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Regenwald Report 03/2011

Nach uns die Sintflut

Im Zentrum der indonesischen Insel Sulawesi sind mächtige Bergbau-Konzerne begierig auf die Bodenschätze. Die Ausbeutung hat dort gerade erst begonnen. Doch schon jetzt sorgen die Abholzungen für Überschwemmungen und Erdrutsche; den Firmen ist das egal. Noch sind die Bergregenwälder zu retten – wir haben keine Zeit zu verlieren

 

Nach der Abholzung: Erdrutsch in MorowaliNach der Abholzung: Erdrutsch in Morowali

Samsyudin Majadin hat Angst, in den Wald zu gehen. Obwohl er dort geboren wurde und seit 44 Lebensjahren jeden Baum kennt.

Samsyudins Haus steht auf halber Berghöhe, mitten in einem Mischwald, den die Familie seit Generationen nutzt. Zwischen Ebenholz und Meranti wachsen Obstbäume, Rattan, Bambus, Kakao. Weiter unten beginnt das Dorf Ue Bae, dessen Chef Samsyudin ist.

Jetzt fühlt er sich in seinem eigenen Wald nicht mehr sicher – er ist zur großen Fallgrube geworden, seit die Bergbaufirma Artha Prima Nickelindo mit den Probebohrungen begann.

„2008 kamen sie zum ersten Mal nach Ue Bae. Sie erzählten nichts von ihren Plänen; sie wollten Leute anheuern, die sie durch den Urwald zu den geplanten Bohrlöchern führen sollten.“ Niemand ahnte die drohende Gefahr. „Ich weiß nicht genau, wie sich die Minen auswirken werden,“ sagt Samsyudin. „Ich weiß nur, dass sie unser gesamtes Ökosystem zerstören werden. Und dass sich unser Land vom Bergbau nie mehr erholen wird.“

Das Bergland birgt großen Naturreichtum, doch man will an die Bodenschätze

Wir sind ins Zentrum der Insel Sulawesi gereist, weil hier der Regenwald noch zu retten ist. Und weil die Menschen und unsere Partnerorganisation Jatam dabei jede Unterstützung brauchen. Sulawesi gehört zu den Schönen und Reichen im indonesischen Archipel. Reich an einzigartigen Tier- und Pflanzenarten in Berg- und Man­grovenwäldern und Korallenriffen. Doch Regierung und Konzerne interessieren sich nur für die Bodenschätze: Nickel, Eisenerz, Gold und Kupfer. Für ihren Abbau besitzen die Minengesellschaften in der Provinz Zentral-Sulawesi zur Zeit 244 Konzessionen. 15 Konzerne fördern schon – darunter die Global Player: der australische Konzern Rio Tinto und Inco aus der brasilianischen Vale-Gruppe.

Die Ureinwohner hören auf den Sulawesi-Hornvogel. Klingt sein Ruf gut, droht dem Wald keine Gefahr. Der endemische Bärenkuskus lebt als Kletterbeutler sehr gemächlich auf den BäumenDie Ureinwohner hören auf den
Sulawesi-Hornvogel. Klingt sein Ruf
gut, droht dem Wald keine Gefahr.
Der endemische Bärenkuskus lebt
als Kletterbeutler sehr gemächlich
auf den Bäumen

Die Gegner sind mächtig. Doch mit Blockaden konnte man die Bagger stoppen

„Wir haben in Politik und Wirtschaft mächtige Gegner,“ sagt Andika Ndika. „Aber wir konnten schon viele Bagger und Bulldozer aufhalten.“ Andika ist der Kampagnen-Profi im jungen Team von Jatam, einem Aktivisten-Netzwerk gegen den Bergbau in Indonesien.

Früh am Morgen brechen wir in der Provinzhauptstadt Palu auf. Unser Ziel sind Dörfer wie Ue Bae im Distrikt Tojo Una-Una, die an den Berghängen nisten, unterhalb der geplanten Minen. 300 Kilometer liegen vor uns; und was auf der Landkarte aussieht wie eine gemütliche Fahrt am Meeresufer, wird zu einer zwölfstündigen kurvenreichen Reise durch die dschungelgrüne Bergwelt Sulawesis. Zwei- bis Dreitausender gipfeln rechts von uns in den Wolken; links offenbart jede Serpentine einen neuen Blick auf den Pazifischen Ozean.

Die Dörfer liegen unterhalb der geplanten Minen – sie sind akut in Gefahr

Das letzte Wegstück in die Fischerstadt Ampana ist schon ein düsterer Vorbote des beginnenden Bergbaudramas: Schlamm und Geröll blockieren immer wieder die Uferstraße. „2009 haben Erdrutsche zwei Brücken zerstört,“ sagt Andika, „eine Folge der Abholzungen.“

Jetzt stehen wir oberhalb von Ue Bae und verstehen die Verzweiflung des Dorfchefs Samsyudin. Die Landschaft ist kahl und wüst, Hüttengerippe ragen zwischen gefällten Bäumen empor. „Hier entsteht das Bergbaucamp“, sagt Andika. „Inzwischen besitzt die Firma Dinar Karya Abadi aus Jakarta die Konzession.“

 

Protestzug der Bauern in Morowali – der Nickel-Abbau hat ihr Leben zerstörtProtestzug der Bauern in Morowali
– der Nickel-Abbau hat ihr Leben
zerstört

Viele Menschen haben Angst, sich gegen Behörden und Konzerne zu wehren

Nickel heißt der Reichtum, der hier im Boden liegt – und er ist China versprochen. „Der Bupati (Distriktchef) von Tojo Una-Una ist mehrfach nach China gereist, um für unseren Bodenschatz zu werben,“ erzählt Andika. Der Bupati hat auch die Konzession für das Land erteilt – sie schließt den weit größeren Schatz mit ein: den Regenwald. Und so verdient die Firma Dinar Karya zuerst am Verkauf der wertvollen Bäume. Der Forstminister in Jakarta müsste jede Waldrodung genehmigen. Doch er weiß nichts von diesem Geschäft, meint Andika. Die Aktivisten und der Dorfchef haben bei der örtlichen Forstbehörde und beim Distriktchef vorgesprochen. Man wolle den Fall untersuchen, sagt die Behörde. Es ist zum Wohl der Gemeinde, sagt der Bupati.

„Wir können die Menschen nur mobilisieren, wenn alle verstehen, was passiert, und sie wissen, dass das Recht auf ihrer Seite ist“, sagt Andika. Doch bisher haben die Bewohner von Ue Bae vor allem Angst. „Man hat uns gesagt, dass der Bupati unser Land verkauft“, sagt Ladenbesitzerin Nurmin. „Ich habe Angst vor der Polizei und der Regierung. Deshalb sage ich: Ihr könnt das Land nehmen. Wir haben ja keine Chance.“

Ein paar hundert Kilometer weiter südlich kämpfen die Menschen bereits. Nicht weil sie es wollen, sondern weil sie müssen. Es geht um ihr Überleben mit dem Regenwald. „Bergbau-Mafia raus aus Morowali“ steht auf einem der Transparente, mit denen sie auf die Straße gehen. Der Distrikt Morowali ist der Hot Spot des Bergbaus in Zentral-Sulawesi; 120 Konzessionen wurden hier vergeben. Noch ist Zeit, die verheerende Entwicklung aufzuhalten.

 

SULAWESI UND JATAM

Sulawesi ist reich an Naturschätzen über und unter der Erde. Ihre bizarre Form schenkt der Vulkaninsel rund 6.000 km Küste mit Stränden, Man­groven, Korallen und einer artenreichen Meeresfauna: Schildkröten, Mantas und Walhaie, die weltgrößten Fische. Sulawesi ist die bergigste Insel Indonesiens; die Bergregenwälder konzentrieren sich in ihrem Innern, darunter elf aktive Vulkane. Zu den endemischen Tierarten gehören z. B. Anoa, Koboldmaki oder Bärenkuskus.

Jatam braucht Hilfe um zu helfen
Seit 2005 kämpft das Netzwerk in Zentral-Sulawesi gegen die Zerstörung der Regenwälder für den Bergbau. Vier feste Mitarbeiter und ein Riesenstab an Freiwilligen sind unterwegs: Sie versuchen, die meist geheimen Pläne der Konzerne auszuforschen und zu verbreiten; sie organisieren Workshops zu Landrecht und Waldmanagment in den Dörfern und bringen viermal im Jahr eine Broschüre heraus. In Morowali betreiben sie ein Informationszentrum.

Rettet den Regenwald unterstützt Jatam seit Ende 2010. Es fehlt den Aktivisten vor allem das Handwerkszeug. Zum Beispiel: Kamera (ca. 490 €),
GPS-Gerät (450 €), Automiete (170 € für 5 Tage), Broschüre, Satellitentelefon, Benzin. Wenn Sie spenden möchten

 

BODENSCHÄTZE

Bodenschätze sind vor allem Nickel, Eisenerz, Gold und Kupfer.
Die größten Bergbau-Projekte Zentral-Sulawesis liegen im Distrikt Morowali: 120 Konzessionen für Nickel, 60 % im geschützten Wald. Die größten Firmen dort: Rio Tinto (Australien), Inco / Vale (Brasilien), BDM (Indonesien).
In der Region Palu / Poboya startete Rio Tinto 1997 mit einer Goldmine, sie wurde gestoppt. Seit 2005 besitzt die Bakrie-Group die Konzession, Bakrie ist Chef der Golkar-Partei und einer der reichsten Männer Asiens. Bakries Firma CPM wurde bisher an der Goldgewinnung gehindert; zur Zeit ist die Mine in der Hand von traditionellen Goldschürfern aus ganz Indonesien.

 

SO KÖNNEN SIE HELFEN:

Gemeinsam mit Jatam starten wir eine Protestaktion, gerichtet an den Präsidenten der Republik Indonesien. „Wir brauchen internationale Unterstützung“, sagt Andika. Wir geben diese Bitte an Sie weiter: Wenn Sie einen Internet-Zugang haben, machen Sie mit unter www.regenwald.org
Wir können Ihnen den Briefentwurf auch per Post zusenden.

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