Regenwald Report 02/2021 · Schwerpunktthema: Mobilität und Rohstoffe
Rohstoff-Hunger der E-Autos
Kein Zweifel, Autos mit Verbrennungsmotoren müssen rasch von den Straßen verschwinden. Elektroautos verursachen zwar weniger CO2-Emissionen, sind aber in der Produktion rohstoffintensiv. Sie allein werden die negativen Folgen des Individualverkehrs nicht lösen. Ohne eine echte Verkehrswende gibt es keine klimafreundliche Mobilität.
Für Tesla-Chef Elon Musk und seine Elektromobilitätspläne setzen Politiker alle Hebel in Bewegung. In nur zwei Jahren Bauzeit will der US-Konzern Tesla in Brandenburg eine sogenannte Gigafabrik aus dem Boden stampfen. Schon bald sollen dort Elektroautos samt den dazugehörigen Lithium-Ionen-Batterien vom Band rollen – in einer ersten Ausbaustufe jährlich eine halbe Million Stück. Mitsprache, Proteste und Klagen von Einwohnern und Umweltorganisationen wurden von Politik und Behörden beiseite gewischt. Mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet hat Tesla 300 Hektar Land gekauft und in weiten Teilen zubetoniert – ohne die sonst üblichen Fristen und Verfahren. Eine Gesamtgenehmigung steht bis heute aus.
„2020 wird in Europa als das Jahr des Elektroautos in die Geschichte eingehen“, verkündete EU-Kommissionsvize, Maroš Šefčovič, in Brüssel. Mit einer Million zugelassener E-Autos hat sich ihre Zahl verdoppelt. Dieses Jahr soll der Verkauf von E-Autos in der EU den Absatz in China überflügeln.
Klimaschutzpolitik sorgt für Boom
Daimler-Benz und die Volkswagen-Gruppe mit VW, Audi, Porsche, Skoda melden für 2020 Rekordgewinne in Milliardenhöhe. In Deutschland haben Kaufprämien und Steuervergünstigungen ihre Wirkung nicht verfehlt und Elektroautos einen Anteil von 13 Prozent an den Neuzulassungen beschert. Für Bundesregierung und EU hat die Transformation der europäischen Autoindustrie hohe Priorität, soll sie doch die wirtschaftliche Erholung nach der Covid-Pandemie antreiben. Die EU investiert in 70 Projekte derzeit 20 Mrd. Euro, um in 12 Mitgliedsstaaten eine eigenständige Batterieproduktion aufzubauen. 2025 will die EU jedes Jahr Batteriezellen für mindestens 7 Millionen Elektroautos produzieren und peilt für 2030 30 Millionen E-Autos auf unseren Straßen an. „Dann werden wir nach China der zweitgrößte Batteriezellenproduzent der Welt sein“, so Šefčovič.
Die Kehrseite: Dem Fraunhofer-Institut zufolge sind Elektroautos besonders energie- und rohstoffintensiv. Sie benötigen nicht nur viel Stahl, Aluminium und Kupfer, sondern für die Lithium-Ionen-Akkus und die Magneten der Elektromotoren zusätzliche Rohstoffe. Eine der derzeit üblichen NMC-Batterien mit 60 kWh enthält etwa 30 kg Nickel, 10 kg Mangan, 8 kg Kobalt, 50 kg Grafit und 6 kg Lithium.
Alle Rohstoffe müssen fast vollständig aus Übersee importiert werden. Ein globaler Wettlauf um den Zugriff auf die Vorkommen ist bereits in vollem Gang. Tausende neue Bergbauminen und Verarbeitungs- und Transportanlagen müssen errichtet werden, um die Vervielfachung des Bedarfs zu decken.
CO2-Bilanz von E-Autos
20% der bei uns anfallenden CO2-Emissionen stammen aus dem Verkehr, 28% aus der Industrie. Elektroautos helfen, den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr zu reduzieren, sind aber keinesfalls CO2-neutral. Bergbau verursacht bis zu 11% des weltweiten Energieverbrauchs und die Herstellung von E-Autos ist extrem energieintensiv. Entscheidend ist, wie viel Energie zur Produktion des E-Autos und der verwandten Rohstoffe eingesetzt und aus welchen Quellen der zum Fahren verwendete elektrische Strom stammt.
Aktuell setzt sich der Strommix in Deutschland laut Umweltbundesamt aus 45 Prozent erneuerbaren und 55% fossilen Quellen zusammen. Neben dem Fahrverhalten und der Geschwindigkeit ist das Gewicht eines Elektroautos entscheidend für die Klimabilanz.
Ein Kleinwagen wie der VW e-Up (1,2 Tonnen Leergewicht) verursacht laut ADAC EcoTest beim deutschen Strommix 92g CO2 pro Kilometer. Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg und zurück setzt damit 51kg CO2 frei. Ein Tesla Model S P90D (2,3 Tonnen Leergewicht) bringt es im gleichen Test auf 139g. Die Fahrt Berlin Hamburg und zurück setzt damit 76kg CO2 frei.
Nickel aus Indonesien
„Wo auch immer Sie sich auf der Welt befinden, bitte bauen Sie mehr Nickel ab.” Mit diesem dringenden Appell wandte sich Elon Musk vergangenes Jahr an die Bergbauindustrie. Dem folgt die indonesische Regierung gern, schließlich verfügt das Land über ein Viertel der globalen Nickelvorkommen. Sie liegen vor allem auf Sulawesi und auf den Molukken.
Seit Januar 2020 hat Indonesien den Export von Nickelerzen verboten, um eine eigene Verarbeitung aufzubauen.Nun entsteht in Morowali auf Sulawesi eine Sonderzone für die Nickelindustrie mit Raffinerien und entsprechender Infrastruktur. Mehr als 30 Anlagen zur Produktion von Nickelstahl und batterie-fähigem Nickel sowie eigene Batteriefabriken sind im Bau oder in Planung. „Die Mangrovenwälder sind weg, die Felder zerstört und wir erleben immer wieder Erdrutsche und furchtbare Überschwemmungen“, sagt Taufik von der Organisation Jatam, lokaler Partner von Rettet den Regenwald, zu der ersten Nickelschmelze, die seit 2017 produziert. „Das Meer ist dunkelgelb von meterdickem Schlamm“, fügt er hinzu. „Fische fangen wir kaum noch, Muscheln und Krabben sind nicht mehr vorhanden.“ Morowali ist berühmt für seine reichhaltige Meeresfauna. Wunderschön ist das Morowali-Naturschutzgebiet mit seinen Koboldmakis, Hornvögeln und Anoas. Alles Arten, die es nur hier gibt und die von der Einzigartigkeit der Natur Sulawesis zeugen. In Zukunft sollen die sauren metallhaltigen Minenabfälle in der Tiefsee verklappt werden, da Sulawesi Erdbebengebiet ist. Das Verfahren bedeutet eine ökologische Katastrophe.Der Boom bei E-Mobilität hat gerade erst begonnen, aber eins ist klar: Nickel für E-Autos heißt Abholzung der Regenwälder, Zerstörung der Lebensräume im Meer und Albtraum für die Menschen in der Region.
Umgesiedelt für den Bauxit-Abbau
Im Regenwald von Guinea in Westafrika leiden Mensch und Natur schon jetzt unter unserem Rohstoffhunger. 93 Prozent der deutschen Bauxit-Importe für die Aluminiumproduktion stammen von dort. Insgesamt sind es 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Schon zwei Drittel Guineas, eines der ärmsten Länder der Welt, sind in Minenkonzessionen aufgeteilt. Das Land verfügt über die global größten Bauxit-Vorkommen, aber auch bedeutende Mengen Eisenerz. Um unsere Versorgung zu sichern, hat die Bundesregierung die Erweiterung der Bauxit-Mine in Sangarédi mit einer Kreditgarantie in Höhe von 293 Millionen Euro abgesichert.
Auf der 690 Quadratkilometer großen Konzession – das entspricht mehr als der doppelten Fläche Münchens – werden die Menschen aus 13 Dörfern überrollt. Ein Teil von ihnen, etwa 500 Einwohner, musste sogar mitten in der Covid-Pandemie ihre Häuser räumen. Der gewaltige Tagebau zerstört auch den Urwald und Lebensraum bedrohter Schimpansen und roter Stummelaffen sowie von Tausenden weiteren Tier- und Pflanzenarten. „Die Umweltauswirkungen sind enorm: Das Wasser ist verschmutzt, die Bäche trocknen aus, die Luft ist verseucht, die Bäume sind betroffen, sie produzieren keine Früchte mehr wie vorher“, erklärt ein junger Mann im Minengebiet.
Nun hausen die Kleinbauern in einer eilig und lieblos errichteten Siedlung auf dem bereits ausgebeuteten Minengelände. Ohne Zukunft, denn Landwirtschaft lässt sich auf den verseuchten, unfruchtbaren Resten der Bauxit-Mine nicht betreiben. Auf Entschädigungen für das verlorene Land und die Wasserquellen warten sie schon seit Jahren. „Bergbau hat bisher nicht den Interessen der Bürger von Guinea gedient“, klagt der Direktor für soziale Beziehungen im Bergbauministerium. „In Guinea haben wir sehr viel Reichtum unter der Erde, aber das Land ist arm geblieben.“
Einseitig auf Elektromobilität zu setzen,ist keine Verkehrswende. Die Probleme des ständig zunehmenden Individualverkehrs werden dadurch nicht gelöst. 1,2 Milliarden Personenkraftwagen gibt es rund um den Globus, 48 Millionen allein in Deutschland. 2050 sollen es laut der Inter-nationalen Energieagentur 2 Milliarden sein. Der zunehmende Verkehr nimmt immer mehr Raum ein und verursacht gewaltige Umweltschäden.
Es wäre so schön, wenn Elektro-Autos allein die Lösung wären. Aber nur mit weniger Individualverkehr wird unsere Mobilität wirklich klimafreundlich.
TIPPS
Beispiele für weniger Individualverkehr:
▪ Freizeit und Arbeit lokal organisieren: nebenan.de
▪ Langstrecke: bahn.de oder flixtrain.de
▪ Kurz-Strecke: Car-Sharing (z.B. mit Nachbarn über VCD-Mustervertrag)
▪ Mitfahren: blablacar.de
▪ Transport: cargobike.jetzt