zurück zur Übersicht
RegenwaldReport 04/1999

Mit Vergnügen gefällt

Waldvölker im Verbund mit einem Umweltnetzwerk wehren sich immer wirkungsvoller gegen Wirtschaftsunternehmen und Regierungen.

Der Angriff erfolgte im Morgengrauen. Mapuche-Indianer stoppten den Bulldozer der Mininco-Holzplantage und zerrten den Fahrer vom Sitz. Dann fackelten sie die Maschine ab und sperrten die Strassenverbindung. Die Mapuche im Süden Chiles werden durch Eukalyptus- und Kiefernplantagen grosser Forstkonzerne von ihrem Land verdrängt. War der Süden Chiles früher von Laubwäldern und urtümlichen Araukarienbäumen bedeckt, so haben in den letzten Jahrzehnten Investoren 2,2 Millionen Hektar Naturwald in eintönige Plantagensteppe für die Holz und Zellstoffproduktion verwandelt. Indianerdörfer, aber auch Wein- und Ackerbauern wurden zunächst unter der Diktatur Pinochets rücksichtslos von den Holzkonzernen eingekreist, bis sie ihre Siedlungen aufgaben. Hunderttausende Mapuche-Indianer mussten in die Slums der Hauptstadt abwandern. Eine kilometerlange öde Holzsteppe entstand, flankiert von zwei riesigen Zellulosefabriken, die ihre giftschäumenden Abwässer ungeklärt in den Bio-Bio-Fluss ergiessen. Doch auch die demokratischen Nachfolger des chilenischen Diktators interessierten sich kaum für die Verwüstungen der Indianergebiete. „Erst seit sie mit Gewalt gegen die Holzkonzerne vorgehen und Umweltschützer gegen das Öko-Desaster protestieren, nimmt die Regierung sie ernst", schreibt DER SPIEGEL. Auch in anderen Teilen Südamerikas eskaliert der Streit zwischen Indianern und Waldzerstörern. In Kolumbien besetzten Embera-Katio-Indianer den Bauplatz für ein Wasserkraftwerk, das auf ihrem Land entstehen soll. In Venezuela blockierten Pemon-Indianer immer wieder die Hauptstrasse ins brasilianische Boa Vista, um eine gigantische Stromleitung zu verhindern. Die venezolanische Regierung antwortete mit der Entsendung von Militär. Anfang November riss den Indianern der Geduldsfaden. Über Nacht wurden einige Strommasten einfach gefällt. „Wir haben sie mit Vergnügen umgelegt", erinnert sich Pedro Mendoza. Die Stromtrasse zerteilt über 150 Kilometer Regenwald und das Indianerland. Das, so fürchten Waldbewohner und Umweltschützer, ist nur der Anfang der Zerstörung. Überall entlang der Stromtrasse könnten energieintensive Rohstoffindustrien, wie zum Beispiel Aluminiumwerke, entstehen. Der Widerstand ist für die Indianer eine Frage des Überlebens. Konsequenterweise drohen die U'waIndianer in Kolumbien mit kollektivem Selbstmord, wenn die Firma Occidental Petrolium auf ihr Stammesgebiet vordringt. In Ecuador versucht dieselbe Firma die Secoya-Indianer mit milden Gaben für sich zu gewinnen. Bei Verhandlungen mit dem Präsidenten der Secoya-Organisation OISE bot die Firma einen Aussenbordmotor, 1300 Stück Wellblech, 44 Aluminiumtöpfe, 5 Rollen Plastik und 50 Rollen Hühnerdraht für die Dorfbewohner, wenn sie endlich die Ölförderung zulassen würden. Mit der Erdölförderung im Regenwald verdienen internationale Konzerne in Ecuador, Peru und Kolumbien Millionen Dollar. Die Regierungen sind an den Öleinnahmen beteiligt und ausländische Banken profitieren von den Zinszahlungen aus den Öleinnahmen. Bei den Indianern im Wald kommt kaum ein Cent der Gewinne an, nur der giftige Abfall aus den Bohrlöchern verbleibt den Waldbewohnern. So versaute der Ölmulti Texaco über Jahrzehnte in Ecuador das Cuyabeno-Reservat mit Millionen Litern chemie- und schwermetallverseuchtem Öl, bevor er schliesslich die maroden Förderanlagen der einheimischen Regierung übergab. In den USA läuft seit zwei Jahren mit Unterstützung von Umweltschützern eine Schadensersatzklage der Indianer gegen den Ölmulti. In Ecuador marschierten Ende November 1999 Tausende Indianer aus den Regenwäldern, die zu den ärmsten Bewohnern des Landes zählen, in die Hauptstadt und verlangten endlich einen Anteil an den Ölgewinnen. Sie verlangen zwei Dollar pro Barrel Öl. Von Januar bis September 1999 hat Ecuador bereits 790 Millionen Dollar mit dem Erdöl verdient. Andere Indianer versammelten sich zur gleichen Zeit zu einem Treffen mit dem Energieminister an dem Ort Sarayacu tief im Regenwald am Bonbonaza Fluss. Sie forderten friedlich, dass die Regierung keine Entwicklungsprojekte auf ihrem Indianergebiet durchführt. Blutig verlief ein Treffen mit Ölfirmen bei Campo Alegre. Der entschiedene Gegner der Ölförderung Rafael Santi wurde aus einem Hinterhalt von drei Unbekannten angegriffen und niedergestochen. Mit schweren Verletzungen kam er ins Krankenhaus. Unterstützt werden die zahlreichen Aktionen der Indianer und andere Bevölkerungsgruppen gegen Ölförderung, Staudämme und Waldzerstörung von der Amazon Coalition, einem Zusammenschluss von 80 Organisationen aus den USA und Südamerika, die zu Briefaktionen aufrufen. Kontakt (e-mail Adresse: amazoncoal@igc.com). Wer kein e-mail besitzt, kann sich von Rettet den Regenwald aktuelle Information (auf Englisch und Spanisch) schicken lassen. Rettet den Regenwald hat 5.000 DM für die Unterstützung der Aktionen der Indianer und die medizinische Behandlung von Rafael Santi zur Verfügung gestellt.

Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter

Bleiben Sie mit unserem Newsletter am Ball – für den Schutz des Regenwaldes!