zurück zur Übersicht
Regenwald Report 04/2022 · Nigeria

Die Macht der Mutigen

Aussicht Nigeria Ecoguards am Afi Mountain (© Mathias Rittgerott)

Wie gelingt Regenwaldschutz im von Krisen und Armut geschüttelten Nigeria? So wie überall auf der Welt. Indem sich mutige Frauen und Männer für die Natur einsetzen. Sie patrouillieren als Ecoguards im Wald, verfolgen illegale Holzfäller und erheben gegen Palmölfirmen die Stimme. Wir haben sie besucht.

Martins Egot und seine Regenwald-Schützer

Martins Egot zwiachen Urwaldbäumen Ein Baum mit Brettwurzel und einer mit Stelzwurzel wachsen dicht nebeneinander. Dazwischen steht Martins Egot (© RdR/Mathias Rittgerott)

Martins Egot wirft den Dieselgenerator an, der Fernseher flimmert, gleich beginnt das Spiel. Nigerias Fußballfrauen gegen Marokko. Es sind Afrikameisterschaften. Dass sein Team später verlieren wird, tut seiner guten Laune keinen Abbruch. Denn dieser Tag ist ein guter Tag. Für Martins Egot, die Frauen im Dorf Olum und die Ecoguards am Afi Mountain. 

Dort wird gerade das jährliche Kassava-
Fest gefeiert. Zu Ehren der Wurzelknolle, die im Osten Nigerias ein Grundnahrungsmittel ist, tanzen Frauen singend durchs Dorf. Da passt es ausgezeichnet, dass Martins Egot gerade eine Kassava-Mühle an die Frauenvereinigung des Ortes übergeben kann. Dank der Mühle produzieren und verkaufen sie nun eigenes Mehl. Dieses zusätzliche Einkommen eröffnet einigen Dorfbewohnern den finanziellen Spielraum, regelmäßig und unbezahlt als Ecoguards im Regenwald zu patrouillieren.

„Wir sind eine Naturschutzorganisation, die auch den Menschen nützt. Das ist mein Selbstverständnis“, erklärt Martins Egot, der Gründer der Organisation Development Concern (Devcon). 

Der 54-Jährige, der zum indigenen Volk der Ekuri gehört, lebt zwar seit Langem in der geschäftigen Provinzhauptstadt Calabar, verbringt aber möglichst viel Zeit in seinem Heimatdorf Edondon im Gemeindewald der Ekuri und in den Dörfern am Rand des Cross River Nationalparks. Der promovierte Fachmann für ländliche Entwicklung mag das gemächlichere Leben hier und legt Wert auf den engen Kontakt zu seinen Nachbarn und zu den Ecoguards. 

Gerade hat wieder eine Gruppe von 50 Frauen und Männern die Ecoguard-Ausbildung abgeschlossen. In grünen Uniformen marschieren sie zum Appell, begleitet von den Rhythmen einer Trommelgruppe. Das Ganze hat etwas Militärisches, aber das gehört nach Martins Egots Worten dazu. So würden die Freiwilligen respektiert, wenn sie später auf ihren Patrouillen Wilderer, Brandstifter und Holzfäller aufspüren – bewaffnet nur mit dem Argument, dass der Wald unter Schutz steht. Und mit dem Wissen, wie wertvoll er ist.

Frauen feiern das Kassava-Fest, Nigeria Im Dorf Olum feiern Frauen das Kassava-Fest. Die Wurzelknolle – auch als Maniok und Yuca bekannt – ist ein Grundnahrungsmittel und wird überall in den Tropen angebaut (© RdR/Mathias Rittgerott)


Odey Oyama, Kämpfer gegen die Holzmafia

Odey Oyama Holzfäller, die in den Cross River Nationalpark eindringen Vor seinem Büro hat Odey Oyama ein Plakat aufgehängt, das Bilder von illegalem Holzeinschlag zeigt (© Mathias Rittgerott)

Illegalen Holzeinschlag gebe es bei ihm nicht, erklärt wortreich Otu Fridalin Akandu, der traditionelle Herrscher des Boki Kingdom. In der Umgebung der Stadt Ikom liegt jedoch so viel frisch geschlagenes Holz an den Straßenrändern, dass das nicht stimmen kann. Der Umweltschützer Odey Oyama lässt sich daher auf keine Diskussion mit dem Würdenträger ein. Er konzentriert sich lieber auf die wahren Wurzeln des Übels. 

Odey Oyama kämpft gegen einen vielköpfigen Gegner: ein Kartell der Holzfäller. Die Bosse dieses organisierten Verbrechens halten sich zwar im Dunkeln versteckt, ihre illegalen Taten begehen sie jedoch am helllichten Tag: Wenn man mit dem Umweltschützer über die Landstraßen fährt, stößt man am Rand der Pisten ständig auf mächtige Holzstämme und Stapel grob zurechtgesägter Bretter. Und man beobachtet Männer, die Holz auf Lastwagen verladen. 

„Im ganzen Bundesstaat Cross River wird illegal Holz eingeschlagen“, sagt Odey Oyama: „Täglich und überall. In jedem Dorf, in jedem Weiler.“

Da nur ein Teil des Holzes per Laster weggeschafft wird, ist Odey Oyama an diesem Abend mit dem Boot unterwegs. Der Chef der Organisation Rainforest Resource Development Center (RRDC) hält nach Flößen Ausschau, zu denen Holzfäller ins Wasser geworfene Bretter mehrere Lagen dick vertäuen. Ziel der Flöße ist der Hafen von Calabar.

Akribisch hat Odey Oyama ermittelt, wer hinter dem illegalen Geschäft mit dem Holz steckt. Er hat die Namen von fast 250 Mitgliedern und Nutznießern des Kartells herausgefunden. Zumindest zwei der Holzbosse haben ihr Geld demnach in prächtige Hotels investiert. Mit Pool und Ballsaal. 

Odey Oyama, 60 Jahre alt, hat den Beruf als Architekt vor vielen Jahren aufgegeben, um sich ganz dem Schutz der Natur zu widmen. Und um Kriminellen das Handwerk zu legen. Man könnte ihn für einen Juristen halten, so gespickt mit Verweisen auf Paragrafen und Verordnungen sind die langen Schreiben, die er an Gerichte, Behörden und Politiker verschickt. Odey Oyama setzt auf die Macht der Gesetze.

Gerade bereitet er eine neue Anzeige vor: gegen Gouverneur Ben Ayade und dessen Regierung. Odey Oyama wirft die Frage auf, bis zu welchem Punkt jemand nur untätiger Mitwisser ist – oder
schon Mittäter.

Mandrill Nigerias Regenwälder zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt aus, inklusive bedrohter Gorillas, Schimpansen und Mandrills (Foto) (© stefbennet/istockphoto.com)


Ajele Sunday, die Stimme für Natur und Menschenrechte

Umweltschützer Ajele Sunday Während eines Meetings beruhigt Ajele Sunday (Bildmitte) die erhitzten Gemüter (© RdR/Mathias Rittgerott)

Eine Flugstunde weiter westlich, im Bundesstaat Edo, muss der Umweltaktivist Ajele Sunday all seine Künste als Diplomat aufbringen. Die Stimmung ist geladen - und plötzlich explodiert sie: Ein junger Mann schildert gerade, wie seine Tante angeschossen wurde – bei einer friedlichen Demonstration gegen die Plantagenfirma Okomu Oil Palm, als Sicherheitskräfte gewalttätig geworden seien. Da ergreift ein Sprecher des Unternehmens das Wort und behauptet, die Dorfbewohner seien Diebe und Lügner. Viele Teilnehmer des Treffens im Gemeindesaal des Ortes Udo springen auf, schimpfen, stürmen nach draußen. Ajele Sunday redet beschwichtigend auf die wütenden Männer und Frauen ein – und überzeugt am Ende alle, zu bleiben. 

Dabei hatte Ajele Sunday das Treffen organisiert, um über die Konflikte zwischen der Bevölkerung und der Plantagenfirma zu reden und Lösungen zu finden. So hatte er es dem Iyase, dem traditionellen Herrscher, erläutert, dem er seine Aufwartung und ein Geschenk gemacht hatte. Daraufhin gab der Iyase seine Zustimmung zu der Versammlung.

Ajele Sunday ist ein umtriebiger Mann von 54 Jahren und durch den Kampf gegen die Palmölfirma zu einem international vernetzten Aktivisten geworden. Zunächst ging es ihm um sein Dorf, seine Nachbarn. Jetzt weitet er den Blick auf andere Umweltthemen wie die verheerenden Folgen des Erdöl-Business und hat die Organisation Voice of the Earth Initiative (VOTEi) gegründet.

Der Streit zwischen der Palmölfirma und der Dorfbevölkerung währt schon Jahre. „Die Klagen der Menschen wiegen schwer. Es geht um ihren Wald, ihre Landrechte, ihre Lebensgrundlage“, erklärt Ajele Sunday. Immer wieder eskaliert der Konflikt: So brannte im Mai 2020 das Dorf Ijaw-Gbene nieder. Am 2. September 2022 gingen im Dorf Agbede mehrere Häuser in Flammen auf. Die Angreifer schossen in die Luft, um die Menschen zu vertreiben. 

Trotzdem glaubt Ajele Sunday, der aus Sicherheitsgründen verschleiert, wo er wohnt, und nie allein unterwegs ist, an die Macht der Diplomatie und der Öffentlichkeit. Dabei setzt er darauf, dass die Stimme der Bevölkerung international gehört wird, verstärkt etwa durch Rettet den Regenwald.

Ajele Sunday, Odey Oyama und Martins Egot arbeiten auf unterschiedliche Weise am gleichen Ziel: Naturschutz, der die Einheimischen beteiligt. Die drei stehen dabei stellvertretend für die ungezählten Männer und Frauen in Nigeria, deren Engagement Mut macht. 

Ecoguard klettert in Lianen In den Wäldern rund um ihre Dörfer kennen sich die Ecoguards aus. Ihre Patrouillen nehmen sie sehr ernst, an Lianen klettern sie nur zum Spaß (© RdR/Mathias Rittgerott)

Aktiv werden!

Helfen Sie mit

Wenn Sie unsere Partner unter-stützen wollen: spenden Sie online

Den Akivisten in Nigeria helfen Sie auch mit Ihrer Unterschrift unter einer dieser Petitionen:
regenwald.org/rr074
regenwald.org/rr075

 

Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter

Bleiben Sie mit unserem Newsletter am Ball – für den Schutz des Regenwaldes!