Kipp-Punkte - Wo Ökosysteme plötzlich umschlagen

Der Amazonasregenwald und eine Holzhütte spiegeln sich im Wasser des Yanayacu-Flusses in Peru © Jesse Kraft/123RF.com

Höhere Treibhausgase in der Atmosphäre haben nicht überall dieselben Auswirkungen. Auch gehen Veränderungen nicht überall in der gleichen Geschwindigkeit voran. Wissenschaftler sprechen von Kipp-Punkten, Kipp-Elementen oder tipping points.

Höhere Treibhausgase in der Atmosphäre haben nicht überall dieselben Auswirkungen. So steigt zwar die Durchschnittstemperatur global betrachtet um 1,5 Grad, 2 Grad oder mehr, doch in manchen Regionen oder zu manchen Zeiten wird es sogar kälter. Ungewöhnlich arktische Temperaturen in Mitteleuropa deuten darauf hin.

Auch gehen Veränderungen nicht überall in der gleichen Geschwindigkeit voran: Manche sind schleichend und entfalten sich erst in Jahrhunderten, andere nehmen plötzlich katastrophale Ausmaße an. Wissenschaftler sprechen von Kipp-Punkten, Kipp-Elementen oder tipping points. Sie unterscheiden bislang 18, unterteilt in drei Gruppen: Veränderungen in Eiskörpern, in Strömungssystemen und in Ökosystemen.

Kipp-Punkt Amazonien

Einer der Kipp-Punkte liegt in Amazonien: Haben wir Menschen ein bestimmtes Maß an Regenwaldvernichtung angerichtet, bricht das Ökosystem unaufhaltsam und unwiederbringlich zusammen. Dann geht neben der immensen Artenvielfalt einer der wichtigsten Klimastabilisatoren verloren, in dem ein Viertel des Kohlenstoff-Austausches zwischen Atmosphäre und Biosphäre der Welt stattfindet.

Die Ursache liegt vor allem in der Funktionsweise des Wasserkreislaufs. Der Regenwald produziert große Teile des Niederschlags selbst. Bildlich gesprochen verdunstet ein Wassertropfen auf dem Weg vom Atlantik über das Amazonasbecken zu den Anden 5 bis 6 mal. Durch die fortschreitende Rodung der Wälder und die bereits begonnene Klimaerwärmung kann dieser Kreislauf entscheidend geschwächt werden. Der immergründe Regenwald würde sich in einen an die Trockenheit angepassten saisonalen Wald oder eine Savanne verwandeln.

Manchen Studie gehen davon aus, dass Amazonien kippt, sobald 20 bis 25 Prozent des Waldes zerstört wurden. Anderen Forschungen zufolge ist dieser Kipp-Punkt bereits erreicht. Ein Zeichen dafür sind auftretende Dürreperioden. Womöglich ist Amazonien schon zu einer Quellen von Treibhausgasen geworden, insbesondere auch von Methan und Stickoxiden.

Dominoeffekte betrachten

Die Kipp-Punkte darf man zudem nicht isoliert verstehen, sondern muss Dominoeffekte betrachten:

Auch ein Kippen des Westafrikanischen Monsuns könnte verheerende Folgen für Amazonien haben. Durch eine regionale Verschiebung könnte die Sahara ergrünen und damit die Düngung des Regenwaldes in Südamerika durch Wüstenstaub, der über den Atlantik geweht wird, ausbleiben.

Ebenso könnte ein Schmelzen des Eises auf Grünland den Salzgehalt im Atlantik derart senken, dass das Strömungssystem Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) erlahmt und es viele tausend Kilometer entfernt in Amazonien trockener wird.

Wie das Amazonasbecken sind auch die Nordischen Nadelwälder auf der Liste der Kipp-Punkte. Diese borealen Wälder insbesondere in Russland und Kanada machen immerhin fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche aus. Auch ihr Verschwinden würde die Klimakatastrophe erheblich beschleunigen. Bedroht sind diese Wälder durch Abholzung und Effekte des Klimawandels wie Trockenheit, die wiederum Feuer und Schädlingsbefall fördert.

Die Autoren des Nature-Texts „Climate tipping points — too risky to bet against“ sprechen angesichts der Kipp-Elemente von einem „planetaren Katastrophenfall“ und einer „existentiellen Bedrohung für die Zivilisation“.

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