RegenwaldReport 01/2003
Ecuador: Die undemokratische Dimension der WestLB-Pipeline
Das Pipeline-Projekt ist sinnlos. Aber wer die Ölfelder besitzt, kontrolliert den Staat Ecuador
Scheidende Regierungschefs und Direktoren zeigen sich am Ende ihrer Dienstzeit zuweilen offenherzig. So auch Hernan Lara, Ex-Chef des von der WestLB finanziell unterstützten OCP-Konsortiums. Er schenkte den Bürgern über die OCP reinen Wein ein: „Ecuador wird auf Jahre hinaus zwei halbvolle Pipelines besitzen.“ Sollte seine Weissagung Wirklichkeit werden, würde dies das Projekt auch ökonomisch vollends sinnlos machen. Vom sozialen Standpunkt ganz zu schweigen. Mit der Pipeline wird der Reichtum des Landes abgeschöpft, ohne die Bevölkerung daran zu beteiligen. Die Einnahmen fließen nach dem Willen des Internationalen Währungsfonds in den Schuldendienst.
Aber auch die Regierung Ecuadors zeigt sich gänzlich unempfindlich gegenüber den Bedürfnissen der eigenen Menschen. Im Vertrag mit der OCP hat sie lediglich eine Mindestsumme von sieben Millionen US-Dollar festschreiben lassen, um die 10.000 Anwohner entlang der Pipelinestrecke für zerschnittene Grundstücke, den Bau von Zufahrten und verschmutzte Wasserquellen zu entschädigen. Zum Vergleich: Rund 200 Millionen US-Dollar sollen bei dem Projekt in dunkle Kanäle abgeflossen sein. Bewiesen ist diese Summe nicht. Doch Ecuador gilt als eines der korruptesten Länder Südamerikas. Tatsache ist auch, dass die Staatsorgane die Pipeline mit allen erlaubten und weniger erlaubten Mitteln durchboxen. Wer in Ecuador gegen die OCP demonstriert, wird bedroht oder – wie die Baumbesetzer von Mindo – mit Sabotageklagen überzogen, obwohl es sich bei der OCP um ein privates Projekt handelt.
Im Monopoly um Macht und Einfluss spielt die Pipeline eine wichtige Rolle. Der Kongressabgeordnete Henry Llanes sieht in ihr gar ein trojanisches Pferd, mit dem sich die privaten Ölgesellschaften mittelfristig die Ölkonzessionen der staatlichen PetroEcuador einverleiben wollen. Gemäß Llanes verfügen die privaten Ölgesellschaften gar nicht über so viele Ölreserven, die Pipeline 20 Jahre lang zu füllen. In verräterischer Eile brachte die Partido Social Cristiano (PSC) bereits einen Gesetzentwurf im Parlament ein, der vorsieht, Konzessionen der staatlichen Ölgesellschaft PetroEcuador an die privaten Ölkonzerne abzutreten, „um das Pipeline-Projekt zu retten“. Das käme einer eleganten Form der Privatisierung von Staatsvermögen gleich.
Die Ölgesellschaft ist das einzige staatliche Unternehmen, das Profite abwirft. Es überweist dem Staat rund 1,3 Milliarden US-Dollar im Jahr und verfügt mit 2,4 Milliarden Barrel über den Löwenanteil der Reserven, erklärt Eduardo Naranjo. Aus Sicht des Mediendirektors von PetroEcuador betreiben einflussreiche Kreise seit Jahren den Ausverkauf der staatlichen Ölgesellschaft. Aber es geht nicht nur um private Bereicherung, sondern vor allem darum, wer in Ecuador künftig das Sagen hat. „In der heutigen, durch Privatisierungen bestimmten Zeit, werden jene den Staat kontrollieren, die auch die Produktion des Erdöls kontrollieren“, analysiert Alberto Acosta, einer der führenden Ökonomen Ecuadors das Wirken der Ölindustrie. „Der Staat wird nach außen den demokratischen Schein wahren, während er in der Praxis immer autoritärer zu Werke geht.“
Michael Netzhammer, Global Aware