Regenwald Report 02/2018 · Fleischfressende Pflanzen
Die Venusfalle
Sie heißen harmlos Sonnentau oder Kannenpflanze – doch wenn sie zuschlagen, bleibt kein Fliegenbein übrig. „Manchmal glaube ich, der Sonnentau ist ein getarntes Tier“, bemerkte einst Charles Darwin. Schon vor 150 Jahren studierte er das bis dahin unvorstellbare Phänomen: dass Pflanzen Tiere töten und verspeisen
Fleischfressende Pflanzen wachsen auf allen Kontinenten außer der Antarktis – mehr als 1000 Arten sind bekannt. Weil sie die Kunst beherrschen, nahrhafte Insekten zu erbeuten, haben sie einen deutlichen Vorteil gegenüber den meisten anderen Pflanzen: Sie können auch auf nährstoffarmen Böden überleben – Hauptsache, es gibt dort genügend Licht und Wasser. Und Getier. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten, Beute zu machen:
Die Klebefalle:
Mit diesem Trick arbeiten Familienmitglieder des Sonnentaus: Ihre Blätter besitzen Fangarme mit klebrigen Tröpfchen. Das Sekret lockt Insekten an und hält sie gefangen. Die Tentakel umschlingen die Beute, dann rollt sich das Blatt um das Tier zusammen und verdaut es.
Die Klappfalle:
Die Klappfalle ist die Spezialität der Venusfliegenfalle (Foto), die zum Sonnentau gehört. Doch statt das Blatt einzurollen, schnappen zwei Blatthälften blitzschnell zu. Ihren Namen verdankt die Pflanze ihrer Ähnlichkeit mit der Venusmuschel. Auslöser zum Zuschnappen sind Borsten, die auf Berührung reagieren. Damit die Falle nicht bei jedem Regentropfen oder Windhauch zuklappt – das kostet viel Energie – hat die Pflanze eine geniale Technik entwickelt: Werden verschiedene Borsten innerhalb von 20 Sekunden zweimal berührt, handelt es sich so gut wie sicher um ein Insekt.
Die Fallgrube:
Kannen- und Schlauchpflanzen gehören zu den raffiniertesten Fallenstellern. Sie arbeiten mit Gleitfallen und locken ihre Beute mit Formen und Farben. Kannenpflanzen gedeihen mit rund 130 Arten in den Regenwäldern Südostasiens. Ihre Blätter hängen an langen Ranken von den Ästen und formen einen bauchigen Krug. Und der hat’s in sich: seifenglatte Innenwände und ein Gebräu, das ein Tier töten und verdauen kann. Nur einer Ameisenart auf der indonesischen Insel Borneo kann der tödliche Saft nichts anhaben – sie kann sogar darin schwimmen und problemlos über die glitschigen Wände laufen, um an der Fliegen-Beute teilzuhaben. Allerdings nicht umsonst: Als Gegenleistung säubert sie den Kannenrand, damit er rutschig bleibt.
In einem kleinen Gebiet auf Borneo wächst die größte aller Kannenpflanzen: Nepenthes Rajah, bis zu 80 Zentimeter lang. Ihr süßer Nektar lockt nicht nur Insekten an, sondern auch Säugetiere wie Wollfledermäuse, Hörnchen und kleine Ratten, die geschickt am Kannenrand balancieren. Sollte eines von ihnen abrutschen, hat die Pflanze für lange Zeit ausgesorgt. Das soll aber nicht sehr oft vorkommen.