Regenwald Report 03/2018 · Bioenergie
Natur bewahren – in Europa
Um das Klima zu schonen, fördert die EU die Verbrennung von Biomasse. Bioenergie ist die wichtigste erneuerbare Energiequelle in der EU – deutlich vor Wind, Wasser, Sonne und Erdwärme. Doch für den Anbau von Mais und Raps für Biosprit und Biogas werden artenreiche Naturlandschaften zerstört und die Wälder für Holzkraftwerke ausgebeutet. Immer mehr Menschen wehren sich gegen das Verschwinden von Lerche und Kiebitz und ursprünglichen Wäldern. Wir wollen die Energiepolitik der EU verändern – machen Sie mit!
Es regnete in Strömen an jenem kalten Sonntag im Februar 2017. Man musste schon einen guten Grund haben, um vor die Tür zu gehen. Mehrere Hundert Menschen hatten diesen Grund: In der südfranzösischen Stadt Gardanne vereinten sich Umweltschützer und Vertreter der Regionalparks, Politiker und Bürger zu einem Protestmarsch gegen die Verbrennung ihrer Wälder im Biomasse-Kraftwerk der E.ON-Tochter Uniper. Einer von ihnen war Sylvain Harmat von Rettet den Regenwald, der schon 2014 in der Düsseldorfer E.ON-Zentrale unsere Petition gegen die Mega-Anlage in der Provence übergeben hat. „850.000 Tonnen Holz sollen dort jährlich verfeuert werden. Damit ist die Fabrik das größte Biomasse-Kraftwerk in Frankreich.“
Für das benötigte Holz werden die Naturwälder Südfrankreichs geplündert – mit fatalen Folgen für die Artenvielfalt der Region. Mindestens die Hälfte des Bedarfs für die ersten zehn Jahre will Uniper importieren – zum Beispiel aus Brasilien. Umweltschützer und Naturparkmanager hatten beim Verwaltungsgericht gegen die Betriebsgenehmigung des Kraftwerks erfolgreich geklagt. Die französische Regierung ging in die Berufung, das Urteil steht noch aus.
„Bäume brauchen Jahrzehnte zum Wachsen. Holz sollte nicht als erneuerbare Energie gefördert werden.“
Auch in North Yorkshire in England demonstrieren Umweltschützer und Einwohner. Der Konzern Drax verfeuert in drei Blöcken eines Kohlekraftwerks gigantische Mengen Holz.
„13,6 Millionen Tonnen Holz gehen bei Drax in Rauch auf, um damit lediglich 0,78% des Energiebedarfs unseres Landes zu decken“, erklärt Frances Howe von der Umweltgruppe Biofuelwatch. „Bäume brauchen Jahrzehnte zum Wachsen und Minuten zum Verbrennen. Bäume zu verfeuern sollte nicht als erneuerbare Energie gefördert werden.“
Drax verheizt mehr Holz als in Großbritannien pro Jahr erzeugt wird. Deshalb importiert der Konzern das meiste Holz aus dem Süden der USA – dafür werden dort Sumpfwälder kahl geschlagen und die Lebensräume Tausender Arten zerstört.
Anteil der Bioenergie bei den erneuerbaren Energien in der EU (2016)
Holz als Brennmaterial macht die Hälfte der erneuerbaren Energien in der EU aus
440 Millionen Kubikmeter Holz verfeuern wir in der EU pro Jahr, um Heizwärme und elektrischen Strom zu erzeugen. Ein gigantischer Klotz aus Baumstämmen – ein Kilometer lang, ein Kilometer breit, 440 Meter hoch. Betreiber von Biomassekraftwerken wie Drax und Uniper werden von der EU und ihren Mitgliedsländern massiv subventioniert.
Und Europas Wälder sollen noch stärker genutzt werden. Um das zu rechtfertigen, legen Politik und Lobbyverbände ständig neue Zahlen vor – danach würde der Holzvorrat in den deutschen und EU-Wäldern wachsen. Doch in Wahrheit gibt es in unseren Wäldern weit weniger Holz und Biomasse als ursprünglich.
Europas Wäldern geht es schlecht, die Biodiversität nimmt rapide ab. Drei Viertel aller Tier- und Pflanzenarten und ihre Habitate sind nach Angaben von Bundesumweltministerium und EU mehr oder weniger bedroht.
Natürlicherweise würden bei uns Laubmischwälder vorherrschen, vor allem mit Buchen und Eichen. Doch in Deutschland sind kaum 1,2 Prozent der Wälder ungenutzt. Und was wir heutzutage als „Wald“ kennen, sind vom Menschen gepflanzte Wirtschaftsforste. Sie bestehen vor allem aus Fichten, dem „Brotbaum“ der deutschen Forstindustrie. Oder anderen Nadelbäumen wie Kiefern und exotischen Douglasien. Und selbst dort, wo noch Laubbäume gedeihen, werden nicht nur die Stämme geerntet, immer häufiger auch die Äste, Zweige und Baumstümpfe mit schweren Maschinen zerkleinert, um sie als Biomasse zu verbrennen.
Warum schont Bioenergie nicht das Klima?
Selbst Schutzgebiete sind nicht tabu
Im bayerischen Forstbetrieb Rothenbuch werden laut Umweltorganisation BUND 200-jährige, ökologisch sehr wertvolle Eichen für Brennholz gefällt. Mitten im Fauna-Flora-Habitat und Vogelschutzgebiet Spessart fallen einzigartige Lebensräume dem Bioenergieboom zum Opfer. In Niedersachsen holzt das Forstamt Wolfenbüttel Kahlschläge in alte Eichenwälder und Schutzgebiete. Häcksler zerkleinern die kompletten Bäume samt Laub. Selbst die Stümpfe werden aus dem Boden gerissen und zu Biomasse verarbeitet.
Dabei sind natürliche Wälder nicht nur für den Erhalt der Biodiversität unersetzlich, sie schützen auch die Böden, regeln das Klima, sind Trinkwasserspeicher und beeinflussen den Wasserhaushalt der Bäche und Flüsse. Wie gigantische Schwämme halten die Bäume und die dicken Humusschichten der Wälder die Regenfälle zurück und bewahren uns vor Überflutungen und Waldbränden. Sie spenden uns Schatten und Erholung – ohne Bäume können wir nicht atmen.
Die Monokulturen aus Mais sind Raubbau an der Natur
Die 60 Milchkühe von Ottmar Ilchmann haben es gut. Von April bis November dürfen sie draußen weiden. „Damit bin ich hier schon ein Exot“, sagt der Milchbauer aus Rhauderfehn in Ostfriesland. „Die meisten Kollegen halten ihre Tiere im Stall; Weidehaltung braucht mehr Fläche.“
Flächen für Weiden sind rar, seit Biogasanlagen wie Pilze aus dem Boden schossen und fruchtbares Grün- und Ackerland für Monokulturen aus Energiemais umgepflügt wird – auf bundesweit knapp einer Million Hektar. „Vor dem Biogas-Boom, der um 2005 begann, kostete ein Hektar Land 300 Euro Pacht“, so Ottmar Ilchmann. „Jetzt zahlt man das Drei- bis Vierfache.“
Viele seiner Kollegen mussten aufgeben, haben ihr Land an die Biogasbetreiber verloren, die auch dank üppiger Subventionen für ihre Anlagen über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) Höchstpreise bieten können.
Mais-Monokulturen sind Raubbau an der Natur. Die öden Industrieäcker werden nicht nur gedüngt und mit Pestiziden besprüht, sie bieten auch unseren heimischen Tieren und Pflanzen keinen Lebensraum. 2007 hat die EU die Unterstützung für Brachflächen eingestellt, um den Anbau von Energiepflanzen zu fördern. Die Folgen für die Biodiversität sind fatal – und vor allem bei Vögeln gut belegt. Weil die ehemaligen Brachflächen jetzt oft genutzt werden, um dort Raps für Biodiesel oder Mais für E10-Benzin und Biogasanlagen anzubauen, finden Lerche, Grauammer, Kiebitz oder Rebhuhn keinen Schutz und keine Nahrung mehr.
Biomasse ist nicht irgendein Material, sie ist lebendige Natur
Ottmar Ilchmann fordert, dass die EU ihre einheitliche Flächenzahlung für die Bauern ändert.
„Kleinbauern, die mit Landschaftsschutz auch die Biodiversität erhalten, sollten stärker gefördert werden. Die Politik sollte Anreize schaffen, naturverträglicher zu wirtschaften. Die Gesellschaft zahlt für die Subventionen der Bauern, sie kann auch Forderungen stellen.“
Schon jetzt wachsen bei uns Energiepflanzen auf 20 Prozent der Ackerflächen. Biomasse ist nicht irgendein Material, sie ist lebendige Natur, sie besteht aus Pflanzen und Tieren, sie ist milliardenfaches Leben. Riesige Mengen Biomasse zur Energieerzeugung anzubauen und zu verheizen, bedeutet die Biodiversität zu vernichten. Und im Falle von Biosprit bedeutet es auch, Nahrungsmittel wie Mais, Weizen, Raps- und Palmöl in den Motoren von Autos und Lastwagen zu verbrennen. Bitte beteiligen Sie sich an unseren Petitionen für die Bewahrung der Artenvielfalt. In den Regenwäldern und bei uns.
Was hat die EU beschlossen?
Erneuerbare Energien sollen das Klima schützen und die Wirtschaft ankurbeln. Bis zum Jahr 2030 soll ihr Anteil auf mindestens 32% des Energieverbrauchs der EU steigen. So haben es die EU und ihre 28 Mitgliedsländer im Juni mit der Novellierung der Erneuerbare Energien Richtlinie beschlossen. In Deutschland beträgt der Anteil derzeit 13%.
Dabei ist die Rede vor allem von Wind-, Wasserkraft- und Solar-
energie. Doch in der Praxis liefern sie nur ein Drittel der erneuerbaren Energien. Zwei Drittel entfallen auf Bioenergie, also der Verbrennung von Biomasse (Grafik Seite 7).
Besonders katastrophal ist der Anbau tropischer Pflanzenöle wie Palm- und Sojaöl. Viele Millionen Hektar Regen- und Tropenwälder wurden für Plantagen aus Ölpalmen und Soja vernichtet, samt ihrer ungeheuren Artenvielfalt. Erst 2030 will die EU die Förderung von Biodiesel aus Palm- und Sojaöl sowie deren Verwendung als Brennstoff in Kraftwerken beenden, so der Beschluss.
Aktiv werden! Unterschreiben Sie unsere Petitionen
Die EU hat entschieden: Palmöl soll noch bis 2030 in unseren Kfz-Motoren verbrennen. Jedes Land kann jedoch selbst entscheiden. Wir fordern von der Bundesregierung, Palmöl im Biodiesel sofort zu beenden. Das gilt auch für Holz-Energie. Deshalb muss Frankreich dem Uniper-Kraftwerk die Geneh-migung endgültig entziehen. Bitte unterstützen Sie uns auf
www.regenwald.org/petitionen