Regenwald Report 01/2011
Wir haben die Chance, das Blatt zu wenden
Der Verlust der Regenwälder lässt uns nicht ruhen – seit 20 Jahren hinterlassen die Palmölkonzerne verbrannte Erde. Doch ihr Sockel beginnt zu bröckeln, weil weltumspannender Widerstand mehr bewirkt als Macht und Geldgier
Der Besuch aus Schweden erschien am frühen Freitag des 11. März im Büro von Feri Irawan – und musste erst mal draußen bleiben. „Hier steht eine Frau von Ikea“, simste Feri von Sumatra nach Hamburg. „Soll ich sie reinlassen?“
Die Frau heißt Anna Bexell und ist Ikeas Beauftragte für das Industriesiegel „Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO). Begleitet wird sie von einem Quartett des TÜV Rheinland, Niederlassung Jakarta, Indonesien; ein privates Unternehmen, das Palmölfirmen mit sogenannten Nachhaltigkeits- Zertifikaten versorgt.
Ikea besucht Indonesien – ist hier wirklich alles so schlimm?
Rettet den Regenwald gibt aus Hamburg seinem indonesischen Partner Feri Irawan natürlich grünes Licht – die Delegation hat schließlich ein motiviertes Anliegen: Sie will überprüfen, ob es wirklich wahr ist, was unser Film „Die Nachhaltigkeitslüge – wie die Palmölindustrie die Welt betrügt“ ans Licht bringt:Illegale Abholzung von Regenwäldern, zum Sterben verurteilte Orang-Utans, Verseuchung der Gewässer, Armut, Verzweiflung und Gewalt an Menschen, die sich gegen den Diebstahl und die Zerstörung ihres Landes wehren. Schauplätze dieser Verbrechen: das Dorf Bungku und ein Gefängnis auf Sumatra und der Sembuluh-See auf Borneo. Die Täter: Töchter von Wilmar International, dem weltgrößten Palmölkonzern mit Sitz in Singapur, der sich seinen europäischen Kunden gegenüber gern als umweltfreundlich präsentiert und ein RSPO-Nachhaltigkeitszertifikat besitzt für seine Plantage am Sembuluh-See – ausgestellt vom TÜV Rheinland Indonesien.
„Die Nachhaltigkeitslüge“ musste also gedreht werden. Um allen Palmöl-Verbrauchern in den Industrienationen zu zeigen, was unter dem Deckmantel ihrer begehrten „grünen“ Energie mit den Menschen und der Natur in Indonesien geschieht.
Palmöl macht die Menschen arm und abhängig
Und um der Weltbank Beweise zu liefern gegen die anstehende Entscheidung, Wilmar und die gesamte Palmölindustrie nach einem einjährigen Moratorium erneutzu finanzieren.
Der Film, der auch in englischer Sprache erschienen ist und im Weltnetz kursiert, hat die Chefetagen von Palmöl-Produzenten und -Konsumenten aufgewirbelt.
Zum Beispiel bei Ikea. „Anna Bexell sagte, Ikea sei in großer Sorge aufgrund der massenhaften Proteste seiner Kunden“, schrieb Feri.
Die Sorge ist berechtigt. Ikeas Kerzen und Teelichter enthalten Palmöl – 32.000 Tonnen werden dafür laut Konzern jährlich importiert. Mit zwei Aktionen hat Rettet den Regenwald im letzten Jahr dagegen protestiert – auf unserer mehrsprachigen Webseite sammelten wir insgesamt knapp 52.000 Unterschriften. Aus Schweden kam im Herbst die Nachricht: Ab Dezember 2010 sollte nur noch Palmöl mit dem RSPO-Nachhaltigkeitssiegel in die Kerzenproduktion fließen. Doch wer es liefert, wollte Ikea vor uns immer geheim halten. Jetzt wissen wir es: vom berüchtigten Wilmar-Konzern.
Feri Irawan schickt das Ikea/TÜVTeam in das Dorf Bungku, in dem wir letztes Jahr so verzweifelte und hungernde Familien getroffen haben. Die Not der Frauen und Kinder ist größer geworden seitdem, denn ihre Männer sitzen noch immer im Gefängnis – der Wilmar-Konzern hatte im August 16 Bauern verhaften lassen, weil sie Palmölfrüchte von dem Land ernteten, das ihnen Wilmar gestohlen hatte.
Anna Bexell, berichtet Feri, kehrtevon dieser Inspektions-Reise erschüttert zurück.
Drei Tage später. Andere Insel, derselbe Konzern, dieselbe Tragödie: Die Delegation steht vor Nordins Büro in Zentralkalimantan auf Borneo. „Sie wollten den Film auf seine Wahrheit überprüfen“, sagt auch Nordin von Save our Borneo (SOB). „Und damit wollten sie nun den TÜV Rheinland beauftragen.“
Doch wie, fragt Nordin, kann der TÜV für Ikea die Plantagen und Ölfabriken von Wilmar objektiv prüfen, wenn er zuvor im Auftrag von Wilmar die Plantage zertifiziert hat?
Sie sitzen alle gemeinsam am Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl: Ikea, Wilmar, TÜV Rheinland. Aber sie haben alle unseren Film gesehen und können nicht zur Tagesordnung übergehen.
„Wir haben jetzt die Chance, das Blatt zu wenden“, sagt Inge Altemeier, die seit 20 Jahren die Verbrechen im Holz- und Palmölgeschäft zwischen Indonesien und Europa dokumentiert. „Denn wir erleben gerade, welches Gewicht die Unterstützer von Rettet den Regenwald in die Waagschale werfen.
Verbraucher und Medien sind starke Kräfte im Kampf gegen Palmöl
Wo in Ländern wie Indonesien Demokratie und Gerechtigkeit versagen, haben wir die Medien, die Macht der Verbraucher und das Internet.“
Und wir haben die Kämpfer vor Ort – ohne sie hätten die Regenwälder der Erde überhaupt keine Chance.
Bei der Weltbank hat die indonesische Palmölindustrie ihren Kredit schon verspielt. Inge Altemeier konfrontierte die Weltbank und ihren Privatfinanzierer Ende Januar in Washington mit der „Nachhaltigkeitslüge“ und den Verstößen von Wilmar gegen Weltbankstatuten. „Die Förderkredite für Wilmar waren Fehler, gestand mir Mark Constantine von der Abteilung für Umwelt- und Sozialrisiken ein“, sagt die Filmautorin. „Denn die industrielle Palmölproduktion erfülle keine entwicklungspolitischen Ziele.“ Mark Constantine stellte außerdem fest, dass es weltweit bis jetzt kein zuverlässiges Siegel für nachhaltiges Palmöl gebe. „Indonesien hat alle Chancen auf Förderung von Palmöl durch die Weltbank verspielt.“
Doch die Karawane zieht weiter. In den neuen Finanzierungs-Fokus für Palmöl durch Weltbank/IFC könnten laut Constantine nun, neben Afrika, die lateinamerikanischen Länder rücken. Dabei kommen alle infrage, die in Äquatornähe liegen. Zum Beispiel Peru und Kolumbien.
Dort haben Umweltzerstörung und der Kampf gegen die Konzerne bereits begonnen – davon berichten wir auf den folgenden Seiten.