Regenwald Report 01/2012
Brasilien: Ein Gesetz gegen den Wald
In diesen Tagen will das brasilianische Parlament eine folgenschwere Gesetzesänderung beschließen. Auf dem Spiel steht die Zukunft von bis zu 76,5 Millionen Hektar Wald in Brasilien – eine Fläche, so groß wie Deutschland, Italien und Österreich zusammen. Präsidentin Dilma Rousseff kann den Wald mit ihrem Veto retten
Am selben Tag, als das Parlament zum ersten Mal über das Waldgesetz abstimmte, starben Joao Claudio Ribeiro da Silva und seine Frau durch die Schüsse von Auftragsmördern. Die bekannten Regenwaldschützer hatten vor den Folgen des neuen Waldgesetzes gewarnt – es soll die Abholzung für Sojaplantagen erleichtern. Die da Silvas konnten ihren Kampf nicht erfolgreich beenden, denn das neue Waldgesetz droht nun vom Parlament durchgewunken zu werden. Dann könnte es nur noch die Präsidentin stoppen.
Die geplante Gesetzesänderung wurde von der Agrarindustrie diktiert
Die Novelle beabsichtigt, die Umweltauflagen für Grundbesitzer drastisch zu lockern. Folglich dürfte noch mehr Regenwald abgeholzt werden, da der Anteil geschützter Flächen stark sinkt. Es wäre dann auch erlaubt, in sehr sensiblen Waldregionen wie an Hängen und Flussufern Rinderzucht oder Plantagenwirtschaft zu betreiben. Zudem ist eine Amnestie für illegale Rodungen geplant. Deshalb überrascht es kaum, dass brasilianische Forscher bereits dramatisch gestiegene Abholzungsraten nachgewiesen haben. Im Bundesstaat Mato Grosso wurden im Jahr 2011 schon 70 Prozent mehr abgeholzt als im Vorjahr.
„Das Ziel des Gesetzes ist, Brasilien wirtschaftliche Vorteile zu schaffen, nicht die Verringerung der CO2-Emissionen“, gibt die Senatorin Izabella Teixeira vor der Presse zu. Agrarprodukte, allen voran Soja und Rindfleisch, machen 37 Prozent der brasilianischen Exporte aus. Allein Deutschland importiert pro Jahr sechs Millionen Tonnen Soja.
Die Gesetzesnovelle diktierte die Agrarindustrie. Sie braucht neue Landflächen für noch mehr Soja, Zuckerrohr und Rinder zur Fleischproduktion. „Das aktuelle Waldgesetz beschränkt die Abholzung in Amazonien. Das sehen einige als Entwicklungshindernis, vor allem das Agrobusiness“, bestätigt Thomas Fatheuer, der sieben Jahre lang das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro leitete.
Manfred Niekisch, Experte für internationalen Naturschutz, warnt vor den klimatischen Folgen: „Wenn man die Wälder für Weiden oder Soja-Felder abholzt, wird der Wasserkreislauf erheblich gestört. Durch die geringere Verdunstung wird dort die Trockenheit zunehmen.“ Die Auswirkungen sind jedoch nicht nur regionaler Natur. Wetterphänomen El Niño und der Amazonas-Regenwald stehen im klimatischen Wechselspiel miteinander. Fällt der Wald, wandern Wasser- und Hitzemassen ab und „das beeinflusst die Großwetterlage und damit das Weltklima“, so Biologe Niekisch.
Die überwältigende Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung ist gegen die Gesetzesänderung. Nun muss die brasilianische Präsidentin mit ihrem Veto das Abholzergesetz verhindern. Im Juni dieses Jahres ist Brasilien Gastgeber der UN Umweltkonferenz Rio+20. Die von der Agrarindustrie angestrebte Gesetzesänderung würde nicht nur dem Regenwald und seinen Bewohnern schweren Schaden zufügen, sondern auch dem Ansehen des südamerikanischen Landes.