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RegenwaldReport 02/2001

„Erschießt mich doch!“

Die Filmemacherin Inge Altemeier berichtet über einen Workshop auf umatra. Mithilfe von Rettet den Regenwald organisieren die Menschen ihren Kampf gegen Zellstofffabriken jetzt gemeinsam

Der grauhaarige alte Mann aus Porsea in Nord-Sumatra erzählt mit fröhlichem Gesicht. Über die Bauern in Porsea, die es geschafft haben, die Indorayon-Zellstofffabrik zu schließen. „Sie haben sich sogar den Angriffen der indonesischen Armee und der Zellstoffmafia in den Weg gestellt!“, ruft Pa Musa in die Runde. Als Soldaten die ersten Schüsse abgefeuert hätten, habe sich eine alte Frau mit nackter Brust in die erste Reihe gestellt und geschrien: „Ihr, ihr die meine Söhne und Enkel seid, erschießt mich doch!“ Pa Mousa überlegt einen Moment und sagt dann: „Auch wenn wir es geschafft haben, Indorayon zu schließen, geht unser Kampf weiter, denn der Einfluss der Betreiber bleibt, und es kann jederzeit passieren, dass sie das Werk wieder aufmachen.“ Außerdem wisse er von Plänen, zwei weitere Zellstoffwerke in der Provinzhauptstadt Jambi im Osten der Insel zu bauen. Die Szene spielt im April 2001 in Palembang auf Sumatra: 60 Menschen treffen sich eine Woche lang zu einem Workshop. Rettet den Regenwald hat mit einer Spende ermöglicht, das Meeting stattfinden zu lassen. Es geht um Strategien, mit denen das durch die Papierfabriken erzeugte Elend gestoppt werden kann (RR 1/2001). Die Organisatoren Nadi und Walhi, zwei indonesische NGOs, haben ganze Arbeit geleistet und einen bunten Mix zusammengetrommelt: Vertreter/innen von lokalen Umweltgruppen und Opfer der Zellstoffproduktion. Bauern, die ihr Land und ihren Wald an die Zellstoffindustrie verloren haben. Menschen aus den Dörfern am Fluss, wo die giftigen Abwässer schreckliche Hautausschläge verursachen. Beamte vom indonesischen Umweltministerium und den Mediziner Professor Trabani Rab, der schon hunderte Geschädigte der Zellstoffindustrie behandelt hat. Zunächst werden noch einmal die Zusammenhänge zwischen internationalen Geldern, darunter auch deutsche Exportkredite, und der Zellstoffproduktion erläutert. Die Branche wäre ohne westliche Finanzhilfen nicht so stark gewachsen und hätte längst einen Teil der Fabriken schließen müssen. Schon am ersten Tag des Workshops gelang es, Informationen zu bekommen, woher für die einzelnen Zellstoffwerke die internationalen Gelder fließen. Am zweiten Abend wurde dann der Film „Das verbürgte Elend – Zellstofffabriken in Indonesien“ gezeigt. Mithilfe von Rettet den Regenwald hatten wir ein Studio in Jakarta gemietet und den Film auf Indonesisch vertont. Nun saßen jene Leute im Saal, um die es in dem Film geht. Die Spannung war groß, wir hätten das Fallen einer Stecknadel hören können. Als der Film beendet war, sprangen die Menschen auf, schlugen rhythmisch auf die Tische und riefen: „Alle Zellstofffabriken müssen geschlossen werden und zwar sofort!“ Die Einzigen, die betreten sitzen blieben, waren die Beamten des indonesischen Umweltministeriums und Vertreter der Wirtschaftsbehörde. Dann umarmten sich die Menschen und schworen, von jetzt an noch intensiver zusammenzuarbeiten. Gemeinsam soll in Zukunft der Kampf organisiert werden. Die nächsten drei Tage ging es darum, Strategien zu entwickeln, die Zellstoffindustrie zu stoppen und für jede Fabrik die entsprechende Taktik zu erarbeiten. Eine klare Forderung lautete, dass jede Fabrik nur so viel Holz verarbeiten darf, wie durch Plantagen angebaut wird. Für die Produktionsstätten Indah Kiat und Rapp heißt das schlichtweg, sie müssen sofort geschlossen werden. Zwar wurden beide Fabriken bereits von indonesischen Gerichten wegen illegaler Abholzung zu Geldstrafen verurteilt, aber dank deutscher Hermes-Bürgschaften holzen die Konzerne weiter ab. Wegen des Drucks, den die Bundesregierung, die Hermes AG und die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf die indonesische Regierung ausüben, weil sie um die Rückzahlung ihrer Kredite fürchten, sind der indonesischen Staatsanwaltschaft die Hände gebunden. Deshalb ist es besonders wichtig, vor Ort noch mehr Druck auszuüben und weitere Beweise zu sammeln. Diese Aufgabe übernahm die Umweltgruppe Walhi Jambi. Jambi ist die Region auf Sumatra, in der es noch große Regenwaldgebiete gibt. Dazu gehören drei Nationalparks und ein Reservat, das die Kubu, ein indigenes Volk, dem Staat abgetrotzt haben. Walhi Jambi recherchiert dort schon seit Jahren und hat festgestellt, dass jetzt auch die Nationalparks illegal für Zellstoff abgeholzt werden. Um mir vor Ort ein Bild zu machen, fuhr ich gemeinsam mit Feri Irawan in die betroffenen Gebiete. Feri ist der Leiter von Walhi Jambi und der Einzige, der im Büro der Umweltgruppe als Angestellter – für ein mageres Gehalt – arbeitet. Unsere Recherchereise wurde von Morddrohungen, die Feri per SMS auf sein Handy erhielt, getrübt. Die Nachricht war einfach: Wenn Walhi Jambi nicht aufhört, gegen den Plan des Gouverneurs zu protestieren, eine Million Hektar mit Palmen zur Palmölgewinnung anzubauen, werde man ihm die Kehle durchschneiden. Feri versuchte herauszufinden, wer ihn da im Zehn-Minuten-Takt bedrohte. Aber es war nicht möglich, deshalb entschloss er sich, an die Öffentlichkeit zu gehen und gab diverse Zeitungsinterviews. Im Zusammenhang mit Palmöl berichtete er mir, dass die großen Zellstoffkonzerne auf den illegal abgeholzten Regenwaldflächen statt Akazien Ölpalmen anbauen. Die Bestätigung dafür bekam ich vor Ort. Rettet den Regenwald hat Walhi Jambi gerade mit 10.000 Mark unterstützt. Täglich kommen Menschen in das Büro von Walhi, die ihr Land verloren haben. Bisher war es mangels finanzieller Mittel für Feri Irawan nicht möglich, zu den abgelegenen Ortschaften zu kommen und genau zu dokumentieren, in welchem Nationalpark gerade für Indah Kiat abgeholzt wird. Im Juni fliege ich wieder nach Jambi und werde dann mit Walhi Jambi einen Film über die illegale Abholzung und über Palmöl drehen.

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