Regenwald Report 02/2016 · Papua / Indonesien
Die Hüter des heiligen Waldes
Für die Mahuze ist der Wald nicht nur die Quelle ihres Lebens, sondern auch ihres Glaubens. In den Bäumen leben die Ahnen weiter. Papuas Ureinwohner pflegen und bewahren ihren Wald nach alter Tradition und mit starken Ritualen. Daraus schöpfen sie die Kraft, sich den Plantagenfirmen entgegenzustellen
Hunderte Kakadus fliegen über den Sumpf, ein Beo ruft. Prächtige Paradiesvögel verstecken sich zwischen den Zweigen der Bäume. Im Blätterdach hocken einige Baumkängurus. Plötzlich ein Pok-pok-pok – Menschen.
Frauen, Männer und Kinder klopfen das Mark aus den Sagopalmen. Daraus gewinnen sie ein stärkehaltiges Mehl. „Wir leben von Sago“, sagt ein Mann. „Eine Sagoernte aus diesem Sumpfwald ernährte uns einst drei Monate lang. Doch inzwischen ist die Ernte klein, die Erde ist rot und trocken – wegen der neuen Palmölplantagen.“
Vor dem Wald haben sie ein großes Schild aufgestellt: „Dies ist das Land der Mahuze. Nicht für Ölpalmen.“ Der Palmölkonzern Ganda, eng verbunden mit dem Giganten Wilmar International, greift nach dem Wald und dem Land der indigenen Mahuze. Sie bewohnen die Regenwälder in Merauke in der indonesischen Provinz Papua.
Sechs Stunden Flug ist Papua von Indonesiens Hauptstadt Jakarta entfernt. Es ist eine andere Welt: Regenwälder, hohe Berge, Sumpfgebiete und Savannen.
„Wir leben von unserem Wald und von Sagopalmen. Nicht von Reis und Palmöl“
Im Südosten erstreckt sich der Dis-trikt Merauke auf flachem Flussschwemmland, ein einzigartiges Ökosystem aus Regen- und Trockenwäldern, Sumpfgebieten, Savannen und Mangroven. In dem 45.000 km² großen Distrikt – etwa die Größe Niedersachsens – leben 70.000 Ureinwohner meist in den Wäldern. Das Mark der Sagopalme ist ihre Hauptnahrung. Sie sammeln Waldfrüchte, legen kleine Gärten an, fischen und jagen.
Die Mahuze müssen zusehen, wie andere Clans ihre Lebensgrundlage verlieren. 2010 startete Joko Widodos Vorgängerregierung in Merauke ein gigantisches Palmöl- und Reisprogramm, das „Merauke Integrated Food and Energy“-Projekt. Reis aber wurde seither nicht angepflanzt, nur Ölpalmen.
Papua: Gefahr für die letzten Wälder
In der indonesischen Provinz Papua auf der Insel Neuguinea wachsen die letzten großen Regenwälder Südostasiens. Vor einer Generation war Papua fast vollständig von Wald bedeckt, ein Viertel wurde bis heute gerodet. Einer der Gründe für die Abholzung: Merbau, das für Terrassen beliebte Hartholz.Merauke: Palmöl und Reis
Palmöl ist heute die größte Gefahr für den Wald Papuas. Für Präsident Widodo hat ein Mega-Reis- und Palmölprojekt im Distrikt Merauke höchste Priorität. Seit 2010 sind 12.000 km² Palmöl- und Zuckerrohr-Plantagen entstanden. Es können 45.000 km² werden, wenn das Projekt nicht gebremst wird.Ureinwohner Meraukes
Die Mahuze gehören zum Volk der Malind, eine von Hunderten Ethnien Papuas. Sie sind Minderheit im eigenen Land und erfahren Diskriminierung und Landraub im großen Stil.Einige der Clans haben ihren Wald verloren, denn mit Bestechungen, Bedrohungen und Gewalt haben die Konzerne bereits ein Viertel des Distrikts unter sich aufgeteilt. Die Mahuze sehen, wie das Nachbardorf Zanegi in Armut und Krankheit versinkt. „Acht unserer Nachbarclans sind von ihrem Land vertrieben worden“, sagt Xaverius Ndiken, der Älteste der Mahuze. „Ihr Wald ist niedergewalzt und sogar heilige Orte bleiben nicht verschont. Wir Mahuze aber bleiben standhaft.“
Die Papuas betrachten den Wald als ihre Mutter, die ihnen alles gibt, was sie brauchen. Nie würden sie mehr nehmen als notwendig, nie einen Baum fällen oder ein Tier töten, ohne die Erlaubnis der „Mutter“ mit einer sakralen Handlung zu erbitten. Der Wald ist ihnen ein heiliger Ort, in dem ihre Ahnen weiterleben, ein Ort der Einheit mit der Schöpfung und den Vorfahren. Die Konzerne ignorieren die heiligen Ahnen- und Sagowälder. Doch im Fall der Mahuze wagen sie bisher nicht, die Grenzen zu überschreiten. Denn die Mahuze leisten entschlossen Widerstand – noch.
Präsident Joko Widodo hat im Mai 2015 das Reis-Projekt neu aufgelegt und verkündet: „Merauke wird zur Reisschüssel Indonesiens!“ Er meint, in Merauke gebe es viel ungenutztes Land und nur wenige Menschen. Bis 2018 will er auf 1,2 Millionen Hektar Reis anpflanzen lassen, bewirtschaftet mit modernster Technik der Agrarindustrie.
Im Wald ihrer Ahnen kommen die Mahuze zu einer sakralen Zeremonie zusammen. Sie graben unter Fürbitten einen Raum in die Erde und schmücken die Grenzen mit neu gepflanzten Setzlingen. Hier leben die Seelen ihrer Ahnen weiter. „Mit dem Ritual“, sagt Xaverius Ndiken, „bekräftigen wir Mahuze unsere Pflicht, den Wald als heiligen Ort für die zukünftigen Generationen zu erhalten.“