Regenwald Report 02/2016 · Kolumbien / Freihandelsabkommen
Goldfirmen klagen gegen Nationalpark
In Kolumbien wollen zwei Bergbaukonzerne aus den USA und Kanada Gold in einem Nationalpark abbauen. Kolumbianische Gerichte haben es verboten. Mit einer Milliarden-Klage vor einem privaten Schiedsgericht in Texas versuchen die Firmen, das Land in die Knie zu zwingen. Möglich ist das durch Freihandelsabkommen
Es ist sehr wichtig, dass die Menschen in aller Welt wissen, welche Naturschätze wir in unserem Territorium bewahrt haben“, erklärt Jairo Makuna. Der Indigene ist Einwohner des Nationalparks Yaigojé Apaporis im Südosten Kolumbiens. Der Amazonasregenwald an der Grenze zu Brasilien ist die Heimat von sieben indigenen Völkern – und einer außergewöhnlichen Vielfalt von Tieren, Pflanzen und Ökosystemen. Dazu gehören Puma, Tapir, Großer Ameisenbär, Amazonasdelfin und der Amazonas-Manati.
Lange Jahre hatten die Ureinwohner dafür gekämpft, dass der Staat ihr Land als Indigenen-Schutzgebiet Yaigojé Apaporis anerkennt. Unterstützt wurden sie von der Umweltorganisation Gaia Amazonas. Dann begann die kanadische Bergbaufirma Cosigo Resources, sich für diese Region zu interessieren, und bekam von den Behörden eine Genehmigung zur Bodenerkundung. Um die Zustimmung der Regenwaldbewohner für die Goldsuche zu erhalten, soll sie ihnen Geld angeboten haben. Das berichtet das Indigenennetzwerk Intercontinental Cry.
„Die Arbeiter der Firma kamen in unsere Dörfer und erklärten, dass unser Leben schlecht sei. Dass wir arm, ohne Bildung und zurückgeblieben seien“, erzählt Dorfbewohner Robinson Makuna. „Sie haben unser Leben durcheinandergebracht und soziale Probleme verursacht.“
Das Gold lagert unter den Bergen rund um die reißenden Stromschnellen des Apaporis-Flusses. Für die Ureinwohner ist es ein heiliger Ort, für Cosigo hingegen die Bergbaukonzession Taraira Süd. Die Kanadier wollen die Berge sprengen, Millionen Tonnen Gestein abtragen und mit hochgiftiger Zyanidlauge behandeln, um das Gold auszuwaschen. Der Regenwald soll für Abraumhalden und Staubecken mit giftigen Metallschlämmen verschwinden.
„Wir mussten erfahren, dass unser Territorium uns nicht ganz gehörte“, so Robinson weiter. „Die Bodenschätze im Untergrund sind Eigentum des Staates. Die Regierung kann damit machen, was sie will, so wie es schon in anderen Gebieten Kolumbiens passiert ist. Die Gründung eines Nationalparks war für uns die einzige Möglichkeit, unser Land zu verteidigen.“
„Der Nationalpark Yaigojé Apaporis wurde auf Bestreben der Indigenen geschaffen, als der Druck der Minengesellschaften immer stärker wurde“, bestätigt Diego Muñoz Sosa von der staatlichen Parkverwaltung. Nachdem alle Dörfer zugestimmt hatten, stellte die Regierung am 27. Oktober 2009 12.000 Quadratkilometer Regenwald unter absoluten Schutz.
Dennoch erhielt Cosigo zwei Tage später vom geologischen Dienst einen Bergbautitel für Taraira Süd – und der Nationalpark stand dem Minenprojekt im Weg. Cosigo-Vertreter sollen einige der Einwohner überzeugt haben, eine neue Vereinigung zu gründen und ein Gerichtsverfahren anzustrengen, schreibt die Agentur Prensa Rural. Der Anführer der Gruppe, ein ehemaliger Polizeibeamter und Siedler in der Gegend, erwirkte eine einstweilige Verfügung, den Nationalpark abzuschaffen. Nicht alle der Indigenen seien vor der Gründung konsultiert worden, so das fadenscheinige Argument.
Es folgte ein fünf Jahre langer Rechtsstreit durch alle Instanzen, bis zum Verfassungsgericht in Bogotá. Der Klageführer gab zu, dass Cosigo sie zu dem Verfahren angeregt, es organisiert und bezahlt habe, berichten die Medien. Ende August 2015 wies das Verfassungs-gericht die Klage endgültig ab. Es bestätigte, dass der Nationalpark rechtmäßig gegründet wurde, und forderte die Einstellung sämtlicher Bergbauaktivitäten.
Der Haken: Kolumbien hat mit Kanada und den USA Freihandelsabkommen geschlossen. Deshalb haben das Verfassungsgericht und die kolumbianische Regierung keineswegs das letzte Wort: Am 19. Februar 2016 reichte Cosigo zusammen mit seinem US-amerikanischen Partner Tobie Mining and Energy bei einem privaten Schiedsgericht in Texas eine Klage gegen den kolumbianischen Staat ein. Die Gründung des Nationalparks sei eine unrechtmäßige Enteignung und Betrug, so die Klageschrift.
Damit wollen die Firmen die Justiz und Souveränität des südamerikanischen Landes aushebeln - ohne Möglichkeit auf Berufung. Entweder die Regierung genehmigt den Goldabbau im Nationalpark oder sie zahlt umgerechnet 14,5 Milliarden Euro – als Schadensersatz für den angeblichen Wert des Goldvorkommens, das Cosigo und Tobie ausbeuten wollten.
Freihandelsabkommen wie diese sehen vor, dass Firmen den Staat vor privaten Schiedsgerichten verklagen können, etwa weil Arbeits-, Umwelt- oder Sozialstandards ihre Profite schmälern.
In Kolumbien ist nicht nur der Yaigojé Apaporis-Nationalpark durch Ausbeutung in Gefahr. Mindestens 30 weitere Schutzgebiete überlappen sich mit bestehenden Bergbaulizenzen. Dazu gehört der Páramo Santurbán, ein Wasserschutzgebiet in den Hochanden. Dort will die kanadische Goldfirma Eco Oro Minerals eine Konzession vor dem privaten Weltbank-Schiedsgericht durchsetzen. Obwohl das kolumbianische Verfassungsgericht Bergbau in den Wasserschutzgebieten untersagt hat.
Die Beispiele aus Kolumbien und weitere Fälle (Seite 7) zeigen, was mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA auch auf uns zukommen kann.