RegenwaldReport 02/1998
FSC: Wirtschaftslobby auf dem Vormarsch
Über Schutz oder Forstwirtschaft für die Urwälder, den Einfluss der Wirtschaft und die Rolle der Mitglieder wird im Forest Stewardship Council gestritten.
Auch Holz aus Urwäldern zertifizieren? Nur ein kleiner Teil der Wälder ist vom Einfluss des Industriezeitalters verschont geblieben. Die Studie „The Last Frontier Forests" des World Ressource Institute kommt zu dem Ergebnis, dass nur noch 22 Prozent der Wälder in relativ ursprünglichem Zustand sind. Urwälder konzentrieren sich in wenigen Regionen: Russland, Nordamerika, Amazonien und Kongo-Becken. Bewohner dieser Wälder, Waldvölker und Dorfgemeinschaften, können nach den FSC-Grundsätzen ein FSCSiegel erhalten, wenn sie ökologisch angepasste Forstwirtschaft betreiben und ihr Holz verkaufen wollen. Doch sollen auch grosse Holzkonzerne ein Zertifikat erhalten können, wenn sie Urwälder zu Wirtschaftswäldern umwandeln? Den industriellen Holzeinschlag in Urwäldern befürworten Wirtschaft und der WWF. Sie argumentieren, dass es unrealistisch sei, den Holzeinschlag im Urwald zu stoppen. Es sei dann eben besser, diesen Holzeinschlag nach FSC-Kriterien zu betreiben und zu kontrollieren. Dagegen spricht, dass das Ökosystem der Urwälder durch Holzeinschlag grundlegend verändert wird. Da es nur noch so wenig Urwälder gibt, meinen Greenpeace, Friends of the Earth in England, Rainforest Action Network in den USA und viele andere, man sollte in den Urwäldern keine industrielle Forstwirtschaft zulassen. Waldländer sollten eher durch grosszügigen Schuldenerlass oder Kompensationszahlungen für Nutzungsverzicht entschädigt werden. Es gibt schon viele Wälder, die durch die Holzwirtschaft schwer geschädigt sind. Wenn Holzkonzerne beweisen wollen, dass sie nachhaltig und ökologisch arbeiten, dann sollen sie diese Wälder pflegen, bis dort wieder geerntet werden kann. Einfluß der Wirtschaft vergrößern? Für 200 000 Dollar hat der FSC von der Consulting-Firma Coopers & Lybrand einen „Strategic Plan" ausarbeiten lassen. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, dass der FSC „mehr die Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigen solle". Die FSC-Mitgliederversammlung 1996 hat den Stimmenanteil der Wirtschaft von ursprünglich 25% auf ein Drittel vergrössert. Mitglieder nur als Aushängeschild? Umfragen zeigen: Verbraucher vertrauen einem Ökosiegel, wenn Umweltgruppen es unterstützen. Grosse Verlage wie Springer, Bertelsmann und Bauer hätten gerne Papier aus FSC-zertifizierten Wäldern, weil die Mitgliedschaft von Greenpeace, BUND und anderen Umweltgruppen dem FSC Glaubwürdigkeit verleiht. Nach dem Strategic Plan des FSC soll jedoch gerade der Einfluss der Mitglieder und des Aufsichtsrats zurückgedrängt und mehr Macht beim Sekretariat konzentriert werden. Möglichst viel zertifizieren? Der Strategic Plan strebt an, möglichst viele Wälder in kurzer Zeit zu zertifizieren, damit der Wunsch der Wirtschaft nach Holz und Papier aus zertifizierten Wäldern befriedigt werden kann. Umweltgruppen befürchten, dass durch den Zeitdruck die Kriterien für umweltfreundliche und sozialverträgliche Forstwirtschaft ausgehöhlt werden. Geheimhaltung. Der Strategic Plan wurde zunächst vor den FSC-Mitgliedern „streng geheim" gehalten, aber ausführlich mit Industriestiftungen (Rockefeller, MacArthur, Ford, Global Wallace) diskutiert. Diese Stiftungen machen Gelder für den FSC von der Annahme des Strategic Plan abhängig. Weiteres Geheimhaltungsproblem: Ein Teil der Mitgliederadressen ist geheim. Umweltgruppen kritisieren seit langem, dass die Zertifizierungsberichte geheim sind und nur Zusammenfassungen veröffentlicht werden (siehe Bericht Precious Woods). Maulkorb für Mitglieder. Der Strategic Plan bemängelt, dass Mitglieder öffentlich den FSC kritisiert haben. Dabei verschweigt er, dass diese Kritik höchst notwendig und berechtigt war. Zum Beispiel hat Rettet den Regenwald zusammen mit vielen anderen Mitgliedern den Exekutivdirektor kritisiert, als dieser ein ungerechtfertigtes Zertifikat (Abholzung ohne Management-Plan) der Firma Glunz/Isoroy unterstützt hat. Der Strategic Plan geht auf das schwerwiegende Versagen des Sekretariats überhaupt nicht ein. Undemokratische Länder. Der Strategic Plan schlägt vor, dass sich der FSC auf einige wichtige Waldländer konzentrieren soll. Vorgeschlagen werden neben anderen Russland, Kamerun, Malaysia. Umweltorganisationen befürchten, dass Korruption und die Einflussnahme von Staat und grossen Konzernen in manchen Ländern eine Zertifizierung praktisch unmöglich machen. In Gabun wurden zum Beispiel Umweltgruppen von der Firma Glunz/Isoroy bestochen. Der Strategic Plan sieht vor, dass der FSC in Zukunft in Nationalen Initiativen organisiert wird, die sich selbst finanzieren. Wie wird dann diese Finanzierung zum Beispiel in Gabun wohl aussehen? Abhängig von Geldgebern. Nach dem Strategic Plan werden die Schulden des FSC jedes Jahr um 650.000 Dollar zunehmen. Der FSC wird dadurch immer abhängiger. Die Mitgliedsbeiträge sind gering. Langfristig will sich der FSC von den Gebühren für zertifizierte Wälder finanzieren. Bisher wurden grössere Summen von EU, Österreich, Niederlande zur Verfügung gestellt. Stiftungsgelder sollen jetzt die Erhöhung der Mitarbeiterzahl ermöglichen. Widersprüchliche Entscheidungen. Der Aufsichtsrat des FSC hat im Mai „den Strategic Plan begrüsst", gleichzeitig aber viele Vorschläge des Plans abgelehnt. Beschlüsse sind nicht eindeutig. Man kann sich aussuchen, wie man sie interpretiert. Aufsichtsrat im Zwielicht. Mindestens sieben Mitglieder des FSCAufsichtsrats müssen anwesend sein, um gültige Beschlüsse zu fassen. Bei der letzten Sitzung im Mai waren die gewählten Mitglieder aus Kamerun und Indonesien verhindert. Der entscheidende siebte Mann war James Sullivan aus Kanada. Ohne ihn war keine Abstimmung möglich. Doch James Sullivan hat bereits im Januar seine Organisation, die „Taskforces an Churches and Corporate Responsability', verlassen. Nach den Statuten des FSC kann er nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats sein. Die Sitzung im Mai war beschlussunfähig. Auch arbeitet James Sullivan bereits seit Monaten im Sekretariat, das vom Aufsichtsrat kontrolliert werden soll. Nach allgemeinem Verständnis eine absurde Situation. Doppeleinfluß der Wirtschaft. Manager und Unternehmer sitzen an führender Stelle in manchen Umweltverbänden. Beispiel der WWF Deutschland: im Präsidium vertreten Langenscheidt und Brockhaus und der Versandhändler Otto als Vorsitzender. Alle drei sind Grossverbraucher von Papier und Otto dazu noch der achtgrösste Möbelhändler Deutschlands. Wirtschaftsinteressen pur. Es ist zu begrüssen, wenn sich Wirtschaftsvertreter aktiv für die Umwelt engagieren. Wenn sie aber schon bei Umwelt= verbänden entscheidend mitwirken, wozu braucht die Wirtschaft dann noch zusätzlich eine eigene Wirtschaftskammer mit dreiunddreissig Prozent Stimmen im FSC?