„Will die EU dem Land Kamerun tatsächlich 104 Millionen für den Straßenbau schenken?" „Kann man darüber Informationen bekommen?"
Immer wieder klingelt bei Rettet den Regenwald das Telefon. Besorgte Bürger haben Anzeigen und Zeitungsartikel über die „Entwicklungshilfe" der Europäischen Union (EU) gelesen und können es gar nicht glauben.
Die EU will Kamerun tatsächlich in den nächsten vier Jahren mit 104 Millionen DM für die Reparatur des Strassennetzes unterstützen. Doch welche Strassen kaputt sind und welche repariert werden sollen, das hat Kamerun der EU noch gar nicht mitgeteilt.
Worum geht es?
Die EU hat bereits in der Vergangenheit den Ausbau von Strassen in den Regenwäldern Kameruns finanziert. Die Folgen der EU-Entwicklungshilfe sind schrecklich: Der illegale Holzeinschlag erhöhte sich dramatisch, Holzfäller nutzen die Strassen zum schnellen Abtransport der gefällten Urwaldriesen. Wilderer fallen auf den Strassen in den Regenwald ein und schiessen auf alles, was ihnen vor die Flinte kommt. Tausende geschützter Tiere wie Gorillas, Schimpansen und Waldelefanten enden als Frischfleisch auf Märkten in den Städten. Die im Wald lebenden Pygmäen verlieren ihre Lebensgrundlage und fristen ein Leben im sozialen Abseits.
Für den deutschen Anteil an der Entwicklungspolitik der EU ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Bonn zuständig. Doch das BMZ spielt ebenso wie die EU die Auswirkungen der EU-Strassenprojekte herunter. Es handelt sich ja nur
um Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten bestehender Strassen. Da die Strassen schon vorher bestanden, kann ihr Ausbau gar nicht so schlimme Folgen haben, lautet die einfache Erklärung des BMZ.
Straßen sind die Hauptursache der Regenwaldzerstörung
Diese Aussagen stehen im klaren Widerspruch zu einer Studie im Auftrag der Weltbank (Buursink Report), die auch der EU und dem BMZ vorliegt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Strassen in Kamerun ebenso wie die Reparaturarbeiten die Hauptursache für die Waldzerstörung sind. Erst die Strassen schaffen den Zugang zu den Wäldern und ermöglichen Holzfällern und Wilderern die Plünderung der Natur.
Wenn eine kaum passierbare und mit tiefen Schlaglöchern übersäte Piste in eine - für afrikanische Verhältnisse - Rennstrecke ausgebaut wird, hat das weitreichende Konsequenzen. Rettet den Regenwald hat das bei der mit 1,2 Millionen Mark EU-Mitteln instandgesetzten Strasse von Lomie nach Ampiel in Kamerun dokumentiert. Allein an einem Tag schossen Wilderer vier Schimpansen und einen Gorilla. Welche Umweltschäden wird die EU dann mit 104 Millionen Mark in dem Land anrichten?
Die Straße ist schon wieder kaputt gefahren
In einem Brief schreibt das BMZ: „Die Piste konnte dem Schwerverkehr der Holzgesellschaften nur kurz standhalten. Wegen der Nichteinhaltung der Gewichtsbeschränkungen ist die Strasse deshalb schon wieder weitgehend degradiert." Die Logik des BMZ: Wenn die Strassen gleich wieder kaputt sind, können sie doch gar nicht so viele ökologische Schäden anrichten.
Um Transportkosten zu sparen, halten sich die Holzfirmen nicht an die geltende Gewichtsbegrenzung von 55 Tonnen für Lastwagen. Tatsächlich wiegen die LKWs bis zu 90 Tonnen. Nach den geltenden Gesetzen müssten die Holzfirmen für jede Tonne Gewichtsüberschreitung umgerechnet ca. 170 DM Strafe zahlen. Aber in ganz Kamerun gibt es nur zwei Wiegestationen für LKWs. Zudem ist die Zahlungsmoral der Firmen schlecht, und die bezahlten Gebühren gehen in alles andere als die Strasseninstandhaltung.
Regenwaldplünderung mit Steuergeldern
Die Laster der Holzfirmen fahren bei der gewinnbringenden Plünderung der Regenwälder Schlaglöcher in die Strassen. Die europäischen Steuerzahler müssen für die Ausbesserung der Schlaglöcher zahlen. Die deutsche Entwicklungsministerin Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul sieht das Problem ganz anders: Sie bemängelt vor allem, dass die bereitgestellten Finanzmittel aus dem Europäischen Entwicklungsfonds nur zum Teil genutzt worden seien. „Bedenklich ist der schleppende Mittelabfluss", schreibt die Ministerin in der Zeitschrift „Entwicklung und Zusammenarbeit" vom Mai 1999.
Mit anderen Worten: Nachdem die Politiker sich darauf geeinigt haben, Geld für Projekte in Entwicklungsländern auszugeben, sollen die Gelder möglichst schnell verteilt werden. Die Mittelverwendung und die Auswirkungen der Entwicklungsprojekte für die ansässige Bevölkerung und die Natur finden da wenig Beachtung. Die Hauptsache ist, dass die vorgesehenen Steuergelder möglichst schnell „abfließen".
Wie geht es weiter?
Zuständig für die Vergabe der Entwicklungsgelder ist der „Europäische Entwicklungsfonds" (EEF). Am 8. oder 9. Juli entscheidet das Komitee des Europäischen Entwicklungsfonds über das Strassenprojekt in Kamerun und über die Vergabe der Gelder. Deutschland zahlt 23 Prozent der Finanzmittel des EEF ein und hat 50 der 190 Stimmen. Für die Annahme des Projekts im EEF sind mindestens 145 Stimmen notwendig. Mit ihren Stimmen können die deutschen Mitglieder im EEF das Projekt blockieren.
Schon seit Monaten kämpft Rettet den Regenwald zusammen mit vielen Umweltorganisationen gegen die Strassenprojekte. Mit Berichten im Regenwald Report und Anzeigen in grossen Tageszeitungen wurde die Öffentlichkeit über das Vorhaben informiert und eine Unterschriftenaktion gestartet. Mittlerweile sind 30.000 Unterschriften zusammengekommen. Das Fernsehmagazin Panorama und der Kulturkanal Arte berichteten über Übergabe: Bonn, 7. Juli, 13 Uhr die katastrophalen Auswirkungen der bereits realisierten EU-Straßenreparaturen im Regenwald Kameruns.
Tausende von Informationsblättern und Unterschriftenlisten wurden von Rettet den Regenwald aus quer durch Europa geschickt. Pressemitteilungen wurden verfasst und Dutzende von Briefen an wichtige Politiker und politische Ausschüsse geschrieben. Auch viele Bürgerinnen und Bürger protestierten bei der Entwicklungsministerin gegen das Vorhaben. Die Ministerin antwortete mit zwei eilig verfassten Serienbriefen, die leider mehr Fragen offen lassen, als Antworten zu geben.
Übergabe: Bonn, 7.Juli, 13 Uhr
Die Entwicklungsministerin Frau Wieczorek-Zeul hat einen Termin festgelegt, an dem sie persönlich die 30 000 Unterschriften entgegen nehmen will. Am 7. Juli um 13 Uhr in Bonn ist es soweit. Einen Tag später entscheidet die EU. Wer vor dem nächsten Regenwald Report wissen will, wie die EU entschieden hat, kann sich an das BMZ wenden:
Frau Ministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Friedrich-Ebert-Allee 40
53113 Bonn
Telefon des Ministerinnenbüros: 0228-535-3311
Fax: 0228-535-3325
E-Mail: poststelle@bmz.bund.de (Bearbeitung von E-Mails nur unter Angabe der Postanschrift)