RegenwaldReport 02/2007
Brasilien: Besetzter Küstenurwald
Rettet den Regenwald unterstützt Kleinbauern in Brasilien, die sich gegen Großgrundbesitzer organisieren
Das Dorf Rio Pequeno, das wir Ende April in Brasilien besucht haben, liegt im Regenwaldschutzgebiet von Guaraqueçaba an der Küste im Nordosten des brasilianischen Bundesstaats Paraná. Mit 315.000 Hektar ist das Gebiet einer der größten Regenwaldreste der Mata Atlántica, wie der Atlantische Küstenurwald in Brasilien heißt.
Die Mata Atlántica ist die am meisten bedrohte Regenwaldform Brasiliens. Dabei enthält das Ökosystem circa 1,6 Millionen Tier-, einschließlich Insekten, und 20.000 Pflanzenarten. Das entspricht etwa 15 Prozent der auf der Erde vorkommenden Lebewesen. Ursprünglich bedeckte die Mata Atlántica das gesamte südliche und mittlere Küstengebiet Brasiliens bis weit ins Landesinnere hinein, vom Bundesstaat Rio Grande do Sul im Süden bis Ceará im Nordosten. Doch Holzfäller, Zellulosefirmen und Großgrundbesitzer für den Kaffee-, Soja- und Zuckerrohranbau haben die Mata Atlántica gerodet. Heute sind nur noch etwa sieben Prozent der ursprünglichen Fläche erhalten, zersplittert in Tausende von kleinen und größeren Regenwaldfragmenten.
Die Bauern in Rio Pequeno und den umliegenden Dörfern haben durch dünne Besiedlung, angepasste Landnutzungsformen und einfache Lebensweise den Regenwald erhalten. Intensive L ndwirtschaft auf kleinen Flächen in den Tälern und Fischfang sicherten ihr Überleben. Ernteüberschüsse verkauften sie lokal.
Doch in den Sechzigerjahren kamen Großgrundbesitzer. „Deren Interesse ist rein ökonomisch und auf die Produktion für den brasilianischen Markt und Export ausgerichtet. Die Großgrundbesitzer zerstören den Regenwald, um Weideflächen für die Viehzucht zu gewinnen. Dazu haben sie asiatische Wasserbüffel eingeführt. Was die Großgrundbesitzer nicht gerodet haben, das zerstören die Wasserbüffel in kurzer Zeit”, erklärt Camilo da Silva. Er zeigt auf ein von Wasserbüffeln verwüstetes Regenwaldstück in einer Weide. „Ein anderes Problem sind Kiefernplantagen. Die Vielfalt des Regenwalds wird dort für die Holzgewinnung zerstört. Die exotischen Kiefernmonokulturen bieten der heimischen Flora und Fauna keinen Lebensraum.“
„Die Großgrundbesitzer begannen, uns Kleinbauern von unseren Landflächen zu verdrängen”, berichtet der Bauernsohn Jonas da Souza. „Über ihre Verbindungen zu Beamten im Katasteramt erwirkten die Großgrundbesitzer fiktive Landtitel. Von den ehemals 120 Familien im Dorf leben hier nur noch 35. Der Rest ist in die Städte abgewandert. Wir wollen hier bleiben und unser Land, unsere Rechte und den Regenwald verteidigen.”
Camilo und Jonas sind Aktivisten von ACAP, dem lokalen Arm der Landlosen Bewegung Movimento sem Terra (MST), die Sozialbewegung der armen brasilianischen Landarbeiter. Zu Zeiten der Militärdiktatur vor 22 Jahren gegründet, ist MST heute in allen 22 Bundesstaaten Brasiliens vertreten und zählt 1,5 Millionen Mitglieder. Wichtige Ziele sind der Kampf für Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, gerechte Landverteilung und eine Agrarreform. Eine bedeutende Errungenschaft von MST ist die Aufnahme der „Sozialen Funktion der Landflächen“ in der Verfassung Brasiliens im Jahre 1988.
Der größte Teil der landwirtschaftlichen Flächen und viele Waldgebiete in Brasilien befinden sich in den Händen einer kleinen Elite von Großgrundbesitzern. Die meisten von ihnen haben sich die Flächen illegal und unter Ausnutzung der krassen sozialen Ungleichheit angeeignet. Manche dieser Besitze sind Tausende von Quadratkilometern groß. Weite Teile der Flächen dienen der Landspekulation. Sie werden nicht genutzt und liegen brach.
Im Bundesstaat Parana hat MST in den vergangenen Jahren Land auf circa 50 Großgrundbesitzen besetzt. 7.000 Bauernfamilien leben nun dort und bewirtschaften das Land. Die meisten Flächen wurden mittlerweile vom Staat den Bauern zuerkannt. Doch einige der Besetzungen warten noch auf staatliche Anerkennung. Dazu gehört auch der Großgrundbesitz Fazenda Pamplona im Dorf Rio Pequeno.
2004 besetzten die lokalen Bauern mit Unterstützung von MST das Land. Die exotischen Kiefern haben die Bauern gefällt und die Wasserbüffelweide unter den Bauern aufgeteilt. Dort bauen sie nun Gemüse an und betreiben Kleintierzucht für die Eigenversorgung. Nun wollen sie über Versammlungen und Workshops auch die Bauern in den umliegenden Dörfern organisieren. Dazu haben sie eine Spende über 8.000 Euro von Rettet den Regenwald erhalten.
Klaus Schenck, Guadalupe Rodriguez
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