RegenwaldReport 01/2008
Das Regenwald-Abholz-Gesetz
Das gut gemeinte Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) wirkt als Brandbeschleuniger im Regenwald. Trotz besseren Wissens haben Politiker bis heute nichts daran geändert. Von Werner Paczian
Die SPD in Hamburg-Harburg ist strikt für Waldschutz, jedenfalls direkt vor der eigenen Haustür. Als die Ölmühle Hamburg AG 2006 den Neubau einer Palmöl-Raffinerie ankündigte, war die Harburger SPD empört: Weil auf dem Baugelände Bäume und Sträucher entfernt werden mussten. „Abholzen eines Pionierwaldes“ sei das, schrieben die Harburger Genossen erbost. Dass die Ölmühle weltgrößter Erzeuger von Agrardiesel ist und riesige Mengen Palmöl benötigt, stört die Orts-SPD offenbar nicht. Seit die neue Raffinerie in Betrieb ist, werden jährlich 350.000 Tonnen Palmöl verarbeitet. Ein Teil des Öls fließt nach Unternehmensangaben „in die energetische Verwertung“. In Kraftwerke also, die daraus Strom und Wärme erzeugen. Oder anders ausgedrückt: Die daraus Kahlschlag-Energie produzieren – zum Beispiel in Schwäbisch Hall. Hermann-Josef Pelgrim, Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der örtlichen Stadtwerke prophezeite Anfang August 2006: Mit einem neuen Palmöl- Kraftwerk steige der Stadtwerke-Anteil an regenerativem Strom von 10 auf 25 Prozent. „Damit machen wir in ganz Deutschland auf uns aufmerksam.“ Pelgrim hat recht behalten. Im November 2006 erhielt er binnen sechs Wochen über 10.000 Protestmails aus der ganzen Republik über die Webseite von Rettet den Regenwald – und die Stadtwerke Schwäbisch Hall wurden von „report München“ und anderen Medien bundesweit kritisiert. Das Kraftwerk, das seit Anfang 2007 Strom und Wärme aus billigem Palmöl liefert, hat einen Jahresbedarf von 7.500 Tonnen. Der Einsatz von heimischem Rapsöl ist nach Angaben der Stadtwerke unwirtschaftlich. Kein Wunder: Viele Palmöl-Plantagen sind gleichbedeutend mit Regenwaldvernichtung, sozialer Ausbeutung, Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen. Kosten für Umweltschäden, aber auch Gesundheitsschäden bei den betroffenen Menschen durch den massiven Einsatz von Agrargiften, fließen in den Preis für Palmöl nicht ein, sonst wäre er konkurrenzlos teuer. Deswegen geht Umweltminister Sigmar Gabriel – anders als seine SPD-Parteifreunde in Harburg – mit Palmöl-Energie ganz hart ins Gericht. Kritisch verfolge das Ministerium „das steigende Interesse an Palmöl-Blockheizkraftwerken in Deutschland“, hieß es in einer Pressemitteilung. Der Grund für die ministeriellen Bauchschmerzen wurde direkt mitgeliefert: „Palmöl wird in manchen Gegenden der Welt in nicht nachhaltiger Weise durch Umwandlung von Primärwald in Ölpalm-Plantagen erzeugt.“ Das war am 16. Januar 2007. Geändert hat sich an der aberwitzigen Entwicklung, dass deutsche Palmöl-Kraftwerke profitabel Kahlschlag-Energie erzeugen, bis heute nichts. Dank eines ursprünglich gut gemeinten Gesetzes kassieren die Kraftwerksbetreiber sogar noch saftige Zuschüsse. Das im Jahr 2000 unter rot-grüner Regierung beschlossene „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) nennt als wichtige Ziele den Klima- und Naturschutz. Im Rahmen des EEG müssen die großen Energiekonzerne Strom aus Wind, Sonne und Biomasse abnehmen und eine festgelegte Vergütung von 11,5 Cent je kW/h zahlen. Dazu kommen im Rahmen der „Nachwachsende Rohstoffe- Verordnung“ zusätzlich sechs Cent pro kW/h für Strom aus Biomasse. Energie aus Palmöl gilt nach dem EEG immer noch als klima- und umweltfreundlich. Deswegen rappelt es in der deutschen Kraftwerksbranche. Nach Berechnungen des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien in Münster stiegen die Produktionsanlagen zur Herstellung von Agrardiesel 2007 auf ein Rekordniveau – um über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 5,4 Millionen Tonnen. Das Leipziger Institut für Energie und Umwelt berichtete, dass 2007 bundesweit etwa 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Palmöl erzeugt wurden. Dafür erhielten die Kraftwerksbetreiber rund 200 Millionen Euro Zuwendungen über das EEG. Während bei uns Palmöl dank EEG vergoldet wird, heizt die Kahlschlag-Energie in den Tropen eine ökologische und soziale Katastrophe an. „Der weltweite Palmölboom ist einer der größten Flüche für die Regenwälder und ihre Bewohner. Waldzerstörung, Vergiftung von Böden, Wasser und Luft durch Pestizide sowie Landkonflikte und Verarmung der betroffenen Menschen sind die Folgen“, sagt Feri Irawan von der indonesischen Umweltorganisation Walhi. Wie bei anderen Früchten auch ist nicht die ölhaltige Palme das Problem, sondern wie sie angebaut wird. Seit Beginn des Palmöl-Booms vor rund 20 Jahren wächst die Frucht überwiegend in riesigen Monokulturen und landete bei uns bisher vor allem in Lebensmitteln und Kosmetika. Seit die Welt auf Agrarenergie setzt, kommt es zu einem zweiten Palmöl-Boom. Der agroindustrielle Anbau führt fast immer zu den gleichen Problemen, egal ob in Kamerun, Malaysia, Ecuador oder Indonesien. In dem südostasiatischen Inselreich haben seit Mitte der neunziger Jahre internationale Investoren die Palmölproduktion massiv ausgedehnt. Heute ist Indonesien nach Malaysia der zweitgrößte Produzent. Vor allem die Wälder der Ureinwohner Sumatras und Borneos mussten dafür den Plantagen weichen. Der Großteil des Palmöls wandert in den Export. Besonders dramatisch ist die Umwandlung von Torfregenwäldern in Palmöl- Plantagen etwa auf Borneo. Zum Klimagipfel in Bali legte die Umweltorganisation Wetlands International einen alarmierenden Bericht vor. Danach wurden 8 Prozent aller malaysischen und 20 bis 25 Prozent aller indonesischen Palmöl-Plantagen auf Torfböden angelegt. Und mehr als die Hälfte der in Indonesien geplanten neuen Plantagen lägen ebenfalls in solchen Gebieten. Nach Schätzungen von Wetlands International emittiert Indonesien jährlich rund 150 Millionen Tonnen CO2 allein durch auf Torfen angelegte Palmöl- Plantagen. Doppelt so viel, wie in Deutschland pro Monat durch Verkehr Industrie und privates Heizen verpulvert wird. Solche Erkenntnisse führen die angeblich neutrale Klimabilanz von Energie aus Palmöl ad absurdum. Immer heftiger wird deswegen die Empörung der Agrarenergie-Opfer. Im Juli 2007 protestierten Indigenenvertreter in Paris auf einer Tagung der „Convention on Biodiversity“ gegen die aggressive Vermarktung von Agrarenergie. Durch die riesigen Monokulturen würden systematisch indigene Rechte verletzt, die Armut verstärkt, die Artenvielfalt zerstört und traditionelle Kulturen vernichtet. Anfang 2007 schrieben lateinamerikanische Umweltgruppen in einem offenen Brief an die Europäische Union: „Wir wollen keine Agrarenergie. Der durch die Länder des Nordens verursachte Klimawandel lässt sich nicht dadurch aufhalten, dass nun neue Probleme in unserer Region geschaffen werden.“ In Europa haben Mitte 2007 über 100 Umweltgruppen, darunter Rettet den Regenwald, von der EU ein sofortiges Moratorium für Agrarenergie gefordert. Proteste und Aktionen in aller Welt haben dafür gesorgt, dass immer mehr Medien, aber auch Politiker, Agrarenergie inzwischen kritisch beurteilen. In Deutschland steht in Kürze eine Novellierung des EEG an. Fordern Sie von unseren Volksvertretern, tropische Pflanzen aus der Förderung durch das EEG zu nehmen und sich konsequent für Energieeinsparung einzusetzen!