Regenwald Report 01/2024
Im Widerstand vereint
Rohstoffprojekte werden von Männern beschlossen – doch die Folgen tragen vor allem die Frauen. Wie verteidigen sie ihre Lebensquellen? Sie schließen sich zusammen. Eine Analyse von Guadalupe Rodríguez, Lateinamerika-Expertin von Rettet den Regenwald.
Eine bestürzende Nachricht erreicht mich beim Schreiben dieses Artikels: Im brasilianischen Bundesstaat Bahía wurde María de Fátima Muniz von Großgrundbesitzern erschossen, ihr Bruder schwer verletzt. Sie war eine der Anführerinnen der indigenen Pataxó, die sich gegen Vertreibung und Ausbeutung ihrer Ressourcen wehren. Ihre Gemeinschaft gehört zu unserem Partnernetzwerk Teia dos Povos.
Erst drei Wochen zuvor hatte ich erfahren, dass Miriam Tembé, ebenfalls indigene Anführerin in Brasilien und unsere Partnerin, seit mehr als 20 Tagen im Gefängnis ist. Miriam Tembé kämpft gegen die Ausbreitung der Ölpalmplantagen in ihrer Gemeinde.
Das Schicksal dieser beiden Frauen symbolisiert den Zustand, in dem sich unsere Welt befindet: In allen Regionen des globalen Südens nehmen die Naturzerstörungen für unseren Rohstoffhunger rasant zu. Und damit die Konflikte um die wertvollen Ressourcen. Diese Entwicklung trifft Frauen ganz besonders: Die zunehmende Gewalt und Kriminalisierung gegenüber Frauen, die sich für ihre Rechte einsetzen, ist alarmierend. Vor allem dort, wo sie sich den Bergbaukonzernen entgegenstellen. Ob in Lateinamerika, Afrika oder Asien.
Wie schützen Frauen das Leben und die Natur? Was tun sie, wenn ihnen die Zerstörung ihres Territoriums droht?
Auf der indonesischen Insel Sulawesi haben wir erlebt, wie Frauen sich zusammenschließen, sich laut Gehör verschaffen und den Kampf anführen, um ihr Leben und ihr Land zu verteidigen. Sie fordern ihre Rechte ein – für Ernährungssicherheit, Gesundheit und ihre Kultur (Reportage aus Sulawesi).
Wie sieht es in den anderen Regionen der Welt aus? „Die Frauen stehen vor den gleichen Herausforderungen“, sagt Georgine Kengne vom afrikanischen Netzwerk WoMin, das Frauengemeinschaften gegen Bergbauprojekte unterstützt.
Auch die Frauen der Red Latinoamericana de Mujeres Defensoras de Derechos Sociales y Ambientales (Lateinamerikanisches Netzwerk von Frauen, die sich für soziale und ökologische Rechte einsetzen) geben Antworten auf diese Fragen. Sie untersuchen, wie Staaten Rohstoffprojekte globaler Unternehmen fördern und dabei „Fortschritt“ und „Entwicklung“ versprechen. Diese Art der Entwicklung ist oft sehr weit entfernt von den Lebensvorstellungen der lokalen Gemeinschaften. „Meistens sind es Männer, die über die wirtschaftlichen Aktivitäten in den Gebieten entscheiden“, heißt es in einer Studie, die 2021 mit Unterstützung von Rettet den Regenwald veröffentlicht wurde.
Die Frauen des Netzwerks beleuchten die Verflechtung von Bergbau und Patriarchat und geben den Frauen, die sich gegen diese Logik wehren, eine Stimme. Die Wertschätzung der Vielfalt und der eigenen Kultur ist eine Strategie des Widerstands und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, verliert der Bergbau an Legitimität. Die Frauen des Red Latinoamericana haben sich zum Ziel gesetzt, Einfluss auf die Politik zu nehmen.
Ein buntes Kunstwerk gegen den Hass
So wie Carolina de Moura. Sie ist eine der führenden Frauen in Brasilien, die öffentlich ein Ende der Aktivitäten des Bergbaugiganten Vale und Wiedergutmachung fordern: Der Konzern ist für verheerende Dammbrüche in Mariana und Brumadinho verantwortlich, die Hunderte Menschen das Leben kosteten und die Region unter Schlammlawinen begruben.
Für ihren Kampf wurde Carolina de Moura verleumdet und bedroht – „Schlamm-Königin“ hatten ihre Widersacher auf eine Mauer gesprüht. „Der Versuch, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, ist ein Angriff auf die Demokratie“, sagt Carolina. „Auch wenn nur eine Person angegriffen wird, sind alle betroffen, die ihr Land und ihre Lebensgrundlagen verteidigen.“
Die Mauer-Schmähung wurde von Carolinas Gemeinschaft in ein farbenfrohes Gemälde verwandelt. So haben sie die Angriffe gemeinsam mit Kunst bekämpft. Und damit auch den Worten der 2016 in Honduras ermordeten Berta Cáceres Ausdruck verliehen: „Ihr habt die Kugel, wir haben das Wort. Die Kugel stirbt, wenn sie zerstört wird. Das Wort lebt, wenn es wiederholt wird.“