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Regenwald Report 01/2015

Bittere Schokolade

Luftbild abholzung peru

Mitten im peruanischen Amazonas-Regenwald ist eine Plantagenfirma dabei, die Urwaldbäume für eine riesige Kakaopflanzung zu roden. Die Einwohner, Kleinbauern und Umweltschützer wehren sich

Knatternd rollt das Motorrad die steile Dorfstraße hinunter und bringt uns an das Ufer des Amazonas. Haarscharf bremst der Fahrer dort, wo das Betonpflaster in den Fluten des Flusses verschwindet. Kinder springen von hier ins Wasser, mitten zwischen den an- und ablegenden Kanus, Motorbooten, einem hölzernen Dampfer und treibenden Wasserhyazinthen.

An dem improvisierten Anleger herrscht geschäftiges Treiben. Der Fluss verbindet den Ort Tamshiyacu mit den Siedlungen im Urwald und der Stadt Iquitos 50 Kilometer stromabwärts. Die Menschen transportieren, was sie auf ihren kleinen Parzellen im Regenwald anbauen: Bananenbüschel, Ananasfrüchte, Säcke mit Maniok und Kakaobohnen oder Eimer mit frisch gefangenem Fisch.

Seit Generationen hat der Wald die Menschen ernährt – es gab genug zum Leben

Wir sind nach Peru gereist, um uns ein Bild von der Naturzerstörung zu machen und die betroffenen Menschen zu unterstützen. Auf den ersten Blick scheint hier mitten im Amazonas-Regenwald von Peru die Natur noch intakt zu sein. Die Menschen leben von dem, was der Regenwald ihnen bietet, ohne ihn zu zerstören. Es reicht für ein einfaches Leben.

Doch diese Welt ist aus den Fugen geraten. Eine Plantagenfirma ist ins Dorf gekommen, um Ölpalmen zu pflanzen - mit Arbeitern aus anderen Landesteilen, Wachpersonal und Motorsägen. Ihre schweren Maschinen verwandeln die Lehmstraße, auf der einheimische Bauern zu ihren Felder gelangen, in eine Schlammpiste. Im Mai 2013 begann die inzwischen in Cacao del Peru Norte SAC umbenannte Firma, den Regenwald östlich von Tamshiyacu abzuholzen. Acht Kilometer vom Dorf entfernt pflanzt sie jetzt großflächig Kakaosträucher.

Einwohner und Umweltschützer alarmierten die Staatsanwaltschaft. Als im Oktober 2013 schließlich der Umweltstaatsanwalt mit der Umweltpolizei und einem Durchsuchungsbefehl aus Iquitos kamen, waren bereits 2.000 Hektar Urwald dem Boden gleichgemacht. Staatsanwalt Jhony Rios Arce legte die Rodung der Regenwälder in Tamshiyacu still, beschlagnahmte Maschinen und leget die Bulldozer der Firma Cacao del Peru Norte SAC an die Kette, schrieb die Zeitung La Region aus Iquitos.

Am Amazonas soll die größte und billigste Kakao-Plantage der Welt entstehen

Die Plantagenfirma Cacao del Peru Norte lässt sich dadurch allerdings nicht aufhalten. Unternehmensgründer Dennis Melka gibt an, im Regenwald von Tamshiyacu insgesamt rund 3.500 Hektar Land aufgekauft zu haben. Der tschechisch-US-amerikanische Investor dirigiert seine Firmengruppe United Cacao von den Cayman Inseln aus.

Melka beruft sich darauf, das Land von Privatbesitzern erworben zu haben. Unter Plastikplanen werden inzwischen Kakaosetzlinge aufgezogen und auf der Rodung verpflanzt. Innerhalb von zwei Jahren will Melka die angeblich weltweit größte und billigste Kakaoplantage anlegen – mitten im Amazonas-Regenwald.

Amazonas-Regenwald

Amazonas-Regenwald


Satellitenfotos (Oben), Luftaufnahmen und Recherchen im Dorf Tamshiyacu beweisen: Für Kakao-Plantagen wird unberührter Urwald zerstört. Einheimischen ist der Weg zu den Rodungen versperrt. Dafür sorgen Wachmänner, die in einem Unterstand herumlungern

„Peru ist wirklich ein Paradies für Plantagen. Wir haben Land im Privateigentum, keine Beschränkungen für ausländischen Besitz, unglaublich hart arbeitende Arbeitskräfte, unglaubliche Bedingungen der Regierung, weder Einkommens- noch Exportsteuern – also eine insgesamt unglaubliche Umgebung für Geschäfte“, schwärmt Firmenchef Melka in PR-Videos für Investoren. „Die Menschen sind sehr glücklich, uns hier zu haben, denn wir vergeben Jobs.

Dieses Gebiet leidet unter schrecklicher Armut. Wir engagieren uns auch sehr stark in den Gemeinden, fördern Programme für Schulen, Sport und Gesundheit.“

Raul Huanquiri Huayllahva von der Menschenrechtskommission in Tamshiyacu ist da ganz anderer Meinung: „Ich als Bürger fordere, dass die Wälder respektiert, die Natur und die Ressourcen geschützt werden. Doch hier wird großflächig abgeholzt und unsere Lebensgrundlage zerstört  – was sie den Menschen hier antun, ist ein Verbrechen.“

Auch Ruperto Bardales, Kleinbauer aus Tamshiyacu und Präsident der lokalen Bauernvereinigung, ist empört über das Projekt: „Die Firma ist nach Tamshiyacu gekommen, um unseren Regenwald auszurauben, um all die Natur zu vernichten, die hier existiert.“

„Haben Sie Ihren Wald an die Firma Cacao del Peru Norte verkauft?“, fragt die Journalistin des Fernsehsenders Panamericana den Bauern Gilberto Lopez Cauper am Rande der Rodung. „Nein. Und ich werde auch niemals verkaufen, denn dieses Land ist für meine Kinder und Enkel.“

Während die Ermittlungen zum Landraub noch laufen, gehen die Rodungen weiter

Alarmierende Satellitenaufnahmen belegen das Ausmaß der Rodungen. Die vom NASA Earth Observatory veröffentlichten Fotos gingen um die Welt. Auch deutsche Zeitungen druckten sie ab. Sie zeigen riesige Rechtecke, die in den Regenwald geschlagen wurden. Im Laufe der Zeit wuchsen sie weiter, heute sind es 2.126 Hektar. Wissenschaftler haben bis ins Jahr 1989 zurückreichende Fotoreihen aus dem All ausgewertet. Die Bilder offenbaren, dass im Gebiet der heutigen Rodungen bei Tamshiyacu bis Mai 2013, als die Rodungen begannen, noch zu 98 Prozent Primärwald wuchs.

Die Behörden und Politiker bei der Regionalregierung in Loreto, beim Landwirtschafts- und dem Umweltministerium schieben seitdem Anträge, Untersuchungsberichte und Expertenstudien hin und her – eingeschritten sind sie jedoch nicht.

Bittere Schokolade 2er Collage Bis zu 70 Meter wächst mancher Urwaldbaum in den Himmel und wird 700 Jahre alt – in nur wenigen Minu-
-ten ist er gefällt. In Peru rodet die Firma Cacao del Peru Norte derzeit ungezählte Bäume. Weil Kakao
nur in einem Streifen am Äquator gedeiht, bringt unsere Lust auf Schokolade Regenwald in akute Gefahr

Auch die von verschiedenen Staatsanwaltschaften eingeleiteten Untersuchungen und Verfahren kommen nur sehr langsam voran. Im Laufe des letzten Jahres wurden betroffene Bauern und Firmenmanager vorgeladen und als Zeugen vernommen. Doch der Umweltstaatsanwalt wurde nach einem Jahr Untersuchungen von dem Fall enthoben. Zwei Staatsanwälte für Strafrecht, die die Anzeigen einiger Bauern gegen die Firma wegen Landraub von Privateigentum untersuchten, wurden wegen irregulärer Handlungen vom Dienst suspendiert, berichtet die Lokalpresse.

Mitte Oktober 2014 legte der Umweltstaatsanwalt der Provinz sein Amt nieder. Als Grund gab Manuel Medina gegenüber der Zeitung La Region aus Iquitos an, dass die Unterstützung minimal sei. Es fehlten Juristen und Verwaltungspersonal, weshalb keine gute Arbeit geleistet werden könne. Auf der Titelseite spekulierte das Blatt jedoch in Riesenbuchstaben über andere mögliche Motive: Der Staatsanwalt, der die Entwaldung in Tamshiyacu untersuchte, ist zurückgetreten. Druck oder Bedrohungen?

Währenddessen sammelt der Unternehmer Melka Investorengelder aus aller Welt ein. Am 2. Dezember 2014 debütierte United Cacao an der Londoner Börse als „weltweit erstes reines Kakaounternehmen“. Den Anlegern verspricht Melka Riesenprofite. Seine Industrieplantage soll den weltweiten Kakaomarkt umkrempeln, der bisher überwiegend in der Hand von Kleinbauern in Afrika liegt. Denn anders als in den Hauptanbauländern ist Peru für Kakaoproduzenten eine Steueroase.

Industrie-Kakao soll den Weltmarkt umkrempeln und Riesengewinne bringen

„Es ist eine Riesengelegenheit, den Kunden das zu geben, was sie wollen“, so Dennis Melka. „Sie wollen vor allem wissen, woher die Kakaobohnen kommen. Unser Kakao wird auf eine umweltfreundliche, ethische Weise produziert.“

Angesichts der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes dürfte jedem Schokoladenliebhaber der Appetit vergehen. Auch geschmacklich wird der dort angebaute Kakao nichts für den anspruchsvollen Gaumen sein. United Cacao pflanzt geklonte Massenware. Kakaobohnen wie CCN-51 aus dem Labor versprechen zwar hohe Produktivität und Resistenz, ihr Geschmack sei aber bitter und entspräche „säuerlicher Erde“, beklagen Kakaoexperten. Die Hersteller von Edelschokolade lehnen die Klonbohnen daher ab.

Urwald-Kauf am ­Amazonas in Peru – mit Ihrer Hilfe

Die 10-Euro-Rettungsaktion

Bittere Schokolade Spende
Um ihren Primärwald vor weiteren Kahlschlägen zu bewahren, brauchen die Einwohner von Tamshiyacu unsere Unterstützung: Mit dem Kauf von Regenwald-Grundstücken wollen sie ihre Natur dauerhaft schützen. Die Flächen werden in private Schutzgebiete umgewandelt und als solche gesetzlich anerkannt.
Die Waldgrundstücke liegen zwischen Tamshiyacu und den Plantagen. Mit einer Spende von zehn Euro können die Umweltschützer vor Ort 200 Quadratmeter Amazonas-Regenwald kaufen und bewahren. Dieser Betrag enthält auch die Kosten für Vermessung, Notar, Formalitäten und Behördengänge, außerdem die Pflege, Erhaltung und die Bewachung durch Patrouillen.
Wenn Sie zum Schutz des Amazonas-Urwaldes beitragen wollen: Das Spendenformular finden Sie auf der Rückseite des Reports.

Spendenstichwort: Peru

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