Regenwald Report 01/2017 · Gesetzesnovelle aus dem Umweltministerium
Wir brauchen mehr Naturschutz, nicht weniger
Intensive Landwirtschaft, Infrastruktur, Ressourcenabbau und Energiegewinnung bedrohen zahlreiche Tier- und Pflanzenarten in Deutschland. Dennoch will die Regierung das Naturschutzgesetz aufweichen: Umweltschädliche Bauvorhaben würden leichter genehmigt. Ausgerechnet der Kampf gegen den Klimawandel könnte vielen Tieren den Garaus machen.
Die Kleine Hufeisennase hat es zu einigem Ruhm gebracht. Die Fledermausart stoppte den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden. Allerdings ist sie ein trauriger Held des Artenschutzes: Sie konnte die Arbeiten nur drei Monate lang aufhalten. Die Brücke wurde inzwischen fertiggestellt, das Elbtal verlor dadurch seinen Status als Welterbe – heute pulsiert der Verkehr über das Bauwerk.
Die tief fliegende Hufeisennase wird nun mit einem grünen Korridor aus Purpurweiden, Schneeballsträuchern und acht Bäumen unter der Brücke durchgelockt, damit sie der Gefahr entgeht, oben mit Autos zu kollidieren. Seitdem wurde dort allerdings kein einziges Exemplar der einst tausendköpfigen Population gesichtet.
Der Fall ist exemplarisch: Obwohl sie einzigartige Tiere bedrohen, werden Straßen gebaut oder verbreitert. Flächen für Siedlungen und Verkehr verschlingen täglich 69 Hektar, rund 90 Fußballfelder.
Im Grunde müssen wir unsere Art zu leben ändern. Weniger Auto fahren, weniger konsumieren, weniger Energie verbrauchen. Ressourcen schonen, lautet das Stichwort. Wissenschaftler warnen seit Langem vor der bedrohlichen Zerstörung der Natur. So regt der weltberühmte Ökologe Edward O. Wilson an, die Hälfte der Erde unter Schutz zu stellen. Andy Purvis vom Natural History Museum in London schreibt uns ins Stammbuch: Misslänge es uns, die Artenvielfalt zu erhalten, spielten wir „ökologisches Roulette“.
Doch kein Politiker wagt es, im Interesse des Naturschutzes die Wähler zum Konsumverzicht aufzufordern. Erst recht nicht kurz vor der Bundestagswahl. Umweltministerin Barbara Hendricks weicht sogar einen Schritt zurück. Die geplante Novelle des Naturschutzgesetzes, die seit Dezember kursiert, birgt ökologischen Sprengstoff – denn sie fördert das Bauen, statt es zu bremsen.
Träte ihr Gesetzentwurf in Kraft, würde das sogenannte „Tötungsverbot“ gelockert. Bisher soll es dafür sorgen, dass beim Bau und Betrieb von Windrädern, Stromtrassen, Bahnstrecken, Straßen und anderen Projekten Tiere bestmöglich geschont werden. Finden Biologen Hinweise auf Hamster, Großtrappen oder Molche, beginnt ein Hin und Her zwischen Umweltschützern und Bauherren. Am Ende steht zumeist ein Kompromiss.
Mit der Gesetzesnovelle würden die Karten neu gemischt. Das Ministerium spricht von einer „hinnehmbaren Menge getöteter Tiere“, bei der keine besondere Rücksicht genommen werden muss. Zudem haben Projektbetreiber plötzlich einen neuen Joker in der Hand: den Klimaschutz. Trägt ein Vorhaben dazu bei, den Klimawandel zu bremsen, würden es Genehmigungsbehörden mit dem „Tötungsverbot“ zukünftig nicht so genau nehmen. Klimaschutz hätte Vorrang vor Artenschutz.
Insbesondere der Ausbau der Windkraft sei ein „öffentliches Interesse“, schreibt das Ministerium. Schließlich solle der Anteil regenerativer Energie am Stromverbrauch auf bis zu 45 Prozent im Jahr 2025 steigen. Die Technologie ist umstritten: Von Windkraftanlagen als „Vogelschredder“ ist die Rede. Zu den seit 1989 unter Windrädern tot aufgefundenen Vögeln gehören 126 Seeadler, 421 Mäusebussarde und 324 Rotmilane.
In Deutschland ist es um die Artenvielfalt schlecht bestellt. Feldhasen und Lerchen werden auf der Roten Liste bedrohter Arten geführt, genauso die weniger prominenten Rebhühner, Östlichen Smaragdeidechsen und Rothalsigen Düsterkäfer.
Windenergie ist sinnvoll – aber nicht im Wald
„Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend, denn ein Drittel der auf Roten Listen erfassten Arten ist im Bestand gefährdet“, warnt Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Und die Rote Liste ist lang. 32.000 Spezies von Tieren, Pflanzen und Pilzen sind darauf verzeichnet. Über die bedrohliche Entwicklung kann nicht hinwegtäuschen, dass es Uhus, Äskulapnattern und Bibern wieder besser geht.
Die Ursachen für den Artenschwund sind vielfältig: Flächen, die Kleinsäugern, Vögeln und Insekten eine Heimat bieten, werden in Äcker und Weiden umgewandelt. Wälder dienen mehr der Holzproduktion und weniger als Lebensraum für Tiere. Gewässer werden durch Gülle aus Großställen belastet. Wohn- und Industriegebiete und Solarparks fressen sich in die Landschaft, immer neue Straßen und Stromtrassen zerschneiden selbst abgelegene Gebiete. Zunehmend machen Windkraftanlagen in Wäldern Fledermäusen das Leben schwer. Für die Windräder werden zusätzliche oder breitere Wege durch die Forste gelegt; die Rotoren verscheuchen die Tiere oder erschlagen sie gar.
Wir stecken in einem Dilemma: Für den Abbau fossiler Brennstoffe wie Braunkohle werden Landschaften verwüstet, die Abgase heizen den Klimawandel an. Doch auch alternative Energiequellen wie Wind, Solar und Biomasse, deren Ausbau forciert wird, sind nicht zum ökologischen Nulltarif zu haben, sondern richten Schäden an. Es hilft nur eins: Energiesparen schützt die Natur!
Aus der Sicht des Artenschutzes ist die Gesetzesnovelle nicht gänzlich missraten. So würden Höhlen als schützenswerte Biotope gelten, was der ein oder anderen Spezies das Überleben sichern dürfte. Die Vernetzung von Biotopen, die Deutschland immer feinmaschiger überziehen, würde forciert. Schöne Ansätze – wäre da nicht die Aufweichung des „Tötungsverbotes“. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks muss daher den vorliegenden Entwurf zurückziehen und überarbeiten. Der Naturschutz darf nicht geschwächt, er muss gestärkt werden. Damit Hamster, Trappen und Hufeisennasen bald wahre Helden gegen die Bauwut sind und keine traurigen.
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