Regenwald Report 04/2011
Die Regenwaldkämpfer kommen nach Deutschland
Was hat Unilevers Rama mit einem zerstörten Dorf auf Sumatra zu tun? Die Antwort heißt Palmöl: Der Rohstoff für unseren Brotaufstrich und für zahllose weitere Wohlstandsprodukte ist Ursache für Abholzung und Menschenrechtsverletzungen in Indonesiens Regenwäldern. Nun kommen die Waldmenschen aus Borneo und Sumatra im Dezember nach Deutschland – um auf ihre Tragödie aufmerksam zu machen.
Montag, 7. November, ein nüchterner Konferenzraum im HamburgerFlughafen. Unilever hat Robin Wood und Rettet den Regenwald um ein klärendes Gespräch gebeten. Eingeflogen ist die Spitze des Konzerns. Es geht um die Gewaltaktion gegen die indigene Bevölkerung auf der indonesischen Insel Sumatra durch UnileversPalmöl-Lieferanten Wilmar International. Im August hatte die Konzerntochter Asiatic Persada drei Dörfer zerstören und auf die Bevölkerung schießen lassen.
Rettet den Regenwald und Robin Wood machen Unilever mitverantwortlich für die fortgesetzten illegalen Abholzungen und Menschenrechtsverletzungen seines Palmöl-Lieferanten.
30.000 Menschen haben unseren Protest gegen die Gewaltaktion unterschrieben
Wir fordern, die Geschäftsbeziehungen zu Wilmar abzubrechen und kein Palmöl
von kriminellen Firmen mehr zu kaufen. 30.000 Menschen haben den Protestbrief an Unilever-Chef Harry Brouwer unterschrieben. Wir legten Beweise vor: Fotos, Videos und Augenzeugenberichte unserer indonesischen Partner.
Unilever reagierte, bat Wilmar um eine Untersuchung. Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß zugunsten von Wilmar aus. Daraufhin schickte Robin Wood eine Delegation nach Sumatra, die alles bestätigte, was uns die Menschen zuvor berichtet hatten.
Wertvolle Zeit wurde verschwendet. Zeit, die die traumatisierten Menschen auf Sumatra nicht haben. Unsere Spendengelder für Zelte und Reis konnten nur die allergrößte Not lindern. Die Verantwortlichen haben nichts getan. Unilever will einen weiteren Bericht abwarten, diesmal von der Nichtregierungsorganisation Forest Peoples Programme (FPP). Dieser Bericht liegt inzwischen vor. Er umfasst 62 Seiten und belegt Zeile für Zeile die tagelange Gewalt, mit der Wilmar-Arbeiter und die angeheuerte mobile Polizeibrigade gegen die Menschen vorgegangen sind: Mit Bulldozern wurden in drei Siedlungen 83 Häuser komplett zerstört, die Einwohner beschossen und vertrieben. Während der systematischen Gewaltaktion haben die Polizisten das gesamte Gebiet hermetisch abgeriegelt. Bis heute wird die Bevölkerung durch schwer bewaffnete Polizei und Wachleute massiv eingeschüchtert.
Unilever stellt sich auf die Seite seines Lieferanten – trotz aller Beweise
Unilevers Reaktion auf den Bericht kam per E-Mail: „Wir werden Wilmar zeitnah schreiben und auffordern, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen … und uns mitzuteilen, wie sie die lange bestehenden Landrechtskonflikte mit der einheimischen Bevölkerung lösen wollen.“
Auf der Webseite verkündet Unilever seine Vision: „Unser Ziel ist es, die Größe unseres Geschäfts zu verdoppeln und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern.
Weltweit werden wir ab 2015 nur noch nachhaltig zertifiziertes Palmöl einsetzen.“
Für Unilever bedeutet nachhaltig, dass das Palmöl ein extra geschaffenes Label trägt, vom Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO). Was sie ihren zwei Milliarden Kunden verschweigen wollen, aber zwischen vier Wänden einräumen: Der RSPO und seine Nachhaltigkeits-Zertifikate verhindern in Indonesien keine „Umwandlung“ von Regenwald in Plantagen, keinen Landraub, keine Menschenrechtsverletzungen, keine Expansion der Palmölkonzerne.
Gewalt könne nicht akzeptiert werden, sagt Jan-Kees Vis. Er ist bei Unilever weltweit für die nachhaltige Beschaffung zuständig und zugleich RSPO-Direktor. „Doch was hilft es, wenn wir nicht mehr bei Wilmar kaufen? Wir wissen von 5.000 Landkonflikten allein in Indonesien. Wilmar hat vielleicht hundert davon …“
David siegt gegen Goliath
Bild: Muhammad Rusdi (links) klagt offiziell gegen Landraub und GewaltDer 19. September war ihr Tag. Vielen Tausend Opfern der Palmölindustrie gaben die indonesischen Verfassungsrichter an jenem Montag ihre Würde und ihr Recht zurück. Denn sie hoben zwei Artikel des sogenannten Plantagengesetzes aus dem Jahr 2004 auf.
Die Artikel erklärten das Betreten von Plantagen als illegal. Wer es trotzdem tat, musste mit hohen Haft- und Geldstrafen rechnen. Es spielte keine Rolle, ob die Konzerne den Menschen das Land gestohlen hatten. Sobald der Wald gerodet und der Boden bepflanzt war, galten die Firmen auch ohne die erforderlichen Genehmigungen als Besitzer und durften jeden vertreiben und verhaften lassen, der das Land betrat. Dieses Vorgehen verstößt gegen das Grundgesetz, so die Richter.
Geklagt hatten fünf betroffene Bauern und Ureinwohner – einer von ihnen war Muhammad Rusdi, Bürgermeister des Dorfes Karang Mendapo auf Sumatra. Seit acht Jahren kämpft er um das Land seiner Gemeinde. Der Palmöl-Multi Sinar Mas ließ Rusdi denunzieren, zusammenschlagen, für acht Monate ins Gefängnis werfen. In einer Revisionsverhandlung wurde Rusdi 2010 von allen Vorwürfen freigesprochen. Rettet den Regenwald und Tausende Unterstützer standen ihm damals zur Seite.
Das Urteil beweist: Zahlreiche Palmölfirmen bewirtschaften ihre Plantagen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Damit sind auch die Nachhaltigkeitssiegel hinfällig, auf die sich Kunden wie Unilever, Henkel oder Nestlé in Europa so gern berufen.
Kann man als verantwortungsbewusster Konzern in solchen Ländern, mit solchen
Partnern Geschäfte machen? Und gegenüber seinen Kunden so tun, als wäre alles in Ordnung? Die Regenwald- Kämpfer wollen nur eins: ihre Wälder als Lebensgrundlage auch für ihre Kinder bewahren.
Die Gewalt hat viele Dorfbewohner traumatisiert. Aufgeben werden sie nicht
Kurz nach der Gewalt-Aktion auf Sumatra hat die Buchautorin und Journalistin Tanja Busse eines der zerstörten Dörfer besucht. Sie erlebte verzweifelte Familien. Aber sie berichtet auch, dass diese Menschen entschlossen sind, für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen:Wir wollen unseren Wald zurück! Wir erreichen Sungai Beruang – oder genauer die Trümmerhaufen, die früher einmal das Dorf Sungai Beruang waren – kurz vor Einbruch der Dämmerung. Mehrere Stunden sind wir von der Provinzstadt Jambi aus durch Palmölplantagen gefahren, immer tiefer hinein in die Ödnis der Palmöl-Monokultur der Firma Asiatic Persada. Jetzt stehen wir auf einer kleinen Lichtung und blicken auf Zelte aus blauer Plane – und auf Schutt. Holzlatten, Bruchstücke von Wellblechplatten, entwurzelte Bäumchen, kaputte Möbel, alles liegt wild durcheinander. Aus den Zelten kommen uns die Menschen entgegen. Männer, Frauen und viele Kinder in bunten T-Shirts mit Flipflops an den Füßen lächeln freundlich und stellen sich um Ronni, ihren Sprecher und gewählten Häuptling, als gäbe es ein nettes Dorffest zu besprechen – und nicht eine der brutalsten Gewaltaktionen gegen die Bevölkerung auf Sumatra im Kampf gegen die Palmölkonzerne. Die Dorfbewohner haben nicht aufgeräumt, als wollten sie allen, die es hierher verschlägt, zeigen, was passiert ist. Nur kleine Holzschilder haben sie aufgestellt, mitten in die Trümmer: Hier wohnte Urus, hier stand einmal Wawis Haus.
In Sungai Beruang liegen noch immer die Trümmer – als Zeugen der Zerstörung
Ronni erzählt, wie es zum Streit kam zwischen Zainal, einem Lkw-Fahrer, der Palmölfrüchte der Dorfbewohner zur Ölmühle bringen sollte, und den gefürchteten bewaffneten Einheiten, die die Plantage bewachen. Diese mobilen Brigaden der Polizei, genannt Brimob, hätten Zainal seinen Lkw weggenommen, aus Wut habe er dann einigen Männern die Gewehre entwendet. Um sie einzutauschen gegen seinen Wagen. Später hätten die Brimob-Leute mit Bulldozern drei Dörfer niedergewalzt. Ronni berichtet, wie Zainal und vier Familienangehörige schwer geschlagen worden seien.
Die Indigenen lassen sich nicht vertreiben; sie besitzen Urkunden über ihr Land
Jetzt beginnen alle zu erzählen: Wie die erregten Brimob-Männer nach ihnen getreten und immer wieder in den Boden und in die Luft geschossen hätten. Wie die Familien voller Angst in den Wald gelaufen seien. Und dass sie genau gesehen hätten, wie der Plantagen- Manager dem Brimob Anweisungen gegeben habe. Zainal ist noch immer im Gefängnis, nun haben sie niemanden, der ihre Früchte zur Ölmühle fährt. Und keine Einnahmen.
Eigentlich leben die Suku Anak Dalam vom Wald. Vom Holz. Von den Früchten der Bäume. Von den Fischen aus den Bächen. Vom Gummi der Kautschukbäume. Doch diesen Wald, der sie jahrhundertelang ernährt hat, gibt es nicht mehr. Er ist – wie beinahe die gesamte Waldfläche Sumatras – Palmölplantagen gewichen. Die Bewohner Sungai Beruangs haben eine Urkunde, die ihnen den Besitz von 7.000 Hektar Waldland bestätigt.
Doch irgendwo in der fernen Hauptstadt Jakarta werden die Konzessionen zur Waldnutzung verteilt, die zentralen Behörden seien korrupt, hört man immer wieder, und die sprechen sich nicht mit den lokalen Ämtern ab, die den Waldbewohnern ihre Landrechte bestätigen. So kommt es in ganz Indonesien immer wieder zu Landkonflikten auf Plantagen. Oft versprechen die Unternehmen, den Menschen Entschädigungen zu zahlen. Doch viele Vertriebene lehnen das ab, so wie Ronni. Was er uns an diesem Abend vor den Trümmern seines Dorfes sagt, hören wir in den nächsten Tagen von Vertriebenen anderer Plantagen immer wieder: „Der Wald hat uns alles gegeben, wir hatten Nahrung im Überfluss und wir waren angesehen, weil unsere Heiler vielen Menschen mit traditioneller Medizin geholfen haben. Wir wollen keine Entschädigung, sondern unseren Wald zurück!“
Und wir wollen, dass diese Menschen gehört werden. Hier in Deutschland, wo Unilever sein Wilmar-Palmöl verarbeitet. Und wo unsere Politiker die Gesetze machen, die den massenhaften Ansturm auf billiges Palmöl aus ihrer Heimat erst ausgelöst haben. Für „grüne“ Energie aus der Steckdose und in Autotanks. Deshalb haben Rettet den Regenwald, Robin Wood und Watch Indonesia! sie im Dezember nach Hamburg und Berlin eingeladen.
Spendenaufruf für die Opfer der Palmöl-Tragödie in Indonesien
Bild: Notdürftig haben sich die Menschen mit Brettern und Plastikplanen neueUnter-künfte gebaut – sie brauchen dringend unsere Hilfe
Die Delegation, die nach Deutschland kommen soll:
• Muhammad Rusdi, Bürgermeister von Karang Mendapo, Sumatra
• Zainal, Menschenrechtsanwalt in Jambi, Sumatra
• Bidin, Ida und ihre kleine Tochter Agung, Indigene aus Sungai Beruang
• Feri Irawan von unserer Partnerorganisation Perkumpulan Hijau, Sumatra
• Nordin und Udin von Save our Borneo, Kalimantan
Sie werden in Berlin mit Abgeordneten sprechen, in Hamburg Unilever besuchen.
Sie werden über die Medien der Öffentlichkeit erzählen, welchen Preis die Menschen in Indonesien zahlen für unser billig erworbenes Palmöl.
Bitte spenden Sie auf der Rückseite des Heftes oder im Internet unter www.regenwald.org
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