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Regenwald Report 04/2019 · Titelthema: Indonesien

Ohne Vögel kein Wald

Eule im Käfig, Indonesien Seit Harry Potter besonders gefährdet: Eine gefangene Eule auf Java (© mariusz_prusaczyk/istockphoto)

Eine Million Wildvögel werden pro Jahr aus Sumatras Wäldern geraubt. Tradition und Profitgier sorgen dafür, dass es still wird in den Wäldern. Vogelfang und Waldrodungen schmieden eine Allianz der Zerstörung. Die Organisation Flight ist Vogelfängern auf der Spur.

Lubuk Linggau, Südsumatra in Indonesien: Richard und Bobby folgen vier Autos in Richtung des Hafens von Lampung. Die beiden jungen Männer fallen kaum auf. Das dürfen sie auch nicht, denn sie sind Umweltaktivisten, genauer: Vogelschützer der Organisation Flight – Protecting Indonesia’s Birds. Sie haben einen Tipp bekommen, dass Vogelfänger heute ihre Beute zum Hafen transportieren. Stundenlang folgen Richard und Bobby den Fahrzeugen, in Gedanken sind sie bei den gefangenen Vögeln und leiden mit ihnen mit: Holprige Straßen mit reichlich Schlaglöchern und schwüle Hitze sind unerträglich.

Bedrohte Arten im Kofferraum

Im Hafen angekommen, warten ihre Kollegen von Flight mit alarmierten Polizisten. Die vier Fahrzeuge müssen anhalten. Im Kofferraum: Dutzende von Pappkartons und Käfigen, dicht bepackt mit Vögeln aus den Wäldern Sumatras. Die Emerald-Taube ist dabei, Blauschwanztrogons und sogar ein junger Malaien­uhu. Hauptsächlich aber Singvögel, gelbe, grüne und blaue Schnäpper, Drosseln, Nonnen und Nektarvögel. Und dort: Ein Aar aus der Familie der Habichte. Hunderte bedrohter und geschützter Arten, bestimmt für die Vogelmärkte auf der Hauptinsel Java und vielleicht für den Export.

REPORT 04/19 - Ohne Vögel kein Wald - Collage 1 Auch viele Singvögel aus den Regenwäldern Indonesiens sind akut bedroht (© Richard/Flight + istockphoto.com)

„Im ersten Halbjahr haben wir fast 40.000 Singvögel befreien können”

Diese Vögel im Hafen von Lampung haben Glück – diesmal. Sie sind dem Schicksal in engen Käfigen entkommen. Die Vogelschützer von Flight übernehmen jetzt die Aufgabe, sie wieder in die Wildnis zu entlassen.

„Im ersten Halbjahr 2019 haben wir fast 40.000 Singvögel auf Sumatra befreien können“, sagen uns Richard und Bobby. „Doch: Jedes Jahr werden mindestens eine Million Wildvögel allein aus den Wäldern Sumatras gestohlen. Die meisten von ihnen gelangen auf Lastwagen und in Kisten nach Java und landen schließlich auf den Vogelmärkten dort.“

„Wenn sie die Reise, die bis zu 1.000 Kilo­meter lang sein kann, in engen Käfigen – manchmal sogar in Plastikflaschen gequetscht, durch Hitze und Staub geschwächt – überleben, bleibt ihnen nur ein Leben hinter Gittern,“ sagen die Aktivisten von Flight.

„Seit einigen Jahren fragen Harry-Potter-Fans immer häufiger nach Eulen.”

Die Vogelmärkte auf Java sind tatsächlich ein Hotspot. Touristen flanieren gern dort und bestaunen die prächtigen Farben und den wunderbaren Gesang der exotischen Schönheiten. Einheimische kaufen hier ihre Lieblinge. Vor jedem dritten Haus auf Java hängt ein Käfig, ein einsamer Vogel hockt auf der Stange und singt sein Lied, das Lied vom verlorenen Regenwald.

REPORT 04/19 - Ohne Vögel kein Wald - Collage 2 In ihrer natürlichen Umgebung sind die Vögel Teil des einzigartigen Ökosystems Regenwald. Doch verschwinden die Vögel, verschwindet auch der Regenwald (© istockphoto.com - CC BY-SA 4.0 - Bobby/Flight)

Singvögel zu halten, hat Tradition auf Java. Hier gilt: Ein Mann ist erst ein richtiger Mann, wenn er ein Haus, eine Frau, ein Pferd, einen Dolch und einen Vogel hat. Der Vogel steht dabei für ein harmonisches Verhältnis zur Natur. Es ist ungeheuer schwierig, solche Traditionen und Männlichkeitsvorstellungen zu durchbrechen. Abgesehen davon, bemüht sich niemand darum. Das einzige, was sich ändert, ist die Beliebtheit der Arten, die wie eine Mode schnell wechselt. Früher waren Tauben und Sittiche „in“, heute sind Singvögel von Java und Sumatra die meist gehandelten Arten. Und seit einigen Jahren fragen Harry-Potter-Fans immer häufiger nach Eulen.

Auf den Vogelmärkten werden zahlreiche geschützte und bedrohte Arten angeboten. Es gibt zwar Gesetze und Indonesien ist seit 40 Jahren Mitglied des Washingtoner Artenschutzübereinkommens, doch die Durchsetzung der Bestimmungen und Verbote ist schwach. Auf den Vogelmärkten wird offen angeboten, gehandelt und verkauft, und nicht nur einheimische Arten, sondern sogar importierte, denn die Nachfrage der Hobbyvogelhalter ist enorm.

„Stark bedrohter Bali-Star”

Wie groß das Handelsvolumen ist, belegt eine Kurzrecherche der Organisation Traffic aus dem Jahre 2015. Innerhalb von nur drei Tagen zählten die Aktivisten fast 20.000 Vögel auf drei Vogelmärkten in Jakarta, darunter auch den stark bedrohten Bali-Star. Vögel aus Sulawesi, den Molukken und Papua gelangen eher über die Märkte im Osten Javas in den internationalen und nationalen Handel. Darunter sind prächtige Paradiesvögel von der Insel Neuguinea, Nashornvögel aus Borneo und Sulawesi, Kakadus und Papageien und sogar der eine oder andere Kasuar, ein schwarzgefiederter großer Laufvogel aus Papua.

Vögel sind weltweit bedroht

10.000 bis 11.000 Vogelarten sind bisher bekannt. Indonesien, in der Ausdehnung mit Europa vergleichbar, ist ein Hotspot der Vielfalt. 1.622 Arten, das sind 17 Prozent aller Gattungen weltweit, kommen hier vor, viele davon sind endemisch. Zum Vergleich: Europa beherbergt 430 verschiedene Vögel.

Überall auf der Welt ist die Arten­vielfalt durch den schwindenden Lebensraum bedroht. Die Abholzung der Regenwälder für Monokulturen (Palmöl, Soja, Papier) und Bergbau fordert in den tropischen Ländern einen gleichermaßen hohen Tribut wie der Vogelfang. Globale Faktoren, die zum rasanten Schwund der Vögel beitragen, sind Flächenversiegelung (Bebauung, Straßen, Gebäude), Ent­wässerung und Herbizide.

Singvögel Europas sind ebenfalls bedroht. Während des Vogelzugs werden Millionen von ihnen im Mittelmeerraum gefangen und gegessen.

„Märkte der Auslöschung“

Solange diese Märkte existieren, bleibt Vogelhandel und Wilderei lukrativ. Vogelmärkte sind geradezu ein Anreiz für den Vogelfang. Traffic bezeichnet sie als „Märkte der Auslöschung“. 13 Vogelarten wurden schon durch skrupellose Vogelfänger an den Rand des Aussterbens gebracht, konstatiert eine neuere Studie der Organisation.

Der gesamte Wildtierhandel floriert in Südostasien und Indonesien ist ein Eldorado für die global vernetzte Wildtiermafia. Schutzprogramme und Petitionen konnten bisher wenig bewirken, denn wo der politische Wille fehlt, führt der Weg direkt in Richtung Ausrottung.

Stummer Regenwald

„Unsere Wälder sind still geworden“, sagt Etal von der Organisation Jatam, einem Partner von Rettet den Regenwald auf Sulawesi. „Den Ruf der Hornvögel hören wir nur noch selten.“ Ein Schrei, der eigentlich zwei Kilometer weit zu hören ist. 

Das Klopfen und Lachen ihrer Stimme sind unvergesslich. Man muss weit laufen, bis tief in den Regenwald hinein, denn nur dort können die südostasiatischen Nashornvögel noch überleben.

Vogelmarkt in Jakarta Eine Million Singvögel werden pro Jahr auf Sumatra gefangen und müssen ihr Leben hinter Gittern verbringen (© MikeLane45/istockphoto)

Vordringlich wehrt sich Jatam gegen die Zerstörung Sulawesis durch den Bergbau. Küsten werden für Sand und Kiesel abgebaggert, Wälder weichen ungezählten Minen, wo internationale und indonesische Konzerne Nickel und Gold abbauen – bis in das Naturschutzgebiet Morowali hinein. An Vögel haben die Aktivisten anfangs nicht gedacht. Erst als ihnen klar wurde, dass das Verschwinden der Hornvögel auch ein alarmierendes Signal für die Entwaldung ist, nahmen sie den Schutz der Vögel immer mehr in den Fokus.

Rangkong heißt der Hornvogel in Indonesien. Dutzende Arten auf Borneo und Sulawesi unterscheiden sich durch Größe und Färbung. Ihnen gemeinsam ist, dass sie auf den Regenwald angewiesen sind. Sie brüten in natürlichen Baumhöhlen, einige Arten auch in Felsenhöhlen.

„Auch Sulawesi-Hornvogel steht auf der Roten Liste.”

Mit dem Schwinden der Regenwälder werden immer mehr Hornvögel in ihrem Bestand gefährdet. Besonders die, die nur in regional begrenzten Gebieten vorkommen, sind vom Aussterben bedroht. Auch der Sulawesi-Hornvogel (Penelopides exarhatus) steht seit 2016 auf der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN.

Hornbill in West Papua Ohne den markanten Ruf des Hornvogels wird es still im Regenwald (© mariusLtu/istockphoto)

Den Hornvögeln droht noch von anderer Seite Gefahr: Ihr großer Schnabel mit dem wulstigen Horn dient als Elfen­­bein­ersatz und ist bei chinesischen Schnitzern beliebt. So treiben Regenwaldabholzer und Wildtierhändler die reiche Vogelwelt Südostasien immer weiter in den Zusammenbruch.

Aktiv werden! Unterschreiben Sie unsere Petitionen

Über 200.000 Menschen haben unsere Petition gegen die Vogelmärk­te bereits unterschrieben. Leider haben die Politiker kaum reagiert. Mithilfe von Flight wenden wir uns jetzt erneut an die indonesische Regierung. Unterschreiben Sie unsere Petition „Freiheit für die Vögel! Vogelmärkte schließen! “

www.regenwald.org/rr007

Flight – Protecting Indonesia’s Birds

Flight ist eine indonesische Nichtregierungs-Organisation, die große Erfah­rung mit der Bekämpfung von Wildtierhandel und Schmuggel hat, sich mittlerweile aber ausschließlich auf Wildvögel konzentriert. Frühere Versuche, den Vogelfang, Schmuggel und die Vogelmärkte einzudämmen, sind fruchtlos verlaufen, sodass eine spezialisierte Aktionsgruppe notwendig wurde.

Jetzt für Flight Spenden: 
www.regenwald.org/spende

Wildtierschmuggel stoppen: Unsere Partnerorganisation Flight aus Indonesien lässt gefangene Wildvögel frei © Flight

 

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