regenwald der Awá-Indianer ein. So kommt es immer wieder zu Konflikten, gewalttätigen Auseinandersetzungen und illegalen Landbesetzungen.
Die Maschinen für die Waldvernichtung stammen dabei aus den Industrieländern: Motorsägen der Marken STIHL und HUSQUARNA aus Deutschland und Schweden, CATERPILAR-Bulldozer und TIMBERJACK-Forstschlepper aus den USA, Furnierschälmaschinen von COLOMBO & CREMONA aus Italien, Pestizide von MONSANTO, MERCK, BAYER und DUPONT, um nur einige der deutschen und us-amerikanischen Hersteller zu nennen.
Awá bitten um Hilfe
Als der Sperrholzhersteller PLYWOOD ECUATORIANA im Frühjahr 2005 auch im benachbarten Awá-Dorf Balsareño zu roden beginnt, bitten die Awá Rettet den Regenwald um Hilfe. Mit Spendengeldern von Rettet den Regenwald werden seitdem eine Vielzahl von Aktivitäten und Kleinprojekten unterstützt, um die Arbeit und Position der “Föderation Awá” zu stärken. Eine Vollversammlung der von den Firmen bedrohten Dörfer wurde organisiert und die Risiken durch die Holz- und Palmölfirmen diskutiert. Der Beschluss der “Föderation Awá” wurde bestätigt, keinen industriellen Holzeinschlag zuzulassen.
Mit dabei waren auch die Umweltschützer von DECOIN aus dem Intag und Kichua-Indianer aus Sarayacu im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Die Umweltschützer aus dem Intag haben mit Unterstützung von Rettet den Regenwald seit Jahren den Abbau von Bodenschätzen im Bergregenwald verhindert. Die Kichua-Indianer aus Sarayacu haben sich erfolgreich der Erdölförderung in ihrem Territorium widersetzt. Mit beiden Gruppen haben die Awá eine Zusammenarbeit und einen Erfahrungsaustausch organisiert. Darüber hinaus werden eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen und Aktionen finanziert, so rechtliche Schritte gegen die Sperrholzfirmen und zur Verteidigung des Awá-Territoriums, Fahrten in die Hauptstadt Quito, die Einrichtung lokaler Spar- und Kreditkassen in den Dörfern. Durch den Bau eines Sendemastes an der Basisstation konnte die Kommunikation der Dörfer über Funk verbessert werden. Im Regenwald gibt es kein Telefon, weshalb jedes Dorf mit einem Funkgerät ausgestattet ist. „Wir brauchen weiter dringend Hilfe für die Verteidigung unseres Territoriums”, sagt Olindo Nastacuaz. „Dazu gehört die Bezahlung eines Anwalts, der gegen die Firmen und Landspekulanten auf dem Rechtswege vorgeht. Ausserdem muss über Workshops in den 22 Awá-Dörfern das Bewusstsein und die Organisation der Bauern gestärkt werden. Die müssen sich buchstäblich den Bulldozern der Firmen gegenüber stellen. Weiter ist es wichtig, sozial und naturverträgliche Alternativen und Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.”
AktionStoppen Sie die Kettensägen in Ecuador
Mit einer jährlichen Waldvernichtungsrate von 1,2% (FAO 2003) ist Ecuador mit Abstand trauriger Spitzenreiter in Südamerika. Nur noch etwa ein Drittel des Landes ist mit Wald bedeckt.
Auch in Ecuador ist die Rodung der Urwälder verboten, aber es fehlen wirksame Kontrollen und der Wille, die bestehenden Gesetze umzusetzen. Die Holz- und Palmölfirmen gehören zu den größten Industrien im Lande mit einer mächtigen politischen Lobby.
Neben der Hilfe für die von der Regenwaldzerstörung betroffenen Menschen ist es notwendig, Druck auf die ecuadorianische Regierung auszuüben. Mehr als 80 ecuadorianische Umwelt-, Sozialorganisationen und Basisgruppen haben im Juni 2006 eine Nationale Umweltversammlung abgehalten und eine Reihe von dringenden Beschlüssen zur Rettung der Regenwälder des Landes und zur Unterstützung der darin lebenden Menschen verabschiedet. Dazu gehören ein permanentes Verbot industriellen Holzeinschlags an der ecuadorianischen Küste und ein fünfjähriges Verbot für die Regenwälder im Amazonasgebiet des Landes. Bitte unterstützen Sie die Aktion und schreiben Sie an den ecuadorianischen Präsidenten und seine Umweltministerin. Weitere Informationen und einen Musterbrief finden Sie auf unserer Internetseite www.regenwald.org (Start: 22.07.2006).
Regenwaldkauf bei den Awá
Die Awá wollen zwei wichtige Regenwaldgrundstücke kaufen und als Schutzgebiete bewirtschaften:
1. Etwa 1000 Hektar weitgehend unberührter Bergregenwald sollen direkt angrenzend an das Awa-Dorf Rio Tigre erworben werden. Der Preis liegt bei 78.000 Euro. Es können auch Teilflächen auf Raten gekauft werden. Die jetzigen Besitzer, Landspekulanten aus dem Hochland, wollen den Wald abholzen und in Zuckerrohrfelder für die Alkoholgewinnung umwandeln.
2. Angrenzend an das Awá-Dorf La Unión sollen etwa 100 Hektar Sekundärwald als Sperrgrundstück gekauft werden. Durch das Grundstück führt eine von der Sperrholzfirma SETRAFOR gebaute Holzfällerpiste, auf der aktuell aus dem Awa-Territorium illegal geraubtes Holz abtransportiert wird. Über den Kauf wollen die Awá die Piste kontrollieren. Der Preis liegt bei 15.600 Euro.
Ein Teil der Spendengelder wird für begleitende Massnahmen eingesetzt, wie die Vermessung der Grundstücke, Anwalt und Notar, Transport und Versammlungen.